Victor, B. (161)

[687] 161B. Victor III., Papa, Conf. (16. al. 15. Sept.). Der selige Papst Victor III., ein Sohn des Herzogs Landulf von Benevent, war daselbst im J. 1027 geboren. Von Jugend auf war er einem stillen, beschaulichen Leben zugethan, und als sein Vater von den Normannen getödtet wurde, ging er wirklich in die Einöde. Er war etwa 20 Jahre alt. Es wurden nach allen Seiten Kundschafter ausgesendet, die ihn fanden, und wieder ins Vaterhaus zurückbrachten. Seine Gesinnung blieb aber die nämliche: die ächt evangelische Entsagung, die Verdemüthigung und Verleugnung seiner selbst, der Verzicht auf alle Erdengröße und Sinnenfreude, die heilige Beschaulichkeit. Hiedurch besiegte er jetzt wie später [687] alle Hindernisse. Man gestattete ihm daher der Benedictiner, noch nicht aber die freie Wahl des Klosters, und zwang ihn, bei St. Sophia in Benevent einzutreten. Seine Wünsche waren hiedurch nicht befriediget. Er wollte dem Drängen und Treiben im heimatlichen Schlosse nicht so nahe sein. Doch erst im J. 1057 erhielt er vom Papste Victor II. die Erlaubniß, sich im Ordenshause von Cassino aufnehmen zu lassen. Wahrscheinlich wandelte er wegen seiner Sehnsucht nach gänzlicher Abgeschiedenheit von der Welt, die so lange unbefriediget blieb, seinen ursprünglichen Namen Dauferius in Desiderius (der Sehnsüchtige) um. Noch im nämlichen Jahre wurde er Abt von Cassino. Die Geschichtschreiber finden nicht Worte genug, seine großartige Thätigkeit für das innere und äußere Wachsthum des Klosters zu schildern. Er restaurirte dasselbe von Grund aus, man nannte ihn »den Erzengel« der Mönche. Papst Nicolaus II. ertheilte ihm im J. 1059 die Cardinalswürde. Er wirkte in diesem Amte zum allgemeinen Besten der Kirche, vornehmlich zu ihrer Befreiung von unwürdigen Bischöfen und Priestern, die sich mit Simonie oder Concubinat befleckt hatten. Mit besonderer päpstlicher Vollmacht reformirte er fast sämmtliche Klöster in Süditalien mit großer Mühe, aber zuletzt doch mit dem besten Erfolge. Papst Alexander II. weihte im J. 1071 persönlich die von dem frommen Abte neu erbaute Basilica zu Cassino. Der hl. Papst Gregorius VII., zu dessen vertrautesten Freunden er gehört hatte, empfahl ihn, ehe er starb (1085), neben dem Bischofe von Capua und dem Erzbischofe Hugo von Lyon den Cardinälen zur nachfolgenden Papstwahl. Die Cardinäle wählten ihn am 24. Mai 1086, aber er weigerte sich, die Wahl anzunehmen, weil er glaubte, diesem in jenen schwer bedrängten Zeiten besonders schwierigen Amte nicht so vorstehen zu können, wie es das Heil der Christenheit erforderte. Als die Cardinäle Zwang anwendeten, ließ er sich die päpstlichen Gewänder zwar anziehen, entfloh aber schon vier Tage später über Terracina nach Cassino, wo er in klösterlicher Einsamkeit seine Tage zu beschließen gedachte. Endlich gab er den vereinigten Bitten der Mehrzahl der auf einem Concil zu Capua versam melten Bischöfe nach, besonders als er sah, daß einige Ehrgeizige zum Schaden der Kirche nach der päpstlichen Krone strebten, und ihn deßhalb verunglimpften, und ließ sich am Sonntage nach Christi Himmelfahrt des J. 1087 zu Rom consecriren und krönen. Der Papst erkrankte während des Gottesdienstes an der Ruhr und konnte denselben nur mit Mühe zu Ende bringen. Es waren traurige Tage; nur die Leostadt mit der Engelsburg war in seinem Besitze, und am St. Peterstage konnte nicht einmal im Vatican der Gottesdienst gehalten werden. Den Hirtenstab über die ganze Kirche führte er nur fünf Monate. Doch gelang es ihm, ein ansehnliches Kriegsheer gegen die Saracenen zu Stande zu bringen, und Italien gegen deren Einfälle in Sicherheit zu stellen. Man erzählt, daß er den über dieselben bei Medeah (Mehedia) errungenen Sieg am nämlichen Tage auf wunderbare Weise erkannte. Auf der Kirchenversammlung zu Benevent im August des J. 1087 belegte er den Gegenpapst Guibert und die ihm anhängenden Bischöfe mit dem Banne und erneuerte die Beschlüsse seiner Vorgänger gegen die Laieninvestituren und die Simonie. Auch an den Kaiser Alexius in Constantinopel richtete er ein Schreiben und bat ihn, die lästigen Abgaben für die Pilger zum heil. Grabe aufzuheben, indem er zugleich von ihm die Anerkennung der römischen Mutterkirche in Anspruch nahm. Als er hier erkrankte, ließ er sich nach Monte Cassino bringen. Fühlend, daß sein Tod nahe bevorstehe, ernannte er den Propst Oderisius zum Abte, empfahl den Cardinälen und Bischöfen den Bischof Otto von Ostia zu seinem Nachfolger, und ließ sich sodann sein Grab bereiten, und mit den heil. Sacramenten versehen. Daß ihm auf Anstiften Heinrichs IV. Gift gereicht wurde, an welchem er starb, ist nicht erwiesen. Der Tag seines Hinscheidens ist der 16., nach Andern der 15. Sept. Er hinterließ mehrere Schriften, worunter seine Briefe und drei Bücher Dialoge die wichtigsten sind. Im Kloster zu Monte Cassino, dann zu Cava, wo der Selige eine Zeit lang als Mönch gelebt hatte, und in Benevent wird sein Andenken sub ritu dupl. gefeiert. Papst Benedict XIII. hat im J. 1727 diese Festfeier gut geheißen.


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 5. Augsburg 1882, S. 687-688.
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