Tageseinteilung

[962] Tageseinteilung. Der Tag des deutschen Mittelalters währte, gegenüber dem von Mitternacht zu Mitternacht gezählten römischen Tage, von Sonnenuntergang zu Sonnenuntergang. In der verschiedenen Einteilungsweise wirkten römische, germanische und spezifisch christliche Elemente zusammen.

Römischen Ursprungs sind die populären Bezeichnungen media nox, Mitternacht; gallicinium, der erste Hahnenschrei, diluculum, Morgendämmerung, primo mane, frühmorgens, mane, morgens, ad meridiem, am Vormittag, meridies, Mittag, de meridie, am Nachmittag, solis occasus, Sonnenuntergang, vespera, Abend, crepusculum, Abenddämmerung, luminibus accensis, die Zeit des Lichtanzündens, concubia, der erste Schlaf, intempesta nox, ad mediam noctem, vor Mitternacht.

Dem christlichen Gottesdienste gehört die Einteilung in vigiliae und horae canonicae.

Vigiliae sind infolge der zu gottesdienstlichen Zwecken dienenden klösterlichen Nachtwachen entstanden; man teilte, der militärischen Vigilieneinteilung der Römer[962] analog, die Nacht in vier gleiche Teile, die von 6–9, 9–12, 12–3 und 3–6 währten.

Horae canonicae sind für das Mittelalter die eigentliche Einteilung des lichten Tages; sie beginnen ungefähr um drei Uhr morgens und reichen bis sechs oder sieben Uhr abends. Sie bilden die Fixpunkte für die meist alle drei Stunden vorzunehmenden Stundengebete (Tagzeiten) der Geistlichen und werden in allen Klöstern durch Geläute verkündigt, welches sich je nach der Jahreszeit verfrühte oder verspätete.

1. Matutina (hora), Mette, Frühmette, begann in Klöstern in der Regel um drei Uhr morgens, während die Weltgeistlichkeit den Anfang noch weiter in den Tag hinein verzog, ja endlich die ganze Mette am Tage vorher voraus nahm. Streng genommen währte die hora matutina von der Mitternacht bis zur Prima.

2. Prima, zur preim zit, umb prim zit, von fünf, resp. sechs Uhr morgens bis zur Tertia.

3. Tertia, zu Terzen zit, von acht, resp. neun Uhr morgens bis zur Sexta. Zu dieser Stunde begann der Tag des öffentlichen Lebens.

4. Sexta, um sexte zit, zu sexten zit, von elf, resp. zwölf Uhr mittags bis zur Nona.

5. Nona, zu nonen zit, von zwei oder drei Uhr nachmittags bis zur Vesper.

6. Vespera, hora vesperarum, oder vesperorum, hora vespertina, zu vesper zit, von vier, resp. fünf Uhr bis zur zweiten Vesper.

7. Completorium, hora completa, um complete zit, Complet, selten zweite Vesper genannt, gleich nach Sonnenuntergang. Zu dieser Zeit findet das Ave-Maria-Läuten statt, am Abend gleich nach Sonnenuntergang, welches auch den Namen »die letzten Glocken« trägt.

Endlich kennt das Mittelalter auch eine Einteilung in Stunden, von 1–24 fortlaufend und von Abends sechs Uhr unserer Zeitrechnung ab gezählt. An den Kirchtürmen und an sonstigen hervorragenden Orten angebrachte Sonnenuhren regulierten die Zählung. Der Übergang von der ganzen zur jetzigen halben Uhr vollzog sich im Laufe des 15. Jahrhunderts, spätestens des ersten Viertels des 16. Jahrhunderts. Nach Grotefend, § 18, siehe den vorstehenden Artikel.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 962-963.
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