Theodoricus, S.S. (2)

[460] 2S. S. Theodoricus et Soc. M. M. (2. Febr.5. Wahrheit und Dichtung finden sich über diese heil. Blutzeugen in den nebenbei noch sehr dürftigen Nachrichten so untereinander vermengt, daß es schwer ist, über dieselben die volle Wahrheit festzustellen. Wir wollen ihre Geschichte damit beginnen, daß wir zunächst die Frage beantworten, wer zu den hl. Martyrern von Eppesdorf, zu zählen sei. Gewöhnlich werden als solche 7 Bischöfe, 3 Herzöge und 15 Grafen aufgeführt. So nennt Schaten in seinen »Anales Paderburnenses« folgende Bischöfe: Dietrich (Theodoricus) von Minden, Dudo von Paderborn, Drogo (Andere Gosbert) von Osnabrück, Dodo von Münster, Auffried von Utrecht, Rembert von Bremen und Erlulf von Verden. Dieselben Namen hat auch Pistorius in seinem »Chronicon Mindense« bei Leibniz mit Ausnahme von Dodo und Rembert; für letztern nennt er Albert von Bremen. Ihnen folgt auch Ferrarius in seinem allgemeinen Heiligen-Verzeichnisse. Kranzius in seiner »Metropolis« fügt auch Marquard von Hildesheim hinzu und nennt Gosbert als Bischof von Osnabrück. Das »Chronicon Verdense« bei Leibniz endlich hat dieselben Namen wie Schaten. (Beide folgten wohl den Boll.) Es sind also die älteren Schriftsteller rn Angabe der Bischöfe in Bezug auf ihren Sitz ziemlich einig und weichen nur in Angabe der Namen derselben unbedeutend von einander ab. Jedoch beruht die allgemeine Ueberlieferung (von welcher bereits die Bollandisten abweichen zu müssen glaubten). daß die sieben Bischöfe von Bremen, Verden, Utrecht, Münnster, Osnabrück, Paderborn und Minden die Martyrerpalme um 880 zu Ebstorf errungen haben, auf einem Irrthum. Wie feststeht, gebührt diese Ehre nur Theodorich von Minden allein [460] dem noch der schon genannte Bischof Marquard von Hildesheim als Genosse beizuzählen ist. Erlulf von Verden und Gosbert von Osnabrück sind bereits vor dem Jahre 880 verstorben, doch werden auch sie als Martyrer bezeichnet, welche von den heidnischen Normannen ermordet sind Wenn wir bedenken, daß die Normannen seit Karl den Großen eine beständige Plage der christlichen Sachsen waren, so erscheint die Angabe, daß Erlulf und Gosbert (Gaudbertus) von ihnen gemartert seien, durchaus nicht unglaubwürdig In Betreff des Erstern sind die Acta Sanctorum der Ansicht, daß er wirklich zu Ebstorf gemartert und deßhalb mit den spätern sogenannten Ebbesdorfern Martyrern confundirt sei. Von Gosbert berichten andere Quellen, daß er in Dänemark gemartert sei, und deßhalb machen die Boll., um beide Nachrichten mit einander zu vereinigen, die etwas gewagte Conjectur, er sei von den Normannen bei Ebstorf gefangen genommen, nach Dänemark geschleppt und daselbst getödtet worden. Die Uebertragung seiner Reliquien nach Ebstorf hätte alsdann für die Folgezeit den Glauben befestigt, daß er mit zu den Edbesdorser Martyrern gehöre. Wir wollen die Richtigkeit dieser Hypothese dahin gestellt sein lassen; sicher ist nur, daß Gosbert ebenso wie Erlulf vor dem Jahre 880 aus dieser Welt geschieden sind, und darum unsern hl. Martyrern von Ebstorf nicht beigezählt werden können. Rembert1 von Bremen überlebte noch das Jahr 880 um 8 Jahre und starb eines natürlichen Todes. Dudo von Paderborn (st. 955), Dodo von Münster (st. 993) u. Aufried von Utrecht (st. 1008)6 waren nicht einmal Zeitgenossen der Schlacht bei Ebstorf. Daß letztere irriger Weise mit aufgezählt werden, kann daher vielleicht in der Aehnlichkeit der Namen, welche Adelige aus dem Gefolge des Herzogs Bruno führten, seine Erklärung finden. Können somit jene sechs Bischöfe keine Genossen des heil. Theodorich sein, so muß ihm, wie schon bemerkt, aber als Martyrer von Ebstorf der Bischof Marquard von Hildesheim beigezählt werden. Daß dieser mit bei Ebstorf am 2. Febr. 880 im Kampfe für den hl. Glauben fiel, bestätigen uns die »Annales Fuldenses«. der sehr glaubwürdige, nicht viel spätere Hildesheimische Chronist, und der Annaliste Saxo, sowie auch die spätern Gewährsmänner: Ditmar von Merseburg in seinem »Chronicon Merseburgense« bei Leibniz, Helmbold in seinem »Chronicon Slavorum« bei Leibniz, Ericus-Pomeranus in seiner »historia gentis Danorum« und Adam von Bremen. Die spätere Zeit hat dann sogar noch die Sage hinzugefügt, daß Benedict V. mit vielen Cardinälen, Bischöfen und Priestern den Sachsen zur Hilfe gekommen und mit bei Ebstorf gefallen sei. Ihre historische Unterlage findet diese Legende einerseits in der Verbannung, in welcher Benedict 995 zu Hamburg starb, sowie anderseits darin, daß er wegen seiner vielen Leiden und Bedrängnisse Martyrer genannt und beinahe als solcher geehrt wurde. Zu der Schaar der hl. Martyrer von Ebstorf gehören außer Theodorich und Marquard noch Herzog Bruno2 und eine Menge Edler und Soldaten. Fügen wir nun noch einige Bemerkungen über die Einzelnen bei: 1) Theodorich oder Dietrich7 von Minden war der dritte Bischof von Minden und folgte dem Bischof Haduard wahrscheinlich um das J. 853. Bekannt ist Dietrich als Gründer des Klosters Wunstorf, einige Stunden von Hannover gelegen. In dieser Gegend sollen schon um 800 sich Anachoreten ausgehalten haben, welche dieselbe urbar machten. Das freundliche Aussehen dieses Ortes, welcher mitten zwischen öden Haidestrecken und Morästen lag, soll dem Kloster und der später dabei entstandenen Stadt den Namen gegeben haben. Denn Wunstorf will man allgemein als aus Wonnedorf (villa amoenitatis) entstanden erklären. Dietrich erbaute hier also den ältern Nachrichten zufolge ein Doppelkloster und weihte es zu Ehren der hhl. Cosmas und Damian.8 [461] Ob Dietrichs Leichnam hieher übertragen ist, wie einige wollen, ist zweifelhaft. 2) Marquard, Maruart, war der Nachfolger des hl. Altfried9 auf dem bischöflichen Stuhle von Hildesheim und soll wie dieser vorher Mönch zu Corbey an der Weser gewesen sein. Er reichte der sterbenden Hathumoda (siehe diese) die Trostmittel der Religion, förderte den Bau der Gandersheimischen Kirche bis zum Dachstuhl und verwaltete sein hohes Amt mit großem Eifer. Daß er durch seine Nachlässigkeit Essen und Seligenstadt, welche seine Vorgänger gestiftet, der hildesheimischen Kirche verloren habe, ist ein Vorwurf, der ihm mit Unrecht gemacht wird. (Abt zu Essen und Seligenstadt, wie H.-L. IV. 257 angibt, ist Marquard nicht gewesen. 3) Bruno war ein Sohn des Herzogs Ludolf und seiner Gemahlin Oda, der Gründer von Gandersheim, und folgte seinem Vater in der herzoglichen Würde über Sachsen. Es wird allgemein angenommen, daß er Braunschweig, welches nach ihm den Namen (Brunonis vicus, Brunsvic, Braunschweig) trägt, gegründet habe. Weiteres ist nicht von ihm bekannt. 4) Die übrigen Genossen sind nur dem Namen nach bekannt. Es werden noch als Martyrer von Ebstorf genannt: zwölf Grafen, nämlichWigmann, drei mit dem Namen Bardo, zwei Thioterich, Gerrich, Liutolph, Folcwart (Fulewart), Avan, Liuthar, dann folgende königliche Beamte: Aderam, Alfuin, Addasta, zwei Aida, Dudo, Bodo, Wal, Halilf, Humildiun, Adalwin, Werinhart, Thiotrich, Hilwart u. v. a. Ungenannte. Es bleibt noch übrig, kurz die Art ihres Martyriums und ihre Verehrung darzustellen. Die Normannen, welche an der Schelde wohnten, fielen im Winter d. J. 880 in Sachsen ein, plünderten und mißhandelten die Christen. Herzog Bruno von Sachsen sammelte schnell ein Heer, die Bischöfe Dietrich und Marquard stießen mit ihren Schaaren zu ihm, und die vereinigten Streitmächte zogen den Normannen entgegen. In der Lüneburger Haide unterhalb Hamburg kam es am 2. Februar zum Kampfe; das Heer der Christen hatte in dem von Morästen und Sümpfen gefüllten Lande einen schlechten Stand und wurde überwunden. Ein Theil desselben kam in den Sümpfen um, ein anderer wurde von den Normannen erschlagen, unter ihnen auch Bruno, Marquard, Dietrich, viele Grafen und königliche Vasallen. Selbst an den Leibern der Erschlagenen übten die Heiden ihre Wuth aus; sie schlugen ihnen die Köpfe ab, welche sie als Kriegstrophäen auf ihre Lanzen steckten. Die im Kampfe Gefallenen wurden auf dem Wahlplatze beerdigt und weil sie für den Glauben gefallen, als Martyrer ver ehrt; der 2., Februar selbst wurde noch lange als Trauertag gefeiert. Der Leib des hl. Dietrich soll nach Wunstorf in seine Stiftung übertragen sein, was jedoch nicht sicher feststeht; die Hildesheimer, welche ebenfalls ihren Bischof nach seiner Kathedrale übertragen wollten, konnten denselben nur an der Kleidung erkennen und man ließ deßhalb den bis zur Unkenntlichkeit entstellten Leichnam an der Wahlstatt. Die alten Nachrichten geben die Wahlstatt nicht näher an, spätere verlegen sie nach Ebbeckensdorp, Ebbesdorf, dem jetzigen Ebstorf, zwischen Lüneburg und Celle gelegen.10 Ob schon zur Zeit des Kampfes in Ebstorf ein Kloster bestand oder ob dasselbe erst in Folge des Martyriums zu Ehren desselben erbaut sei, läßt sich nicht feststellen. Jedenfalls hat dasselbe Anspruch auf hohes Alter und [462] dürfte nicht viel jüngern Datums als die Schlacht sein. Sicher ist auch, daß im Kloster daselbst die Reliquien der heiligen Blutzeugen ruheten, diese daselbst sich einer besondern Verehrung erfreuten und Ebstorf allgemein durch die spätere Tradition als Ort des Martyriums bezeichnet ist. Nach einer spätern sagenhaften Erzählung war damals in Ebstorf noch kein Kloster, die Leichen der Gefallenen wurden am Wahlplatze beerdigt und geriethen in Vergessenheit, bis Gott sie auf wunderbare Weise entdeckte. Fromme Frauen, welche später am 2. Februar zufällig über die Gräber kamen, vermochten nicht weiter zu gehen; sie untersuchten den Boden und entdeckten unter dem Rasen die heil. Gebeine. Ein Bürger aus Stadorp, welcher alle Morgen zum Gotteshause zu gehen gewohnt war, sah an einem Wintermorgen, als alles ringum dunkel war, auf seinem Kirchengange die Gegend im hellsten Lichte erglänzen, wodurch man ein zweites Grab heil. Gebeine entdeckte. Ein Haus, welches später zufällig an der Stelle eines dritten Grabes erbaut war, wurde vom Blitze gezündet und immer wieder eingeäschert, so oft man es wieder erbaut hatte, bis man endlich, aufmerksam gemacht, auch hier Reliquien entdeckte. Ein großes Kloster nebst Kirche erhob sich nun an dem so entdeckten Schlachtplatze, die Reliquien wurden in die Kirche übertragen und die heil. Blutzeugen in Ebstorf, wie man nachher den Ort nannte, hoch verehrt. Wie weit hier Sage und wahres Wunder vermischt ist, läßt sich nicht ermitteln; aber so viel steht fest, daß die Heiligen, falls das Berichtete nur Sage ist, sich einer großen und weiten Verehrung erfreuen mußten, denn unbekannte Heilige werden wohl nie vom Volke mit einem Sagenkreise umgeben werden. Die Boll. führen nach einem Paderborner Manuscripte fünf wunderbare Heilungen und andere verschiedene Wunder an, welche auf Fürbitte der heiligen Martyrer geschahen. Aus den Reliquien der Heiligen floß öfter, besonders aber im J. 1243 jeden Tag von 10 Uhr bis Mittags ein helles Oel (ähnlich dem Walburga-Oel), welches im Feuer verbrannt einen herrlichen Wohlgeruch von sich gab. Die heiligen Martyrer behielten ihre Verehrung in Ebstorf bis zum J. 1530, wo das dortige Frauenkloster vom Herzog Ernst gewaltsamer Weise protestantisch gemacht (s. o. Anm.) und seine Güter säcularisirt wurden.


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 5. Augsburg 1882, S. 460-463.
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