Daniel, S. (8)

[722] 8S. Daniel, Propheta, (21. Juli). Der hl. Daniel, der vierte unter den größern Propheten,5war aus dem Stamme Juda von vornehmer, vielleicht königlicher Abkunft (Jos. Antt. X. 10. 1), wiewohl Letzteres nicht ganz sicher aus Dan. 1, 3 f. gefolgert werden kann. Noch sehr jung kam er nach Jerusalem's Eroberung durch Nabuchodonosor (Nebukadnezzar) unter der Regierung Jojakims als Gefangener nach Babylon, wo er unter dem Namen Bettschazzar (s. S. Balthasar1) mit noch drei andern Alters- und Volksgenossen für den chaldäischen Hofdienst erzogen und in allen Wissenschaften der Magier unterrichtet wurde. Er machte große Fortschritte in der Weisheit der Chaldäer, blieb aber zugleich ein treuer Verehrer und Befolger des göttlichen Gesetzes. Nach einer dreijährigen Vorbereitungszeit, welche er am königlichen Hofe zu machen hatte, wurde er mit seinen Gefährten geprüft, und einsichtsvoller und kenntnißreicher erfunden, als alle übrigen, die denselben Unterricht mit ihm genossen hatten; namentlich verstand Daniel Gesichte und Träume zu deuten, weßhalb er in der Gunst Nabuchodonosor's bald sehr hoch stieg. Schon in seiner Jugend erlangte er durch seine Weisheit in der Angelegenheit der tugendhaften Susanna (Dan. 13,2 ff.) großen Ruf bei seinen Glaubensgenossen (vgl. Ezech. 14,14. 20; 28,3), und wurde, als er [722] dem Könige Nabuchodonosor im 2. Jahre seiner Regierung einen bedeutsamen Traum in's Gedächtniß zurückgerufen und gedeutet hatte, von diesem sogar zum Vorstand aller Magier und zum obersten Neichsbeamten erhoben (Dan. 2, 48). Später scheint er sich zurückgezogen oder seine einflußreiche Stellung verloren zu haben, da Nabuchodonosor's Enkel, König Balthasar (Belschazzar), erst auf ihn aufmerksam gemacht werden mußte, wo es sich um die Deutung der wunderbaren Schrift im königlichen Speisesaal handelte (Dan. 5, 10 ff.).6Nach der Ecoberung Babylons durch die Meder wurde er von Darius (Kyarares II., Sohn des Astyages), wieder zu einem der drei obersten Staatsbeamten erhoben (Dan. 6, 2), und der König ging mit dem Gedanken um, Daniel über sein ganzes Reich zu setzen, als die auf ihn eifersüchtigen Großen des Reiches ihm eine Falle legten. Sie bewogen nämlich den König, einen Befehl zu geben, daß man im ganzen Reiche Niemanden außer dem König anrufen dürfe. Da nun Daniel doch seinen Gott anrief, verklagten sie ihn beim Könige, und obwohl dieser ihn auf alle Weise zu retten suchte, so mußte er doch endlich auf Andringen der Feinde sich dazu verstehen, den Daniel in die Löwengrube zu werfen, wo er jedoch ganz unversehrt erhalten wurde (Dan. 6,22). Als Darius nach zweijähriger Regierung starb, und sein Neffe Cyrus (Dan. 6,28) das medische, persische und babylonische Reich vereinigte, wurde Daniel sein Freund und Tischgenosse; doch dauerte dieß nicht lange, da bald darauf Cyrus (Dan. 13,65) durch einen Volksauflauf, den Daniet durch diel Entlarvung des babylonischen Götzendienstes und der Betrügereien der Priester des Bel veranlaßt hatte, gezwungen wurde, ihn in die Löwengrube werfen zu lassen, worin er sechs Tage lang auf wunderbare Weise erhalten, von Gott durch den Propheten Habakuk gespeist und am siebenten vom Könige in Freiheit gesetzt wurde (Dan. 14,1 ff.). Welche Schicksale er nach diesem gehabt, wie lange er noch gelebt, in welchem Jahre er gestorben, und wo er begraben worden, das hat die heil. Geschichte nicht aufbewahrt. Nach Einigen soll er zu Babylon od er zu Susa im 110. Jahre seines Lebens gestorben und im königlichen Begräbniß beigesetzt worden seyn. Das nach ihm benannte Buch Daniel zerfällt in einen vorherrschend historischen (Cap. 1–6) und in einen vorherrschend prophetischen Theil (Cap. 7–12); aber ersterer enthält ebensowenig eine zusammenhängende Geschichtserzählung, als letzterer zusammenhängende prophetische Reden; vielmehr werden in beiden Theilen nur einzelne wichtige Ereignisse oder dem Propheten gewordene Visionen beschrieben, deren Deutung dann in förmliche Weissagung übergeht, die sich bald auf die nähern, bald auf die entferntern Schicksale der Theokratie und ihre einstige Vollendung durch den Messias beziehen. Auch die Ereignisse, die in dem Buche vorkommen, sind regelmäßig solche, bei denen es sich nicht blos um die Person Daniels, sondern allgemein um das Verhältniß der Heidenwelt zur Theokratie handelt. Daher ist Daniel in seiner Stellung zum babylonischen Hofe und dem heidnischen Volke ein theokratischer Prophet mitten im Heidenthume, als ob seine Mission gerade diesem gelte, und hier fortwährend in hohem Ansehen, als ob bereits die baldige Unterordnung des Heidenthums unter die Theokratie und seine Aufnahme in diese factisch vorbedeutet werden sollte. Der erste Theil des Buches ist fast ganz (nämlich Cap. 2,4 bis Cap. 7,28) in chaldäischer, der zweite Theil (Cap. 8–12) mit Ausnahme eines einzigen Capitels in hebräischer Sprache geschrieben. Daß Daniel das Buch unter göttlicher Eingabe verfaßt habe, ist in Bezug auf die 12 ersten Capitel durch die jüdische und christliche Erblehre außer Zweifel gesetzt; die zwei letzten Capitel (Cap. 13 und 14) dagegen, welche (wie auch Cap. 3,24–90) nicht mehr wie die erstern in der chaldäischen und hebräischen Ursprache, sondern nur in einer griechischen Uebersetzung auf uns gekommen sind, werden von den Juden und Häretikern nicht als göttliche Schrift angenommen; aber die katholische Kirche hat sie auf das Zeugniß der hhl. Väter durch alle Jahrhunderte als solche anerkannt, und der Kirchenrath von Trient als Bestandtheil der heil. Schrift bestätiget. – Das Andenken des hl. Propheten Daniel ward in der Kirche immer hoch in Ehren gehalten, und feiert die lateinische Kirche dieselbe am [723] 21. Juli. Auf Bildern endlich wird er dargestellt mit einem Löwen oder zwischen Löwen in einer Löwengrube; bisweilen auch mit einem Widder mit vier Hörnern, von denen manchesmal die zwei äußersten Hörner Ammonshörner, das mittlere ein Hirschhorn und das linke ein gewöhnliches Bockshorn ist. Ueber diesem Propheten sieht man auch als Vision einen Mann mit langem Barte, wahrscheinlich der Alte der Tage. Der Widder hat Bezug auf eine Vision des Propheten, die im Cap. 6 enthalten ist.


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 1. Augsburg 1858, S. 722-724.
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