Heimeradus, S. (1)

[611] 1S. Heimeradus (Haymeradus), Presb. Conf. (28. Juni, al. 8. März, 1. Juli). Vom Altd. heim = Heimath, Vaterland etc., und rad = Rath etc., also: Berather des Vaterlands etc.; nach Andern: verschwiegen in der Rede etc. – Der hl. Priester Heimerad, auch Heimered, Heymerad, Hemerad etc. genannt, lebte um die Zeit, wo der hl. Sebaldus in Nürnberg wirkte, in Hessen auf einem Berge, wo nachmals das Kloster Hasungen stand. Hier auf einsamer Höhe am Habichtswalde, nahe beim Städtchen Wolfshagen, stand seine Klause. Er war zu Möskirch (Messankircha) im jetzigen Großherzogthum Baden geboren. Priester geworden, machte er Wallfahrten nach Rom und Palästina. Wie er von Haus aus arm gewesen war, so blieb er's sein Leben lang. Vom Almosen lebend, theilte er sogleich wieder an Arme aus, was er über die Nothdurft bekommen hatte. Wußte er den Nächsten in Noth, so schenkte er auch das letzte Stücklein Brod weg. Allzeit war er fröhlich und vertraute dem lieben Vater im Himmel. Nach langen Wanderungen kam er nach dem ehemals hochberühmten Kloster Memleben (Mimilebum) an der Unstrut in Thüringen, welches der im J. 736 gestifteten, durch den westphälischen Frieden an Hessen-Cassel gekommenen Abtei Hersfeld untergeben war, deren Abt Arnold ihn dort traf und ihn nach einiger Unterredung nach [611] Hersfeld schickte, wo er ihn einzukleiden gedachte. Heimerad ließ es jedoch nicht geschehen. Doch lebte er aufs Strengste, weder rechts noch links schauend, den goldenen Weg der klösterlichen Regel. Wie der Steuermann, wenn er die Segeln dem Winde überläßt, in die Höhe blickt, so weilte der Blick seines Geistes unaufhörlich im Himmel. Eines Tages warf er sich aber im Capitel vor dem Abte und den Brüdern auf den Boden nieder und bat um seine Entlassung, weil er hier das Heil seiner Seele nicht finden zu können glaubte. Darüber wurde der Abt sehr böse, hieß ihn einen Vagabunden und jagte ihn davon. Als Heimerad sich beim Weggehen beklagte und unter Anderm das Wort fallen ließ, so gehe man mit dem »Bruder des Kaisers« nicht um (er verstand nämlich unter »Kaiser« den Herrn Jesus Christus), ließ ihn der Abt sogar geißeln. Während dieser Züchtigung sprach der Heilige den 50. Psalm, brachte ihn aber nicht ganz zu Ende, weil man ihm so viele Schläge nicht geben wollte. Ein Weib, das durch Thränen ihr Mitleid mit ihm zeigte, erhielt von ihm die Lehre, sie möge lieber ihre Sünden beweinen, davon würde sie größeren Nutzen haben. Von Hersfeld schlug er den Weg nach Paderborn ein. Der Vicar des Dorfes Deitmelle (heutzutage die Stadt Detmold) nahm ihn auf und wies ihm eine Kirche der Pfarrei an, in welcher er ihm gestattete, die heil. Messe zu lesen. Bald hatte der hl. Heimerad sich das Vertrauen der Gemeinde erworben. Als er aber eines Tags eine Gabe der Haushälterin des Vicars zurückwies, weil Gott dieselbe nicht annehme, wenn sie nicht ihr Leben und ihre Sitten bessere, ließ ihn der Vicar, der sich hiedurch an seiner Ehre verletzt glaubte, mit Hunden aus dem Orte hetzen. Heimerad war allerdings der Läuterung noch sehr bedürftig. Sein Streben nach Vollkommenheit war sicherlich aufrichtig; aber er befand sich noch immer nicht auf dem rechten Wege. In Paderborn angelangt, wurde er deßhalb sogar vom hl. Bischof Meinwerk (s. d.) hart angelassen. Auch hier bekam er Schläge und wurde, als des Bundes mit dem Bösen verdächtig, mit Ruthen gestrichen. Man kann hieraus ermessen, wie weit er das rechte Maß der Verdemüthigung überschritt, so daß es möglich war, selbst Heilige, wie den Bischof Meinwerk (Meginwerc) und die Kaiserin Cunigundis, welche eben damals in Paderborn anwesend war, gegen sich zu erbittern. Jetzt begab er sich nach Hasungen, wo er das Ende seines mühevollen Wanderlebens in Uebungen der Gottesfurcht abzuwarten beschloß. Als er den Berg hinanstieg, war es ihm, als sehe er den Himmel über sich geöffnet. Die umwohnenden Leute ließen ihn gern da wohnen; er aber brachte die Zeit mit Gebet, Lesung und Arbeit zu und spendete von den Almosen, die er erhielt, reichliche Liebesgaben. Er er baute neben seiner Zelle ein Kirchlein, in welchem er predigte und vor Allem eifrig zur Liebe des Nächsten ermahnte. Nochmal kam er hier mit dem hl. Meinwerk zusammen. Ein Graf von Wartburg, Namens Dudecho, hatte Beide zu Tische geladen. Sie hauen sich kaum gesetzt, als Meinwerk sich gegen diesen »hirnwüthigen Abtrünnling« (deliraa apostatam) in den heftigsten Ausdrücken er ging. Die Versöhnung folgte aber auf dem Fuße. Meinwerk hatte sich durch das bis aufs Aeußerste vernachlässigte Aussehen Heimerad's täuschen lassen. Als er aber dann auf Befehl des Bischofs das »Alleluja« in einer Weise sang, daß Meinwerk gestand, noch nie habe er aus menschlichem Munde einen so schönen Gesang gehört, nahm ihn dieser bei Seite, bat ihn um Verzeihung und wurde von jetzt an sein aufrichtigster Gönner. Möge man dieses Betragen der beiden Heiligen beurtheilen wie man will, so wird man doch sagen müssen, daß zeitweilige Mißgriffe und Härten auch im Leben sonst tadelloser. ja heiliger Männer vorkommen können. Das sicherste Kennzeichen der Heiligkeit ist die Demuth, in welcher alle wahren Jünger Jesu es einander zuvorthun müssen. Man weiß nicht, wer in dieser Tugend größer war: Heimerad, der mit so vieler Geduld auch die ungerchtesten Vorwürfe schweigend hinnahm, oder Meinwerk, der einen einfachen Priester, dem er Unrecht gethan, fußfällig um Verzeihung bat. Viele Wunder werden vom hl. Heimerad erzählt. Einst gerieth er bei der heil. Messe in eine Ekstase, von welcher er erst gegen Abend zu sich kam. Alle Anfechtungen des bösen Feindes schlug er durch das heil. Kreuzzeichen ab und mahnte auch Andere, sich durch dasselbe vertrauensvoll und eifrig gegen alle Versuchungen zu schützen. »Gegen dieses Zeichen,« pflegte er zu sagen, »hält keine Gefahr Stand.« Als er im Jahr 1019 starb, geschahen zahlreiche Wunder. Auf Hasungen aber erhob sich, wie er vorausgefagt, [612] ein Kloster. Wegen der schnellen Hilfe, die Gott durch seine Verdienste den andächtig an seinem Grabe Betenden spendete, wurde die Kirche daselbst ein viel besuchter Wallfahrtsort. Das bezeugt seine Gedenktafel, auf welcher unter Anderm zu lesen war:


Qui prece multa pia quaerunt solatia dia,

Ejus per merita capiunt relevamina cita.


Bei Ferrarius steht er am 1. Juli, bei den Boll. aber am 28. Juni. (V. 385.)


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 2. Augsburg 1861, S. 611-613.
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