Ziu

[1118] Ziu, got. Tius, angelsächs. Tiu, ahd. Ziu und Zio, altnord. Tyr, war der Gott des lichten Himmelsgewölbes, der Vater Himmel; er entspricht dem Laut und Begriff nach dem griechischen Zeus und dem römischen Jupiter. Nach ihm ist der dritte Wochentag, ahd. Ziwestac, Dienstag, oberdeutsch Ziestig genannt. Sonst weiss man wenig von ihm. Er gilt als der Gott, den Tacitus Germania 39 den Nationalgott der Semnonen nennt, welche sich für die ältesten und edelsten der Sueven ausgeben. »Zu einer bestimmten Zeit des Jahres schicken alle stammverwandten Völkerschaften ihre Vertreter her in einen durch die Weihe der Vorfahren und das mit Ehrfurcht erfüllende Wesen der Vorzeit geheiligten Wald, und mit einem für den Staat gebrauchten Menschenopfer beginnt die schaurige Feier nach barbarischer Sitte. Noch in anderer Weise zeigt sich die religiöse Ehrfurcht, mit der dieser Hain verehrt wird: Niemand betritt ihn anders, als gefesselt, um seine Unterwürfigkeit unter die Gewalt der Gottheit zu bekunden. Fällt etwa einer zu Boden, so darf er weder aufstehen, noch sich aufrichten lassen; auf dem Boden muss er sich hinauswälzen. Alle diese religiösen Gebräuche weisen dahin, dass hier die Wiege des Volkes sei, dass hier der alles beherrschende Gott wohne, dem alles andere unterthänig und dienstbar sei.« Noch in Glossen des 9. und 10. Jahrhunderts werden die Schwaben Ziuwarî, Männer des Ziu genannt; Augsburg hiess nach dem Kulte des Gottes Ziesburc, Burg des Ziu. Da der Himmel die Strahlen des Lichtes wie des Blitzes aussendet, die man mythisch mit Schwert und Pfeil verglich, so wurde Ziu zu einem Schwert- und Kriegsgotte, daher er auch in seinem Wochentage den Mars vertritt. Als Kriegsgott führte er den Beinamen Arhvus, angelsächs. Earh, Ear, ahd. Erch, Ir, d.i. Strahl, Pfeil, got. hairu = Schwert; daher der Dienstag in Bayern auch Erstag, Irtag heisst. Von ihm hatte die Stadt Eresburg an der Diemel, jetzt Stadtbergen, den Namen. Für einen besonderen Namen des Ziu hält man den sächsischen Namen Sahsnôt, d.i. der des Schwertes geniessende, waltende, der nur aus der sächsischen Abschwörungsformel bekannt ist. Mannhardt, Götterwelt, S. 262 ff.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 1118.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika