Marcus, SS. (30)

[117] 30SS. Marcus et Marcellianus, MM. (18. al. 17. Juni). Diese hhl. Zwillingsbrüder und Martyrer gehören zu dem Triumphzuge des hl. Sebastianus, der sie zu Christus bekehrt und im Glauben gestärkt hat. Als sie der Verachtung der Götter und der kaiserlichen Befehle angeklagt, und wegen ihres christlichen Bekenntnisses zum Tode verurtheilt wurden, erlangten die reichen und deßhalb einflußreichen Eltern Tranquillinus und Marcia für sie vom Präfecten Chromatius einen Aufschub von dreißig Tagen. Sie wurden demnach (Stabell, Lebensb. I. 758) mit sechzehn heidnischen Gefangenen höheren Standes aus dem öffentlichen Gefängnisse in das Haus des Gerichtsschreibers Nikostratus gebracht und daselbst in anständigerer Hast gehalten. Der Vater, ein silberhaariger Greis, von Alter gebeugt, von Gicht gelähmt; die Mutter, eine edle Gestalt von würdevollem Wesen, Gattinnen und Kinder, Freunde und Verwandte – alle kamen Tag für Tag und bedrängten und bestürmten die beiden Bekenner mit den Waffen der Freundschaft und der Liebe. Schmerzgebrochen jammerte der Vater: »Erbarmet euch; ich bin schwach und reif zum Tode, ihr seid in der Vollkraft des Lebens; o wartet doch, bis mein Auge gebrochen ist; soll der Vater, selbst dem Tode nahe, das Blut seiner Söhne unter dem Henkerbeile fließen sehen?« Mit aufgelöstem Haare, mit zerrissenem Gewande lag die Mutter zu ihren Füßen: »Schonet meiner – ich habe euch geboren und an dieser Brust genährt, ihr seid mein Fleisch und Blut – nein, ihr seid es nicht, eure Brust ist Eisen, euer Herz ist Stein; welch' eine Zeit des Wahnsinns ist gekommen: das schwache Alter klammert sich gierig an das Leben, die kräftige Jugend stößt es verächtlich von sich ab – Leben, Ehre, Reichthum und Liebesglück. Wenn der Krieg euch mir entführte, so würde ich euch folgen mitten ins Schlachtgewühl; wenn die Gerichte euch mir raubten, so würde ich durch alle Wachen und Thore in den tiefsten Kerker zu euch dringen, aber das ist grauenhaft: ihr verlangt zu sterben, ihr rufet und bittet den Henker, daß er das Schwert schwinge, ihr strecket freiwillig den Nacken hin.« So sprachen auch die Gattinnen, schluchzten laut und zeigten auf die weinenden Kinder: »Was soll aus uns, was aus diesen werden, unglückliche Wittwen, verlasiene Waisen – und durch eure Schuld? Gedenket der Liebe, habet Mitleid und Erbarmen.« Da erschien der hl. Sebastian, und bewirkte durch seine Zusprache und durch die Heilung der Gemahlin des Gefängnißwärters Nikostratus, die durch eine Krankheit die Sprache verloren hatte, daß Vater und Mutter, die zwei Frauen, Nikostratus und seine Gattin [117] Zoe, die Anwesenden alle – achtundsechzig Personen – den Namen Christi anriefen. Sie empfingen von einem Priester Polykarpus, der sich heimlich in Rom aufhielt, den christlichen Unterricht und die heilige Taufe, in welcher der alte Vater auch die leibliche Genesung fand. Hiedurch wurde auch Chromatius bekehrt; er empfing die hl. Taufe und setzte die beiden Gefangenen heimlich in Freiheit, legte sein Amt nieder und zog sich mit vielen Christen auf seine entlegenen Güter zurück. Die hhl. Marcus und Marcellinus blieben in der Stadt und wurden von dem Papste Cajus19 zu Diaconen ordinirt und hielten sich mit andern Gläubigen im Hause eines gewissen Hofbeamten, Namens Castulus6, auf, bis sie von Torquatus, einem abgefallenen Christen, verrathen und dem Präses Fabianus übergeben wurden. Dieser ließ sie festnehmen und beide mit eisernen Nägeln an einen Pfahl heften. Sie sangen ungeachtet ihrer Schmerzen einmüthig das Lob des Herrn. Schließlich ließ sie der Präfect durch Lanzenstiche tödten. Ihre Leichname wurden an einem Ort, der zwischen der appischen und ardeatinischen Straße lag, beigesetzt. Ihr Todesjahr ist wahrscheinlich das J. 286 oder 287. In einem Lütticher Mscrpt. fanden die Boll. ihre Namen auf den 17. Juni verzeichnet. Gegenwärtig (Piazza I. 120) werden ihre hhl. Leiber in der Kirche der hhl. Cosmas und Damianus aufbewahrt. (III. 568–571).


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 4. Augsburg 1875, S. 117-118.
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