Sisoës, S.

[336] S. Sisoës, Abb. (6. al. 4. Juli). Dieser hl. Bekenner und Anachoret auf dem Berge des hl. Antonius in der Thebais (eine Tagreise vom rothen Meere entlegen), liebte von Kindheit auf seinen Heiland und suchte ihm auf dem Kreuzwege nachzufolgen. Dennoch gestand er eines Tages: »Seit dreißig Jahren bete ich: Herr Jesu, bewahre mich vor meiner Zunge, und doch falle ich täglich durch dieselbe und sündige.« Einmal kam ein Mann zu ihm, der ihm den Wunsch zu erkennen gab, Einsiedler zu werden. Der Abt fragte, ob er keine Angehörigen in der Welt habe. Als er sagte: »Ja, einen Sohn!« befahl ihm der Abt: »Wirf ihn ins Wasser und komme wieder!« Der Mann ging fort und war eben daran, dem Befehle nachzukommen, als ein Bruder mit Gegenbefehl eintraf, und dem Manne wegen seines Gehorsames die Erfüllung seines Wunsches ankündigte. Ein anderes Mal gab er einem Bruder, welcher erzählte, daß seine Gedanken stets bei Gott seien, zur Antwort: »Das ist nicht viel; viel ist aber, sich für niedriger als jedes andere Geschöpf zu halten.« Einst kamen drei Greise zu ihm; der Erste fragte: »Vater, wie kann ich dem feurigen Strome entgehen?« Der Abt gab ihm keine Antwort. Nun fragte der Andere: »Wie kann ich dem Knirschen der Zähne und dem Wurme, welcher nicht stirbt, entkommen?« Es erfolgte wieder keine Antwort. Da sagte der Dritte: »Vater, mich peiniget der Gedanke an die äußerste Finsterniß!« Jetzt sagte der Abt: »Ich vertraue auf die göttliche Barmherzigkeit.« Als er aber sah, daß die Fragenden trauernd weggingen, sprach er zu ihnen: »Ich beneide euch um euer Glück; der Eine sprach vom feurigen Flusse, der Andere von der Hölle, der Dritte von der ewigen Finsterniß; wenn ihr daran beständig denkt, werdet ihr niemals sündigen!« Eine seiner Lehren hieß: »Wenn dir Schlimmes begegnet, so denke, es sei Gottes Strafe für deine Sünden; begegnet dir aber Gutes, so schreibe es der göttlichen Güte zu.« Wenn man sich bei ihm wegen innerlicher Beängstigungen beklagte, gab er zur Antwort: »Sei demüthig; wirf den eigenen Willen von dir; befreie dich von äußern Sorgen, und du wirst ruhig sein!« Als er starb, glänzte sein Angesicht vor Freude; es kamen, wie er selbst gestand, die himmlischen Heerschaaren und der Heiland selbst, um seine Seele in den Himmel zu führen. Nach seinem Hinscheiden war die Zelle von dem süßesten Wohlgeruche erfüllt. Er hatte zuerst in der Wüste Scete gelebt; auf dem Antoniusberge brachte er einschlüssig seines Aufenthalts in Clysma am rothen Meere, weitere 72 Jahre zu, und erreichte demnach ein Alter von 100 Jahren und darüber. Sein Todesjahr mag das J. 429 gewesen sein. Abbildungen zeigen ihn mit Axt und Baumstämmen neben sich, wie er die Einöde urbar macht.


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 5. Augsburg 1882, S. 336.
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