Semele

[2184] SEMĔLE, es, Gr. Σεμέλη, ης, des Kadmus und der Harmonia Tochter. Apollod. l. III. c. 4. §. 2. Sie war von einer ganz sonderbaren Schönheit, und wurde[2184] daher auch selbst vom Jupiter geliebet. Weil aber solches die Juno ungemein ärgerte, so verstellete sie sich in der Semele Kinderfrau, die Beroe; und, da Jupiter allemal in verstellter Gestalt erschien, so wußte sie ihr so viel Zweifel beyzubringen, ob auch wohl ihr Liebhaber wirklich Jupiter sey, daß sich endlich Semele verleiten ließ, eine Bitte an den Jupiter zu thun, und ihn zu ersuchen, ihr bey dem Styx zu schwören, daß er ihr dieselbe gewähren wolle. Als er solches eingieng, so bath sie ihn, eben auf die Art zu ihr zu kommen, wie er zur Juno käme. Ob nun wohl Jupiter den Ausgang davon vor Augen sah, so mußte er ihr dennoch sein Wort halten. Allein, so bald er nur mit dem Blitze erschien, erschrack Semele dergestalt, daß sie mit dem Bacchus zur Unzeit niederkam, und, da alles um sie zu brennen anfieng, dabey selbst ihr Leben verlor. Ovid. Met. III. v. 253. & Hygin. Fab. 179. Man hat davon ein Gemälde angegeben, wo der aus Mutterleibe gekommene Bacchus die Flammen verdunkelt und selbst überaus hell, wie ein Stern, glänzet. Semelens Gestalt fährt wie ein Schatten gen Himmel, und die Musen begleiten sie mit ihren Gesängen. Das Feuer aber weicht gleichsam zurück und bildet dem Bacchus eine Höhle. Philostrat. Icon. l. I. n. 14. p. 784. Es brachten aber ihre Schwestern hernach selbst aus, daß der Semele Vorgeben eine Unwahrheit, und ihr Liebhaber nicht Jupiter, sondern sonst ein guter Mensch, gewesen. Apollod. l. c. Ihr Vater war eben der Meynung, und ließ sie daher, mit sammt ihrem Kinde, in einen hölzernen Kasten stecken, und ins Wasser schmeissen. Sie trieb in Lakonien, bey Brasiä, ans Land, war aber bereits todt, daher sie dasige Einwohner nach Würden begruben, den kleinen Bacchus aber auferziehen ließen. Pausan. Lacon. c. 24. p. 209. Wenigstens glaubet man, sie sey ungefähr von dem Blitze erschlagen, und daher die Gelegenheit genommen worden, den Jupiter mit ins Spiel zu bringen. Banier Entret. XIII. ou P. II. p. 40. Andere [2185] wollen jedoch, sie habe, als Jupiters Nebengemahlinn, gar nicht sterben können; Pausan. Cor. c. 31. p. 143. und noch andere, es habe sie Bacchus wiederum aus dem Reiche der Todten empor gebracht. Ap. eumd. l. c. Jupiter versöhnete darauf die Juno mit ihr, und sie wurde in den Himmel unter die Götter aufgenommen. Nonni Dionys. VIII. in fin. Indessen soll auch Aktäon ein Auge auf diese Prinzessinn des Kadmus gehabt, und sie zu heurathen vermeynet haben, welches aber Jupiter nicht leiden können; daher denn sein Unglück zum Theile mit veranlasset worden. Apollod. l. c. §. 4. Pausan. Bœot. c. 2. p. 545. Man wies zu Theben die Ueberbleibsel von ihrem Schlafzimmer, wo der Blitz eingeschlagen, und auch ihr Grabmaal. Pausan. l. c. c. 12. & c. 16. p. 560. & 566. Sie wurde, nebst ihren Schwestern, göttlich verehret; und man hat noch in unsern Zeiten einen Altar gefunden, der ihnen als Göttinnen gewiedmet war. Memoir. de Trevoux. 1738 Juil. Art. 2. Ihren Tempel glaubet man auch auf einem geschnittenen Steine zu finden, um welchen man die Worte liest: ΣΗΜΕΛΗ ΤΡΕΜΟΥΣΙΝ ΔΑΙΜΟΝΕΣ, vor Semelen zittern die Geister; welches ihre Macht anzeigen sollen. Begeri spicil. antiq. p. 48.

Quelle:
Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 2184-2186.
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