Titurel

[984] Titurel heisst ein, bloss in zwei Bruchstücken erhaltenes, unvollendet gebliebenes Jugendwerk Wolframs von Eschenbach. Dasselbe ist stark lyrisch gehalten und in einer eigens dazu gedichteten, der Gudrunstrophe nachgedichteten Strophe erhalten. Das Gedicht gehört wie der Parzival der Gralsage an und bildet eine Art Vorgeschichte des grösseren Werkes. In den beiden Bruchstücken sind die schönsten Partien herausgegriffen und behandelt, und zwar sind im ersten Bruchstücke die keimende Liebe Schionatulanders, nach dem eigentlich das ganze Gedicht genannt sein sollte, zu Sigune, dann der Tod Gahmurets, des Erziehers von Schionatulander, und des letztern Klage um ihn behandelt, im zweiten Bruchstücke die Abenteuer, welche die Wiedererlangung eines kostbaren, verloren gegangenen Brackenseiles bezwecken. Diese Bruchstücke, die in den letzten Jahren des 12. Jahrhunderts gedichtet sein mögen, hat 50 Jahre nachher Albrecht von Scharfenberg, ein bayerischer Ritter, zu einem grossen und langweiligen Epos ausgearbeitet, das der jüngere Titurel heisst. Dasselbe war im Mittelalter fast berühmter als der Parzival, ist aber ein abgeschmackt gelehrtes Machwerk mit einer starken Hinneigung zum römisch-kirchlichen Parteistandpunkt. Siehe Bartsch in der Einleitung zu Wolfram's Parzival und Titurel, Leipzig 1870.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 984.
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