Tarasius, S. (1)

[426] 1S. Tarasius, Patr. Conf. (26. Febr. al. 9. März u. 7. Juni). Dieser heil. Patriarch stand seinem Amte vom J. 784, in welchem er am 25. Dec. geweiht wurde, bis zum J. 806 mit Weisheit und Aufopferung vor. Es war die Zeit des Bilderstreites, welcher alle Kirchen des Morgenlandes erregte. Als der hl. Tarasius den Patriachenstuhl bestieg, war seit dem ersten Verbote der Bilderverehrung durch Leo III., den Isaurier, bereits über ein halbes Jahrhundert verflossen. Alles sehnte sich nach Wiederherstellung des kirchlichen Friedens; er sollte durch die Kirchenversammlung von Nicäa, die siebente allgemeine, der christlichen Welt wieder gegeben werden. Der hl. Tarasius half dazu getreulich mit, ja er setzte die Berufung des Concils geradezu als Bedingung seiner Annahme der Patriarchenwürde. Er stammte aus einer Patricier-Familie zu Constantinopel. Sein Vater Georgius begleitete ein höheres Gerichtsamt, die Mutter Enkratia, eine kluge und christliche Frau, widmete ihre ganze Kraft der Erziehung dieses ihres, wie es scheint, einzigen Sohnes. Er entsprach vollkommen ihren Absichten. Um das J. 784 war er Secretär der Kaiserin und wie diese rechtgläubig und eifriger Bilderverehrer, dabei gelehrt und muthig. Der Patriarch Paulus, welcher um eben diese Zeit seine Würde niederlegte, wies auf ihn als den Würdigsten und empfahl ihn als Nachfolger. Da seine erste Anrede an das Volk, in welcher er dasselbe zur einmüthigen Annahme der Beschlüsse der ersten sechs allgemeinen Concilien ermahnte (er meinte das erste von Nicäa, das erste von Constantinopel, die Concilien von Ephesus und Chalcedon, dann das zweite und dritte von Constantinopel), indem der Gehorsam gegen dieselben den ewigen Lohn mit sich bringe, günstiges Gehör fand, ließ er sich weihen. Alsbald fing er an, auch durch das Beispiel seiner Tugenden die ihm anvertraute Heerde zu weiden. Mit innerer und äußerer Abtödtung verband er eifriges und anhaltendes Gebet, so daß er in beständigem und innigem Verkehr mit Gott zu stehen schien. Was er selbst übte, verlangte er zunächst auch von der ihm untergeordneten Geistlichkeit. Er verbot alle auffällige Kleidung und allen eitlen Aufwand. Die zwei Schwestertugenden, [426] wie er Mäßigkeit und Keuschheit zu nennen pflegte, hörte er nicht auf zu empfehlen und einzuschärfen. Der Armenpflege wendete er nicht bloß alle Sorgfalt zu, sondern er spendete Almosen an Geld, Kleidern und Speisen mit eigener Hand, und diente den Armen selbst bei Tische. Die von ihm zur Herstellung des kirchlichen Friedens gewünschte allgemeine Synode wurde auf den 1. August d. J. 786 nach Constantinopel berufen. Auch der Papst Hadrian I. sendete zwei Abgeordnete dahin ab, mit dem Wunsche, daß zunächst die gegen die Bilderverehrung erschienenen Berbote anathematisirt werden sollten. Schon waren die Väter in der Apostelkirche versammelt, als ein Haufen Soldaten, Anhänger des Bilderfeindes Constantin Kopronymus, lärmend in die Versammlung drang und Alle mit dem Tode bedrohte, welche die Wiederherstellung der Bilderverehrung versuchen würden. Die Kaiserin Irene war nicht im Stande, die Anhänger des hl. Patriarchen und ihn selbst zu schützen, weßhalb sie ihm den Befehl zugehen ließ, die Sitzungen für geschlossen zu erklären. Der hl. Tarasius feierte noch die hl. Geheimnisse und ging dann nach Hause. Sogleich begann er eine Denkschrift auszuarbeiten, in welcher er die Erlaubtheit und Verdienstlichkeit der Bilderverehrung aus den Aussprüchen der heiligen Väter und die Nothwendigkeit einer Synode nachwies, damit die ketzerische Bosheit nicht noch weiter greife. Unterdessen wurde die bilderfeindliche und treulose Leibwache, welche den Aufstand erregt hatte, aufgelöst, und die Synode am 24. Sept. neuerdings, dießmal aber in Nicäa, eröffnet. Hier wurden die Urheber und Begünstiger, der Bilderzerstörung mit dem Banne belegt, und die rechtgläubige Lehre und Uebung neuerdings festgestellt, worauf die Väter, nachdem sie sieben Sitzungen gehalten hatten, eine Gesandtschaft nach Constantinopel schickten, um dem kaiserlichen Hofe die gefaßten Beschlüsse feierlich zu überbringen. Nachdem dieß geschehen war, erfolgte eben so feierlich die kaiserliche Bestätigung und Billigung der Synode durch Siegel und Unterschrift. Nun beeiferte sich der hl. Tarasius, die Bischöfe, den Klerus und das Volk zu einträchtigem Festhalten an dem wahren Glauben zu ermahnen, übte aber Schonung und Milde gegen die früheren Bilderfeinde, wenn sie nur jetzt ihre Irrthümer widerriefen, und beschenkte sogar die Reuigen mit den Opfergaben der Kirche. Besonders fuhr er fort, die Einheit mit dem apostolischen Stuhle zu Rom, welche er schon bei dem Antritte seines Amtes kräftig befürwortet hatte, zu erhalten und zu kräftigen. »Denn,« so schrieb er an den Papst Hadrian I., »Eure brüderliche und mit dem höchsten Priesterthume geschmückte Heiligkeit hat mit Recht und nach dem Willen Gottes in der hierarchischen Ordnung die weitverbreiteste Berühmtheit.« (Der weitere Inhalt des Briefes, welcher wahrscheinlich im J. 787 geschrieben wurde, wendet sich sodann gegen die Ordinationen um Geld, welche zu jener Zeit schon sehr überhand genommen hatten.) Oft bestieg er die Kanzel, um den Seelen die Nahrung des göttlichen Wortes zu spenden. Die Erklärung einzelner Psalmen, welche er herausgab, hatte den Zweck, diese heiligen Gesänge dem Kirchengebrauche zugänglicher zu machen. Das Asylrecht der Kirche, welches damals überall bestand, hielt der heilige Mann in einem bestimmten Falle so sehr aufrecht, daß er dem Betroffenen nicht bloß selbst Speise brachte, sondern ihn auch in eigener Person zur Befriedigung seiner natürlichen Bedürfnisse hin- und zurückführte. Als sein Schützling bei einer solchen Gelegenheit dennoch ergriffen wurde, drohte er mit der Excommunication, wenn es Jemand wagen würde, dem zur Kirche Geflüchteten irgend einen Schaden zu thun. Die Richter ließen sich zwar hiedurch von der Fortführung der Untersuchung nicht abhalten, beendeten aber den Zwischenfall durch Freisprechung des Beschuldigten. Uebrigens wurde er zu gerichtlichen Entscheidungen oft beigezogen, denn man kannte eben so gut seine juristischen Kenntnisse als seine strenge Unparteilichkeit. Dieß erfuhr selbst der junge Kaiser Constantinus, welcher seine Mitwirkung zur Vertreibung seiner rechtmäßigen Ehefrau Maria, einer Armenierin, die er eines Vergiftungsversuches an ihm beschuldigte, und zur Wiederverehelichung mit einer Kammerfrau, Namens Theodote, in Anspruch nahm, dafür aber mit der Excommunication bedroht wurde: »Wir werden in diesem Falle nicht mehr gestatten, daß Eure Majestät innerhalb die Gitter des unblutigen Tisches, auf welchem das [427] erhabene Opfer Christi gefeiert wird, fernerhin noch eintreten.« Die kaiserliche Ungnade und die hieraus entstehenden Vexationen ließ er sich mit aller Geduld gefallen. Nur als der Kaiser merken ließ, daß er den Bildersturm neu anfachen und die kaum geschlossene kirchliche Einheit wieder zerstören würde, wenn der Patriarch seine Drohung in Erfüllung brächte, ließ er sich aus Liebe zu seiner Heerde, und aus Sorge vor neuen und noch größern Aergernissen, zu einer zuwartenden Stellung bewegen. Dafür wurde er von strenger Gesinnten übel mitgenommen und als Ketzer gebrandmarkt. Auch diese Unbill ertrug er mit heroischer Standhaftigkeit. In dieser Weise wirkte er fort bis in sein spätes Alter und starb am 18. oder 25. Febr. d. J. 806. Sein Leichnam wurde in dem von ihm zu Ehren aller heiligen Martyrer erbauten Kloster des byzantinischen Bosporus feierlich beigesetzt. Er wird als Bischof, Heiligenbilder tragend, dargestellt. (III. 572–590 und 757.)


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 5. Augsburg 1882, S. 426-428.
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