Hilarius, S. (18)

[724] 18S. Hilarius, Ep. Arelat. (5. al. Mai). Dieser hl. Hilarius war einer der größten Kirchenfürsten Galliens, nicht etwa blos durch seine Stellung als Haupt der Kirchenprovinz Arles (Arelatum), sondern hauptsächlich durch seine ausgezeichneten Eigenschaften. Er war um das J. 403 geboren und stammte aus einem angesehenen Geschlechte Belgiens. Eine Zeit lang zog ihn die Welt an; er kam jedoch bald, vorzüglich durch die Bemühungen seines Oheims, des hl. Honoratus von Arles, zu der Erkenntniß, »daß der höchste Adel darin bestehe, ein Kind Gottes zu seyn«. Dieß ging aber nicht ohne schweren Kampf. »Auf der einen Seite schien es mir,« erzählt er selbst, »als ob der Herr mich zu sich rufe, auf der andern hielt die Welt mich zurück, indem sie mir ihre verführerischen Freuden und Reize vorstellte. Mein Wille schwankte unentschieden hin und her und hinderte mich, einen festen Entschluß zu fassen. Endlich siegte Christus in mir. Drei Tage, nachdem Honoratus mich verlassen hatte, unterjochte der barmherzige Gott auf sein Gebet meine widerstrebende Seele.« Nun verkaufte er das väterliche Erbe an seinen Bruder und gab den Erlös den Armen. Dann ging er in das Kloster Lerins (Lerinum), [724] dem damals der eben genannte hl. Honoratus als erster Abt vorstand, und machte hier in der Wissenschaft der Heiligen große Fortschritte. Studium, Gebet und Bußübungen, verbunden mit strenger Wachsamkeit über sich selbst und seine Neigungen, machten ihn allmälig zu einem Muster in allen Tugenden. Dazu kam eine außerordentliche Begabung des Geistes, die ihn dem hl. Honoratus so beliebt machte, daß er ihn dem Klerus und Volk von Arles, dessen Bischof er in den letzten Jahren seines Lebens geworden war, als den würdigsten Nachfolger bezeichnete. In der That wurde er auch, obwohl erst 29 Jahre alt, einstimmig gewählt. Den kanonischen Mangel des Alters ersetzte er durch ausgezeichnete Tugenden. »An sich selbst,« erzählt sein Biograph, der hl. Bischof Honoratus von Marseille, der ihn persönlich gekannt, »zeigte er, wie man die Welt verachten, die Fehler überwinden, mit Arbeiten sich abmüden, die heil. Schriften unauszesetzt lesen, dem Wachen, Beten und Fasten obliegen, mit schlichter, einfacher Kleidung sich begnügen und Reisen stets zu Fuß machen solle.« Die Uebungen des klösterlichen Lebens setzte er, so gut er's vermochte, im bischöflichen Palaste fort. Nach der Lehre und dem Beispiele des hl. Paulus hatte er sich bestimmte Stunden für die Handarbeit festgesetzt. Den hieraus gewonnenen Erlös schenkte er den Armen. Seine Barmherzigkeit war so groß, daß er einmal, um Gefangene auszulösen, selbst die heil. Gefäße verkaufte. Er bediente sich dann bei der heil. Messe eines Kelchs und einer Patena aus Glas. Aus diesem einem Gefühle für die leibliche Noth können wir das Mitleid ermessen, welches er als Selenhirt für die Sünder empfand. Der Himmel, die Schätze des Reiches Gottes, die ewigen Güter standen stets vor seinen Augen. Was er auch thun mochte, so fand er immer Anlaß, sich mit frommen Gedanken und Aufschwüngen zu Gott zu beschäftigen. »Wir wollen essen,« sagte er z. B. öfters zu denen, die um ihn waren, »lasset uns nicht vergessen, daß wir Christi Säeleute sind; genießen wir Wein, so denken wir an den Weinberg, den wir bebauen sollen etc.« Daß er mit einem einzigen Kleide sich begnügte, haben wir schon angedeutet; er trug es Winter und Sommer und legte es nicht ab, bevor es unbrauchbar geworden war. So viel er auch reiste, that er es stets zu Fuße. Und so sehr hatte er die widerspänstige Natur bezwungen, daß er stets in ungetrübter Seelenruhe lebte und nie weder durch Ungeduld im Leiden hingerissen wurde, noch bei freudigen Ereignissen den gewöhnlichen Ernst seines Lebens ablegte. Täglich pflegte er mit sich selbst ins Gericht zu gehen und sich von Allem, was er that, Rechenschaft abzulegen, um dereinst dem himmlischen Richter die empfangenen Talente doppelt wiedergeben zu können. Er aß nie, ohne die Speise durch geistliche Lesung zu würzen und auch dem Geiste Nahrung zu geben. Unablässig predigte er durch Wort und Beispiel. Hatte er seine Vorträge beendigt, so fing er an, die ausgestreute Saat mit seinen Thränen zu befeuchten und die Frucht der Buße, die er durch seine Worte hervorgelockt hatte, durch inständiges Gebet zu erhalten. Er sprach nicht gesucht – denn dafür war er zu sehr ein Jünger des Apostels, der menschliche Weisheit verschmähte, um der Thorheit des Kreuzes zu huldigen, – aber doch mit Anmuth, Wohllaut und Würde, nicht um seiner selbst willen, sondern aus Ehrfurcht vor Jesus, den er verkündigte, und jederzeit wußte er seine Reden nach der Fassungskraft, dem Bildungsgrade und den Bedürfnissen seiner Zuhörer einzurichten. Gegen die ihm untergeordneten Bischöfe verfuhr er mit großer Strenge, nicht aus Härte, sondern weil er es für seine Pflicht hielt. Hier war es denn, wo ihm da und dort etwas Menschliches begegnete. Er fehlte, aber nicht aus Herrschsucht, sondern aus Eifer für seine Pflicht. Man braucht diesen Umstand weder zu verschweigen, noch zu beschönigen. Eine Zeit lang schien er sogar die Zurechtweisungen des Papstes nicht beachten zu wollen. Ungern sah sich daher der große Papst Leo I., der selbst unter den Heiligen der Kirche glänzt, in die Lage versetzt, die Ausschreitungen eines so frommen Mannes auf eine gemäßigtere Bahn lenken zu müssen. Die beiden Kirchenlichter sahen sich zu Rom, und diese Begegnung war für sie von den wohlthätigsten Folgen. Der Papst erkannte, daß Hilarius nur in übergroßem Eifer und mit der reinsten Absicht gefehlt; dieser aber sah ein, daß der Primat des römischen Stuhles nicht blos der Herrschaft desselben, sondern vorzüglich dem Nutzen der Kirche und ihrer Hirten diene. Deßhalb suchte er bald darauf mit aller Demuth den Papst mit sich zu versöhnen. In der That hatte kein Kirchenfürst jener Zeit [725] reinere Absichten, größern Eifer, zärtlichere Sorgfalt für seine Untergebenen als der hl. Hilarius. Er wachte mit Aengstlichkeit über die sittliche Reinheit und Unbeflecktheit des Klerus. Zeugen sind mehrere in seiner Gegenwart, zum Theil unter seinem Vorsitz gehaltene Synoden, nämlich die zu Riez (Reji, Regium) im J. 439, zu Orange (Arausio) im Jahr 441, zu Vaison (Vasio) im Jahr 441 oder 442, zu Arles im Jahr 442 oder 443, sowie zu Besançon im Jahr 444. Mit dem hl. Bischof Germanus25 von Auxerre war er durch die Bande innigster Freundschaft verbunden. Er empfing denselben namentlich auf dessen Durchreise durch Arles, als jener heil. Bischof zum Präfecten Auxiliaris sich begab, voll Freundlichkeit wie einen Vater, voll Verehrung wie einen Apostel. Hilarius aber selber war, wie der bezügliche Bericht im Leben des hl. Germanus (Jul. VII. 215, n. 56) angibt, »ein feuriger Strom des Glaubens, ein unermüdlicher Arbeiter für die göttliche Lehre und Vorschrift«. Leider war die Kraft seines Körpers durch die fortwährenden Anstrengungen, Entbehrungen und Selbstüberwindungen schon im 48. Jahre seines Lebens ganz erschöpft. Er fühlte seine letzte Stunde nahen und nahm in den rührendsten Worten Abschied von den Seinigen. Der 5. Mai des J. 449 beschloß sein thatenreiches Leben. Am 7. Mai wird das Gedächtniß seiner feierlichen Beisetzung begangen. Sein Name steht auch im Mart. Rom. am 5. Mai. In bildlichen Darstellungen sieht man den Heiligen gewöhnlich mit dem Symbol der Taube, um seine Sanftmuth, Liebe oder seine himmlische Weisheit auszudrücken; vielleicht auch deshalb, weil, wie auch bei Menzel (Symb. II. 439) sich findet, eine Taube sich auf sein Haupt setzte, um ihn bei der Wahl als Bischof nach dem Willen Gottes zu bezeichnen. Auch als ein Schlangenvertreiber wird er bei Menzel (II. 431) erwähnt. (II. 25–43.)


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 2. Augsburg 1861, S. 724-726.
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