Gradivvs

[1172] GRADIVVS, i, ein bekannter und gemeiner Beynamen des Mars bey den Römern, dessen Ursprung aber so zweiselhaft [1172] ist, als irgend einer. Einige leiten ihn von gradiri, in der Schlacht hervorgehen, her; die andern von gravis und Deus; die dritten von gradus, ein Schritt, weil diejenigen, welche fechten, einen Schritt thun; die vierten wieder von gradior, weil die Fechtenden frisch fortgehen; die fünften von graditudo. weil er hier und da herum schweift, daher er auch Communis genannt werde; Serv. ad Virgil. Aen. III. v. 35. die sechsten ebenfalls a gradiendo, weil man im Kriege immer weiter geht; die siebenten von dem griechischen Worte κραδαίνω, oder κραδάω, welches so viel als einen Spieß schwenken heißt; die achten von gramen, weil er von dem Grase entsprungen, daher auch die Kronen von Grase im Kriege gar sonderbar hochgeachtet wurden, Festus lib. VII. p. 1155. die neunten endlich wollen, daß solches gar ein getisches oder thracisches Wort sey, und so viel als kriegerisch bedeute. Ap. Gyrald. Synt. X. p. 317. Sein Bildniß soll auf einigen Münzen des K. Aurelians seyn, wo er einen Spieß in der rechten Hand führet und mit der linken ein Tropheum hält, das er auf ders Schulter trägt, dabey aber unbekleidet ist. Beg. Thes. Brand. T. II. p. 759. Eben so sieht man ihn auch auf einem geschnittenen Steine, wo er noch einen brennenden Altar vor sich stehen hat. Caus. gem. ant. figur. 62. Doch heißt eben diese Figur auf einer Münze des Claudius auch Mars ultor. Du Choul Relig. des anc. Rom. p. 205. Dagegen soll es dieser Mars seyn, welcher auf einer Münze des Septimius mit einem Brustharnische bekleidet ist, in der linken Hand ein Schild und Spieß trägt, die rechte ausgestrecket hält und vor sich ein Gefäß oder einen Altar stehen hat. Frœl. tentam. p. 289. Es hatte aber solcher Mars zu Rom seinen prächtigen Tempel vor dem capenischen Thore, weil er eigentlich der Mars im Kriege war, wogegen Mas Quirinus, welcher der Mars im Frieden hieß, und mehr die Stadt beschützen, als andere bekriegen sollte, den seinigen in der Stadt hatte. Serv. ad Virg. Aen. VI. [1173] 860. & Alex. Donat. lib. II. c. 13. Ersterwähnter Tempel soll auf das Gebet des Papstes S. Stephanus größtentheils eingefallen seyn. Nardinus lib. I. c. 2. Nachher ist auf dessen Ruinen die Kirche des heil. Sixtus II erbauet worden. Franzinus Roma antica p. 344.

Quelle:
Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 1172-1174.
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