Paulus, S. (106)

[743] 106S. Paulus Erem. Abb. (15. al. 21. Dec.). Dieser hl. Einsiedler erleuchtete um die Mitte des zehnten Jahrh. die Welt durch seine Gottesfurcht und aufopfernde Nächstenliebe. Obwohl er die tiefste Einsamkeit und Verborgenheit suchte, wurde er allemal wieder aufgesucht und entdeckt. Der Sohn eines Hauptmanns, Namens Antiochus, welcher im Kampfe mit den Saracenen gefallen war, wählte er mit der Gutheißung seiner Mutter Eudoxia auf Zureden seines ältern Bruders Basilius schon in früher Jugend die Klosterzelle, die er später mit Höhlen und Bergklüften vertauschte, zum Aufenthalt. Sein Geburtsort war Eläa, das nicht weit von Pergamus (jetzt Bergma) in Mysien gelegen war. Anfänglich scheint der hl. Paulus, wie sein Bruder, in der Laura des heil. Elias gelebt zu haben, dann aber ging er ins Gebirge, in der Gegend von Latros ins Kloster Corya. Nach dem Tode des dortigen Abtes Petrus bezog er, was er längst gewünscht hatte, die Einöde. Ohne daß er es gewollt hätte, wurde er Vorsteher einer sogenannten Laura, d.h. einer Anzahl anderer Einsiedler, die sich unter seiner Leitung in Gemeinsamkeit den geistlichen Uebungen unterzogen. Sein strenges Büßerleben war nämlich, obwohl er es sorgfältig den Augen der Menschen entzog, allmählich bekannt geworden. Leibliche Bedürfnisse schien er nicht zu kennen, so wenig kümmerte er sich um sie. Fest überzeugt, daß Gott keinen verlasse, der auf Ihn seine Hoffnung setzt und um seinetwillen die Armuth sucht, liebte er die sterilsten Orte am meisten, wobei es freilich öfter geschah, daß er mehrere Tage nichts zu essen hatte. Zwölf Jahre lang wohnte er in einer Höhle, in welche man nur mit Hilfe einer Leiter gelangen konnte. Als einmal die Brüder, die ihm Nahrungsmittel brachten, [743] zu lange ausblieben, trank er das Oel und Wasser in seiner Lampe, um nicht zu verschmachten. Daneben zähmte er auch den Schlaf, indem er sich alle Bequemlichkeit entzog und an die Wand oder einen Baumstamm gelehnt, auf kurze Zeit der Ruhe genoß. Ebenso rühmten seine Schüler ihm nach, daß er nie ein unnützes Wort gesprochen habe. Als Abt und geistlicher Vater seiner Untergebenen war er sehr besorgt für deren Bedürfnisse. Leibliche Noth oder Hunger sollte keinen Vorwand abgeben, von der Regel abzuweichen. Doch hatte er nur ungern die Leitung Anderer übernommen und die Sehnsucht nach der Einsamkeit wurde so groß, daß er heimlich nach der Insel Samos übersetzte und dort in einer Höhle des Berges Cerce seine Wohnung nahm. Auch hier fand er nicht was er suchte, denn in kurzer Zeit waren drei Lauren, welche die Sarazenen zerstört hatten, wieder hergestellt und mit Einsiedlern bevölkert. Zudem erschien nach einiger Zeit ein Bote mit einem Brief der Brüder zu Latros, die ihn dringend baten, wieder zu ihnen zurückzukehren. Es war ihm unmöglich, diesen Bitten zu widerstehen. Nun beschloß er, bis zu seinem Hinscheiden in Latros zu verbleiben und dictirte bald darauf eine Regel für seine Einsiedler. Der Ruf seiner Heiligkeit drang immer weiter, besonders nachdem er dem Kaiser Constantin Porphyrogenitus den Mißerfolg seiner Unternehmungen gegen die Sarazenen vorausgesagt hatte. Sein übriges Leben verfloß unter beständigen Liebeswerken und Bußübungen. Einmal wollte er sogar sich in Sklavendienste verkaufen, da er nichts mehr hatte, um zu trösten und zu helfen. Sein seliger Tod erfolgte am 15. Dec. d.J. 956. Er wird von den Griechen auch am 21. d. M. verehrt.


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Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 4. Augsburg 1875, S. 743-744.
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