Paulus, S. (1)

[717] 1S. Paulus, Erem. Conf. (10. al. 15. Jan.). Dieser hl. Paulus ist der eigentliche Vater und Stifter des Einsiedlerlebens. Wie nämlich der heil. Hieronymus bemerkt, war Elias11 viel mehr Prophet als Einsiedler, und dasselbe gilt in noch höherem Grade von Johannes39 dem Täufer, der schon im Mutterleib zu weissagen anfing. Antonius3 hat dieses vom hl. Paulus begonnene Leben noch weiter ausgebildet und in's Licht gesetzt.15 Zur Zeit als um d. Jahr 250 unter Decius und Valerianus auch die afrikanischen Kirchen durch die Verfolgung heimgesucht wurden, während die Grausamkeit der Verfolger zunächst nicht den Tod, sondern den Abfall der Christen beabsichtigte, glaubten Viele, den fortgesetzten Peinigungen gegenüber nicht bestehen zu können und zogen daher die Flucht in die Wüste, die Wohnungen in Bergklüften und das Beisammenseyn mit wilden Thieren den schweren Folterqualen und der Glaubensverleugnung vor. In dieser Lage fühlte sich damals auch der heil. Paulus, ein fünfzehnjähriger reicher Jüngling aus Theben in Oberägypten, dessen Eltern damals bereits [717] gestorben waren. Den Tod für Christus hätte auch er gern ertragen, denn von Kindheit an hatte sein Herz an Ihm gehangen, aber langwierigen und schweren Leiden, die den Abfall herbeiführen konnten, wollte er sich nicht aussetzen. Er war gut erzogen und in der griechischen und lateinischen Literatur wohl zu Hause, und dabei äußerst gottesfürchtig und von sanfter Gemüthsart. Zuerst flüchtete er sich bei ausbrechender Verfolgung in eine etwas entlegene Villa, wo er bis in sein zweiundzwanzigstes Jahr verborgen lebte, aber der eigene Schwager, welchen nach reicherem Erbgute gelüstete, schämte sich nicht, ihn zu verrathen. Der hl. Paulus begab sich noch zu rechter Zeit in die eigentliche Wüste, um das Ende der Verfolgung abzuwarten, erkannte aber bald, daß es der Wille Gottes sey, daß er in der Einöde Ihm beständig diene und ging immer tiefer und tiefer in's Gebirge, bis er einen Felsen antraf, der ihm zur Wohnung geeignet schien, da er eine tiefe Höhlung zeigte. Ein Stein schloß dieselbe nach Art einer Thüre und im Innern wurzelte eine hohe Palme, deren Blätter die Oeffnung bedeckte, welche die Höhle oben nach dem freien Himmel hatte, während nicht weit von ihrem Fuß eine Quelle frischen Wassers sprudelte. Man sah deutlich, daß hier schon einmal menschliche Wohnungen bestanden hatten, und glaubte aus mancherlei Spuren schließen zu können, daß dieselbe unter der Königin Cleopatra von einer Falschmünzerbande bewohnt gewesen war. Er fand nämlich verrostete Ambosse, Hämmer und anderes Geräthe, das ihm nützlich werden konnte. Hier also schlug Paulus seinen Wohnsitz auf, Speise und Kleidung reichte ihm die Palme. Er blieb neunzig Jahre an diesem Orte, und erreichte ein Lebensalter von hundertdreizehn Jahren. In dieser langen Zeit sah er kein menschliches Angesicht. Niemand wußte um ihn. Bis zum dreiundvierzigsten Jahre lebte er nur von der Frucht der Palme, später brachte ein Rabe ihm täglich auch ein halbes Brod. Erst kurz vor seinem Tode traf ihn hier nach längerem Suchen der heil. Antonius3, und die Legende erzählt, daß bei diesem Besuche der Rabe ihm statt des halben ein ganzes Brod gebracht habe, damit auch der Gast sich sättigen könne. Nachdem sie mit einander gespeist und die folgende Nacht hindurch gebetet hatten, kündigte der hl. Paulus dem Gast seinen nahen Tod an und bat ihn, den Mantel des heil. Athasnasius8 zu holen, um seine Leiche in dems selben zu bestatten. Der hl. Antonius eilte in sein Kloster zurück. Dort angekommen sagte er: »Wehe mir, elenden Sünder, der ich so wenig verdiene, Einsiedler zu heißen. – ich habe Elias, Johannes, Paulus gesehen!« Er war noch auf dem Wege, als ihm das Hinscheiden des heil. Paulus geoffenbart wurde. Er sah die Seele des Dieners Gottes, umgeben von Engeln, Propheten und Aposteln in den Himmel emporschweben. Bei der Höhle angelangt, fand er seinen Leichnam in knieender Stellung, mit emporgehobenem Haupte und in die Höhe gerichteten Händen, so daß er einen Augenblick glaubte, der hl. Einsiedler lebe noch. Nachdem er aber von seinem Hinscheiden sich überzeugt hatte, hüllte er die Leiche, nachdem er sie ehrerbietig geküßt, in den Mantel des hl. Athanasius und bestattete sie unter Gebet und Psalmengesang. Zwei Löwen dienten als Todtengräber, da keine Werkzeuge und Grabschaufeln vorhanden waren. Nachdem er noch die Löwen gesegnet hatte, nahm der hl. Antonius das Palmenkleid des hl. Paulus als Erbstück mit sich, und trug es an den Festen Ostern und Pfingsten mit besonderer Verehrung. Dasselbe wird jetzt in der St. Antonius kirche auf dem Exquilinischen Hügel zu Rom verehrt (Piazza, I. 66). Der Heilige selbst hat in der Straße Quadresontane eine kleine Kirche, die früher von Eremiten seines Namens bedient wurde. Eine Palme und zwei Löwen befinden sich über dem Portal. Die Reliquien des hl. Paulus kamen im 12. Jahrhundert nach Constantinopel und von da im Jahre 1240 nach Venedig. Unter Ludwig I., König von Ungarn, wurden sie nach Ofen übertragen. Theile seiner Hirnschale und seines Hauptes finden sich auch zu Rom bei St. Peter auf dem Vatikan und St. Maria auf dem Capitol. Seine Zelle wurde eine Wallfahrtsstätte, die man besuchte, um durch die Betrachtung so großer Entsagung den sinnlichen Neigungen mit ihren großen Lockungen sicherer und leichter widerstehen zu können. Sein Leben ist vom hl. Hieronymus beschrieben wor den, dessen Schilderung wir hier benützt haben. Auch der hl. Athanasius hat in seinem Leben des heil. Antonius Einzelnes vom heil. Paulus mitgetheilt. Durch Gottes Gnade wurde aus dem furchtsamen Jüngling, der das Martyrium demüthig geflohen, ein[718] Held der höchsten, freiwilligen Entsagung. Auf Abbildungen sieht man den Heiligen in Palmenblätter gekleidet, neben ihm einen Raben, welcher ihm Brod bringt. Ebenso gehören die Palme und zwei Löwen zu seinen Attributen. Der Eingang und das Graduale der hl. Messe an seinem Festtage, »der Gerechte wird blühen wie die Palme« ist gewiß nicht ohne Rücksicht auf die Palme gewählt, die den Heiligen in seinem Büßerleben beschattete und ernährte. (I. 602–609.)


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 4. Augsburg 1875, S. 717-719.
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