Postwesen

[805] Postwesen. Zwar war die öffentliche Staatspost des römischen Kaiserreiches, der cursus publicus, mit dem Reiche selber zu Grunde gegangen; doch hatten sich einzelne Spuren davon bis in die Karolingische Zeit erhalten; sogar einige alte technische Ausdrücke sind stehen geblieben: mansio, Postherberge, veredus, Postpferd, paraveredus, d.h. das Privatpferd, welches man von der Hauptstrasse ab für Reisen auf den Seitenwegen benutzte, und tractoriae, d.i. Urkunden, welche ihren Inhabern das Anrecht auf freie Verköstigung und auf freien Unterhalt für die ganze Dauer einer Reise gewährte. Wenn aber auch gewisse, der Beförderung von königlichen Gesandten dienende Leistungen, Halten von Pferden, Vorspanndienste, Beherbergung, vorhanden waren, so fehlte diesem Dienst jedenfalls der einheitliche Charakter und die einheitliche Leitung.

Neue Ansätze zu einem öffentlichen Postverkehr liegen in den regelmässigen Boten, welche von den neu entstehenden Korporationen für ihre Bedürfnisse angestellt wurden. Dies war in erster Linie bei den Kaufleuten der Fall, deren beeidete Boten den Verkehr zwischen den Kaufmannschaften der miteinander in regelmässigem Verkehr stehenden Städte besorgten; Einzelforschungen über dieses Städte-Botenwesen mangeln bis jetzt; angeführt wird u.a., dass Leipzig schon 1388 durch Briefboten zu Fuss und zu Ross mit Nürnberg, Augsburg, Braunschweig, Magdeburg, Hamburg, Köln an der Spree, Dresden, Prag und Wien in regelmässiger Verbindung gestanden habe. Natürlich besassen auch die Hansestädte ihre Botenzüge. Vortrefflich organisiert war die Postanstalt der deutschen Ordensritter; in Marienburg leitete der oberste Pferdemarschall den Briefstall und beaufsichtigte die Briefjungen oder Postillione; welche mit ihren Pferden, Schweiken oder Briefschweiken (Swoiken) genannt, die einzelnen Poststrassen zurücklegten. Auf allen Ordenshäusern war der Komtur zugleich Postmeister, und auf jedem Ordenshause musste Aufgabe oder Ankunft und Abgang des Briefes, sowohl in einem Buche als auf einem mitgegebenen Stundenzettel angemerkt werden.[805] Nur ganz lokale Verbreitung scheint die sogenannte Metzgerpost gehabt zu haben, wonach z.B. in Esslingen das Postreiten bei den Metzgern der Reihe nach umging; solche auf den Vieheinkauf basierte Posten gab es in Württemberg bis ins 17. Jahrhundert. Früh erscheinen Boten der Universität von Paris, welche eine eigene Botenanstalt bildeten; im Jahr 1296 wurde den Mitgliedern derselben für einen Krieg urkundlich Sauvegarde erteilt. Die Organisation dieser Botenanstalt scheint eine sehr umfassende gewesen zu sein.

Die erste staatliche Posteinrichtung stammt von Ludwig XI. von Frankreich, die von ihm 1464 gegründete königliche Post. Dieselbe war ausschliesslich für den Dienst des Königs und des Staates bestimmt. Auf den Hauptrouten des Königreiches sollten von vier zu vier Stunden taugliche Leute zur Haltung von vier bis fünf Pferden aufgestellt werden; an der Spitze der Anstalt stand der Conseiller grans Maitre des Coureurs de France. Die königlichen Kouriere waren verpflichtet, die vom König abgesandten Kouriere zu begleiten und die Depeschen und Berichte sofort weiter zu befördern. Nach Ausweis und gegen taxmässige Bezahlung konnten sich auch die Boten und Kuriere des Papstes und anderer mit Frankreich befreundeter Höfe der Anstalt bedienen. Zum Gedächtnis an die Errichtung der königlichen Post Hess der König eine Münze prägen, deren Kevers zwei galoppierende Kuriere zeigt, deren vorderer ein Brieffelleisen, hinter sich hat. In einem die Anstalt ergänzenden Patent vom Jahre 1487 kommt zuerst der Ausdruck postes vor. Schon 1480 erweiterte sich die Anstalt dahin, dass Privatpersonen zu sechs Sol. für die Station per Pferd befördert werden konnten; auch Privatkorrespondenzen kamen bald zur Beförderung. Lange konkurrierte die Universitätspost mit der königlichen, und erst im Jahre 1719 sind beide Anstalten verschmolzen worden.

Auf deutschem Boden waren mit der Zeit Stadtbotenämter entstanden, die auf ihren Routen ebenfalls Pferdewechsel unterhielten; ihrer bediente sich auch gegen Vergütung der kaiserliche Hof. Die erste landesherrliche Post entsteht im Brandenburgischen, wo unter Kurfürst Albrecht ein Botengang zwischen Küstrin-Ansbach eingerichtet wurde. Die zweimal im Monat abgesendeten Boten brauchten für den 68 Meilen langen Weg 24 Tage, für den Weg von Ansbach nach Wolfenbüttel 15 Tage. Andere Obrigkeiten befolgten bald das brandenburgische Beispiel. Das erste in Leipzig errichtete Postamt stammt vom Jahre 1611, der erste Postmeister erhielt 120 Gulden Gehalt. In Österreich datieren die ersten Nachrichten über ein regelmässiges Kurierwesen aus der Zeit Kaiser Friedrich III. (1440–1493); die Leistung des für Pferdewechsel eingerichteten Dienstes stand unter dem Oberjägermeister Roger (I) von Taszis; diese Post ging durch Steiermark und Tirol. Unter Maximilian errichtete Francesco de Taszis 1516 eine reitende Post von Brüssel nach Wien.

Die Familie Taxis stammte von den Torriani, Herren von Mailand; der spätere Name des Geschlechtes war de la Tour, deren einer sich im Gebiete von Bergamo niederliess und daselbst von dem ihm gehörenden Berge Tasso (Dachsberg) den Namen del Tasso, später de Tassis annahm. Nachkommen von ihm waren jener Roger und Francesco.

Der letztere erhielt, wohl in Nachahmung der französischen Einrichtung, von Kaiser Max Titel und Würde eines Generalpostmeisters; den vier Neffen desselben übertrug Karl V. die Aufsicht des Boten-Kurierwesens in seinen Landen, und zwar dem Maphée für Spanien,[806] dem Simon fürs Mailändische, dem David für Tirol, während sodann Baptista de Taxis, der den Mittelpunkt seiner Thätigkeit nach den Niederlanden verlegte, über alle gesetzt wurde. Dadurch, dass Karl V. den niederländischen Oberpostmeister zugleich zum Oberpostmeister des deutschen Reiches ernannte, war der erste Schritt zu einer Zentralisation der Posten gethan; zwar sträubten sich die einzelnen Landesherren lange und oft mit Erfolg gegen dieses neue Reichsregal; auch kam gegen Ende des 16. Jahrhunderts die Thurn- und Taxische Anstalt selber in Verfall. Zur Wiederaufrichtung derselben diente namentlich der Umstand, dass Kaiser Matthias den Grafen Lamoral in den Reichsfreiherrnstand erhob und für ihn und seine Nachkommen mit der Reichspost belehnte. Hartmann, Entwickelungsgeschichte der Posten. Leipzig 1868.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 805-807.
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