Maria ab Angelis, B. (56)

[182] 56B. Maria ab Angelis, O. Carm. V. (19. al 16. Dec.) Mit Anspielung auf den Namen dieser sel. Maria von den Engeln rühmt das ihr zu Ehren bestimmte Kirchengebet die göttliche Gnade, die ihr verliehen hat, in englischen Sitten zu leben. In der That ist ihr dieselbe von Kindheit an wunderbarer Weise zur Seite gestanden. Ihre Eltern waren eben so durch Frömmigkeit wie durch Adel angesehen. Turin war ihre Vaterstadt. Schon als Kind war es ihre Gewohnheit, an einsamen Orten zu beten, während andere Kinder spielten. Frühe schon erwachte durch die Lesung der Legende in ihr und in ihrem Bruder die Neigung zu einer strengern Lebensweise, so daß sie eines Tages den Beschluß faßten, heimlich das elterliche Haus zu verlassen, um an irgend einem wüsten Orte ein strenges Einsiedlerleben zu führen. Ebenso sehnte sie sich bereits von ihrem sechsten Lebensjahre an mit hl. Inbrunst nach dem Empfange der hl. Communion. In diesem Verlangen nach höherer Vollkommenheit übte sie Nachtwachen, viele und lange Gebete, Abtödtungen jeder Art schon in ihren zartesten Jahren. So trat sie, wohl vorbereitet, in ihrem sechzehnten Jahre in den Orden der barfüßigen Carmelitinnen zu St. Christina in Turin. Von jetzt an war es ihre einzige Sorge, die Gelübde, welche sie dem Herrn gemacht hatte, in möglichster Vollkommenheit zu erfüllen. Mit ungewöhnlicher Strenge vollzog sie das der hl. Armuth; in Uebung des Gehorsams leistete sie Wunderbares; ihre ausnehmende Reinigkeit bezeugte ein ihren Ordensgenossinnen wohl bekannter, von ihr ausströmender Wohlgeruch. Dennoch fehlte ihr die Zeit der Versuchungen und Leiden nicht. Sechs Jahre lang gefiel es dem Herrn, ihre Standhaftigkeit zu prüfen, so daß er ihr allen innern Trost, alles himmlische Licht entzog und sie den vielfachen Anfechtungen, womit der Teufel sie plagte, überließ. Aber nach bestandener Prüfung war sie auch so sehr in Gott gefestiget, daß schon die Erinnerung an göttliche Dinge, das Aussprechen des göttlichen Namens genügte, sie in Ekstase zu versetzen. Oefter zur Vorsteherin gewählt, was sie jedesmal nach Kräften zu verhindern suchte, war sie ihren Mitschwestern eine unermüdliche Meisterin und Führerin auf dem Wege klösterlicher Vollkommenheit. Es erglänzte an ihr eine ungemeine Demuth, eine alles überragende Liebe zu Gott, ein nie unterbrochener Gebetseifer, die genaueste Beobachtung auch der geringsten Vorschriften, ein ungewöhnliches Verlangen zu Selbstpeinigungen, so daß sie in wunderbarer Lebensunschuld und außerordentlicher Bußstrenge das weibliche Abbild des von mütterlicher Seite nahe verwandten hl. Aloysius Gonzaga zu seyn schien. Es gelang ihr im J. 1702 auf Monte Calerio ein neues Ordenshaus zu gründen. Für die Bekehrung der Sünder und für die Erlösung der armen Seelen pflegte sie besonders heiße Gebete und schwere Bußwerke sich aufzuerlegen. Die seligste Jungfrau Maria und den hl. Pflegevater ehrte sie mit solchem Vertrauen, daß sie für ihre Vaterstadt durch ihre Fürbitte die Befreiung von Feindesgefahr erlangte. Der liebe Gott begnadigte sie mit der Gabe der Prophetie, der Unterscheidung der Geister, der Erkenntniß der Herzen und der Wunder. So starb sie in Gott selig, nachdem sie in ihrer letzten schweren Krankheit nochmal Proben himmlischer Geduld abgelegt, am 16. Dec. 1717. Da sich auf ihre Fürbitte vielerlei Wunder zutrugen, hat Papst Pius IX. sie selig gesprochen und am 19. April 1866 dem Carmelitenorden ein eigenes Officium mit Messe für den 19. December gestattet. (Propr. O. Carm.)


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 4. Augsburg 1875, S. 182.
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