Valentinus, S. (1)

[635] 1S. Valentinus. Ep. Conf. (7. al. 6. Jan., 14. Febr., 4. Aug., 29., 31. Oct.). Dieser Heilige ist Schutzpatron des Bisthums Passau. Die älteste Quelle für seine Geschichte ist das Leben des hl. Severinus von Eugippius; hierauf folgen die im Sarge des Heiligen aufgefundene, aber bezüglich ihrer Aechtheit angefochtene Bleitafel4, und der von den Boll. (Jan. I. 369–372) abgedruckte Anonymus. Sehr lehrreich ist die von uns verglichene Monographie von Roschmann: »Glaubwürdige Nachrichten über das Leben etc. des hl. Valentini, Bischofs zu Passau und beider Rhätien Apostels,« Ulm 1746. Das Passauer Proprium erzählt seine Lebensgeschichte, dem Inhalte nach in folgender Weise: Der heilige Valentinus kam vom Meeresstrande nach Batava, dem heutigen Passau. Hier wollte er dem Volke, welchem der wahre Gottesdienst Gottes unbekannt war, das Wort des Lebens verkünden, und ging deßhalb nach Rom, um sich die hiefür nöthige Vollmacht zu erholen. Nach seiner Rückkehr bemühte er sich lange Zeit und mit großer Anstrengung, dem Befehle des Papstes gemäß durch unaufhörliche Predigt des göttlichen Wortes die verirrten Seelen für Chrisius zu gewinnen, nach deren Rettung er wundersam dürstete. Als er aber sah, daß der ausgestreute Samen auf steinigen Grund fiel, reiste er nochmal nach Rom, mit der Bitte, man möge ihn an einen andern Ort senden, der fruchtbaren Boden habe. Der Papst nahm ihn gnädig auf, weihte ihn zum Bischofe, und sprach ihm Muth zu; er solle zuvor nochmalige kräftige Versuche anstellen; seien auch diese fruchtlos, so möge er sich einen [635] andern Wirkungskreis suchen. Aber die Einwohner vertrieben ihn sogleich bei seiner Zurückkunft, durch die treulosen Arianer noch mehr gegen ihn aufgebracht, aus der Stadt. Jetzt durchwanderte der hl. Bischof die beiden Rhätien (Vir Dei Rhaetias peragrans etc.). und predigte überall, wo er konnte, die frohe Botschaft des Heiles in Christus. Zuletzt begab er sich in's Gebirge, wo er starb. Sein Leib wurde im Castrum Majense in Tyrol, wo er zuletzt gebetet und gewirkt hatte, bestattet, später aber nach Passau, »gleichsam zu dem eigenen Sitze,« welchen er als Verbannter verlassen hatte, mit allen Ehren zurückgebracht. Diese Legende ist in ihren Grundzügen durch die Geschichtsforscher ächt befunden worden. Auch wenn man die Glaubwürdigkeit der im Sarge des Heiligen erst im J. 1120 aufgefundenen Bleitafel bezüglich ihres Alters beanstandet, ist die apostolische Thätigkeit des hiel. Valentinus in und um Passau und den beiden Rhätien durch Eugippius, den Lebensbeschreiber des hl. Severinus, vollkommen verbürgt. Seine Heimat ist unbekannt und die Vermuthung, er sei aus den Niederlanden nach Passau gekommen, stützt sich lediglich auf den vom Passauer Proprium der oben erwähnten Bleitafel entnommenen Ausdruck: »vom Ocean,« worunter die Nordsee verstanden werde.5 Die Blüthezeit seines Wirkens muß in die zweite Hälfte des 5. Jahrh. gesetzt werden. Der Geschichtschreiber Aventinus bemerkt, sowohl er selbst, als auch sein Schüler, der Priester Lucillus, hätten bei ihren Arbeiten nichts ohne den Rath und die Zustimmung des hl. Severinus unternommen. Sohin ist die Vermuthung gerechtfertiget, daß der hl. Valentinus mit Gutheißung des Papstes Leo I. in Rhätien dem großen Apostel des Noricum die Hand bot, indem er dessen Werk in den römischen Niederlassungen an der obern Donau fortsetzte, und beide sich gegenseitig unterstützten. Eben diese Verbindung wirst in das Dunkel, warum der Heilige gerade nach Passau gekommen sei, hinreichendes Licht. Der Herr hat in diesen trüben Zeiten, wo die arianischen Ostgothen ganz Süddeutschl and überschwemmten, die Katholiken nicht ohne Hilfe, die Ketzer nicht ohne die Möglichkeit der Bekehrung gelassen. Der hl. Valentinus wollte von Passau aus gegen Westen und Süden die Arbeiten des Apostels von Noricum im Osten fortsetzen. Zudem soll die Colonie in Passau von Bataviern gegründet worden sein, so daß er anfänglich nur die Absicht gehabt haben kann, bei seinen Landsleuten die Seelsorge auszuüben. Wenigstens haben schon Bollandus. und später Hansizius diese Vermuthung ausgesprochen. Daß der Heilige sogleich bei seinem ersten Auftreten Widerspruch und Widerstand fand, liegt in der Natur der Sache. - Die in der Colonie herrschende bestialische Sittenlosigkeit, von welcher die Bleitafel mit größter Entrüstung spricht6, stand der Verkündung des Evangeliums von Anfang an feindlich gegenüber. Daß die Arianer, wenn sich solche zu Passau befanden, den Widerstand gegen den eifrigen Misstonär eifrig schürten, unterliegt keinem Zweifel, besonders weil er vom Papste gesendet7 und zum Bischofe ordinirt war. Seine gewaltsame Vertreibung aus Passau wird von dem alten Proprium der Kirche von Chur bestätiget. Von hier aus wird er wohl auch in das zweite Rhätien (Vindelicien, er heißt Rhaetiarum Ep., also der beiden Rhätien) gekommen sein. Das Proprium von Chur läßt keinen Zweifel, daß er besonders in Graubündten thätig war. Von hier begab er sich ins heutige Tyrol, und gewann dort viele Seelen für den Herrn (multum ibi Domino populum lucratus est). Sicherlich gab es damals unter dieser Bevölkerung noch viele Heiden (vgl. den Artikel Romedius). Seine endliche Niederlassung in Mays (Castrum Majense, also nicht Matsch) bei Meran, wo er ein dem heil. Stephan geweihtes Oratorium erbaute und Schüler um sich sammelte, mit welchen er ein gemeinsames geistliches [636] Leben führte, wird von Niemanden in Zweifel gezogen. Sein seliger Tod wird bald nach dem J. 470 (nach Roschmann nicht vor dem J. 474) erfolgt sein. Bald darauf wurde sein Grab eine stark besuchte Wallfahrtsstätte, wie von Venantius Fortunatus bezeugt ist. Der hl. Bischof Corbinian erwählte sich aus Verehrung für den heiligen Mann diesen Ort zu seiner Grabstätte. Die Uebertragung des heil. Valentinus nach Trient erfolgte um das J. 739; er wurde bald hernach, nämlich im J. 769, durch den Herzog Thassilo II. nach Passau gebracht, wo er durch Wunderzeichen leuchtete. Erhebungen der heiligen Gebeine geschahen in den J. 1120, 1266 und 1634. Als am 22. April des J. 1662 der Dom in Flammen aufging, verbrannten dieselben mit; nur das heil. Haupt, welches sich damals bei den übrigen Gebeinen nicht befand, ist noch vorhanden. Seine Verehrung ist besonders in den Bisthümern Passau, (München-) Freising, Feldkirch, Chur und Brixen verbreitet. Viele Kirchen sind in diesen Bisthümern zu seiner Ehre eingeweiht. Daß er in der Reihe der Passauer Bischöfe nicht aufgeführt ist, darf nicht Wnnder nehmen; er wird jetzt manchmal so genannt, weil er zu Passau eine Zeit lang geprediget und daselbst seine Ruhestätte gefunden hat, aber in den Geschichtsquellen heißt er überall unbestimmt: »Bischof von Rhätien.« Er wird besonders gegen die Gicht und die hinfallende Krankheit angerufen. Das Kirchengebet zu seiner Ehre lautet in der Domkirche: Wir bitten dich, o Herr, sei gnädig uns, deinen Dienern, durch die glorreichen Verdienste deines seligen Bekenners und Bischofes Valentinus, der in dieser Kirche ruhet, auf daß wir durch seine fromme Fürbitte vor allen Widerwärtigkeiten beschützt werden. Sein Fest wird im ganzen Bisthume mit Octave begangen. Das alte Meßbuch enthielt einen sehr schönen Lobgesang (Sequenz) zu Ehren des Heiligen, aus welcher wir einige Verse in der Uebersetzung hier einschalten:


»Den Weinstock der Lehre, der Wunder und Heiligkeit

Denkmale besingt das Rhätierland;

O herrliche Palme, fruchtbarer Oelbaum,

O heiliges Opfer, unschuld'ges, dargebracht

Vom heiligen Geiste, dir des Martyrthums

Belohnung zu Theil wird mit der Engel Schaar

Im Lichte der Heil'gen Gottes Glanz du schaust.«


Im Proprium von Chur findet er steh zum 17. Jan., in vielen Martyrol. irrig auch zum 14. Febr. Es ist fraglich, ob das Mart. Rom. diesen heil. Bischof meint, wenn es zum 29. Oct. einen Bischof d. N. ohne Sitz mit dem hl. Maximilianus7 anführt. Seine Uebertragungsfeier wird zu Passau am 4. Aug. begangen. Hiebei wird im Officium des Tages an die gnädige Hilfe erinnert, welche der Stadt besonders zur Zeit der verheerenden Einfälle der Ungarn durch die Fürbitte ihres Schutzheiligen zu Theil wurde. Wenn er wirklich, wie Hack (Bilderkreis, S. 297) angibt, von einigen Künstlern als Bischof, Palme und Schwert haltend, dargestellt wird, so ist dieß eine Verwechslung mit dem heil. Valentinus4. Es gebühren ihm nur die bischöflichen Insignien. In der Bonifaciuskirche in München ist er dargestellt, wie er den Heiden prediget.


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 5. Augsburg 1882, S. 635-637.
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