Lycáon

[1486] LYCÁON, ŏnis, Gr. Λυκάων, ονος, ( Tab. XIX.)

1 §. Aeltern. Sein Vater war Pelasgus, Jupiters und der Niobe Sohn, seine Mutter aber, nach einigen, die Meliböa, Oceans Tochter, nach andern aber Cyllene, eine Nymphe. Apollodor. l. III. c. 8. §. 1. Jedoch machen ihn auch einige zu einem Sohne des Mercurius. Schol. Theocr. ad Idyll. v. 124.

2 §. Stand und Thaten. Er war ein König in Arkadien, und folgete seinem Vater, bauete die Stadt Lykosura auf dem Berge Lycäus, führete des lycäischen Jupiters Verehrung und Gottesdienst und folglich die so genannten Lycäa ein, und erwies sich in einem und andern noch klüger und weiser, als sein Vater. Allein, darinnen vergieng er sich, daß er dem Jupiter so gar Menschen, und zwar Kinder, opferte. Pausan. Arcad. c. 2. p. 456. So nahm er auch die Fremden erst wohl auf, und bewirthete sie, schlachtete solche aber nachher ab, und gab sie seinen Gästen zu verzehren. Regius ad Ovid. Met. I. v. 165. Hierdurch wurde Jupiter endlich selbst bewogen, sich nach der wahren Beschaffenheit zu erkundigen. Er verstellete sich daher in einen Menschen, kehrete als ein [1486] Fremder bey dem Lykaon ein, und ließ sich merken, daß er ein Gott sey. Allein, da die andern zu bethen anfiengen. lachte sie Lykaon aus, und machte Anschläge, den verstellten Jupiter, wenn er schlafen würde, selbst umzubringen. Indessen wollte er doch vorher erst eine Probe mit ihm machen, schlachtete einen der Geisel, die er von den überwundenen Molossern bey sich hatte, ab, und setzete dessen Fleisch theils gebraten, theils gekocht mit auf. Jupiter merkete solches gleich, und zündete dafür dem Lykaon das Haus durch einen Blitz an. Ovid. l. c. & Reg. ad eumd. v. 226. Einige wollen, daß er selbst seinen eigenen Sohn, den Nyktimus, abgeschlachtet; Lycophr. v. 481. & ad eum Tzetz. l. c. andere, daß solches seiner Tochter Sohn, Arkas, gewesen. Eratosth. Cataster. 8. Noch andere legen die ganze That nicht ihm, sondern dessen Söhnen, bey; Hygin. Fab. 186. und zwar soll ihr ältester Bruder, Mänalus, der Angeber davon gewesen seyn, nach dessen Rathe sie ein Kind aus Arkadien geschlachtet, und dem Jupiter, der in der Gestalt eines Tagelöhners bey ihm eingekehret, mit aufgesetzet haben, der denn darüber den Tisch umgestoßen; daher die Stadt Trapezus in Arkadien, die an dieser Stelle erbauet worden, den Namen von τράπεζα, ein Tisch, bekommen. Apollod. l. III. c. 8. §. 1. Nach einer andern Erzählung streute Lykaon aus, um seine Unterthanen zu bewegen, daß sie seine gegebenen Gesetze desto williger beobachteten, Jupiter besuchete ihn oft unter der Gestalt eines Fremden. Davon nun Gewißheit zu erlangen, mischeten seine Söhne, eben da er dem Jupiter ein Opfer bringen wollte, unter das Fleisch der Thiere das Fleisch eines Knaben, den sie nur erst getödtet hatten; weil sie versichert waren, es könnte solches niemand merken, als er. Es erhub sich aber den Augenblick ein starkes Gewitter mit einem heftigen Sturme. Der Blitz traf die Urheber dieses Verbrechens und brannte sie zu Asche. Suid. v. Λυκάων.

3 §. Kinder. Er hatte mit unterschiedenen Weibern bis funfzig Söhne [1487] gezeuget. Diese waren: Mänalus, Thesprotus, Helix, Nyktimus, Peucetius, Kaukon, Mecisteus, Opleus, Makareus, Makednus, Horus, Polichus, Akontes, Evämon, Ancpor, Archebates, Karteron, Aegäon, Pallas, Eumon, Kanethus, Prothous, Linus, Korethon, Mänalus II. Teleboas, Physius, Phassus, Phthius, Lycius, Alipherus, Genetor, Bukolion, Sokleus, Phineus, Eumetes, Harpaleus, Portheus, Platon, Aemon, Kynäthus, Leon, Harpalykus, Heräeus, Titanas, Mantinus, Kletor, Stymphalus, Orchomenus und Nyktimus II. die aber Jupiter insgesammt, bis auf den letztern Npktimus, ihrer Bosheit wegen, mit dem Blitze erschlug, Apollod. l. III. c. 8. §. 1. oder auch in Wolfe verwandelte. Lycophr. v. 481. Indessen war auch Kallisto dessen Tochter, deren Schönheit sich Jupiter im Gegentheile so wohl gefallen ließ, daß er mit ihr den Arkas zeugete, wofür sie Juno aus Eifersucht in eine Bärinn verwandelte. Ovid. Met. II. v. 401. & Hyg. Fab. 177. So war auch Dia dessen Tochter, mit welcher Apollo den Dryops zeugete. Tzetz ad Lycophr. v. 480. Es werden auch noch Eleuther und Lebadus für seine Söhne angegeben, die aber keinen Theil an seiner Bosheit genommen, und daher vom Jupiter sollen seyn verschonet worden. Plutarch. Ouæst. Græc n. 39.

4 §. Verwandelung. Nach einigen verwandelte ihn Jupiter in einen Wolf, da er einst ein Kind opferte; Pausan. Arcad c. 2. p. 456. nach andern geschah es, da er ihm das Haus ansteckete, und er sich bey der Nacht auf das Feld flüchtete, da er seinen Grimm hernach wider das Vieh wendete, den er sonst gegen die Menschen erwies. Ovid. Metam. I. v. 230. Hygin. Fab. 176. Jedoch melden auch einige, Jupiter habe ihn nebst seinen Söhnen mit dem Blitze erschlagen. Apollod. l. III. c. 8. §. 2. Dieser soll so lange auf ganz Arkadien zugefahren seyn, bis endlich die Erde ihre Hände hervor gestreckt, und um Zurückhaltung damit flehentlich gebethen habe. Tzetz. ad Lycophr. v. 481.

[1488] 5 §. Eigentliche Historie. Er wird für einen wirklichen König in Arkadien gehalten, welcher ums Jahr der Welt 2460 gelebet. Da er nun die damals übliche Weise gehabt, dem Jupiter Menschen zu opfern, so wird gedichtet, daß er solchen mit dergleichem Fleische bewirthet. Weil auch solche Opferung allerdings etwas unmenschliches ist, er aber dem Namen nach so viel, als ein Wolf heißt, so hat man ferner gedichtet, daß er in dergleichen Thier verwandelt worden. Banier Entret. XIX. ou P. II. p. 267. Dess. Erl. der Götterl V B. 378. Jedoch wollen auch andere wissen, er habe einen der molossischen Geisel abgeschlachtet, und denen Gesandten, die ihn abholen sollen, zu essen vorgesetzet. Als aber solches einer der Gäste, der Lysanias hieß, und hernach Jupiter genannt wurde, merkete, so stieß er den Tisch mit sammt dem Essen um, machte Lärm wider den Lykaon, und da es zum Schlagen gekommen, so überwand und vertrieb er ihn. Lykaon flüchtete sich darauf in die Büsche, woraus er die vorbey reisenden anfiel, daher man endlich gedichtet, er sey in einen Wolf verwandelt worden. Theodont. ap. Boccacc. l. IV. c. 65.

Quelle:
Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 1486-1489.
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