Ulfila

[548] Ulfila, berühmt als Apostel der Gothen, sowie als Bibelübersetzer, geb. 318 in einem kappadokischen Flecken, stammte aus einer griech. Familie, welche um 258 n. Chr. durch Gothen aus ihrer Heimath fortgeschleppt worden war, u. wurde 348 Bischof. Als Athanarich 355 eine Christenverfolgung eröffnete, floh U. mit einem Theil seiner arianischen Gothen unter den Schutz des oström. Kaisers u. bekam seinen Wohnsitz zwischen Donau und Hämus, wirkte lange Jahre segensreich (er bekehrte namentlich viele heidnische Westgothen, als diese unter Frithigern über die Donau nachgedrungen waren) u. st. 388 zu Constantinopel, wo er bereits 360 einer arianischen Synode beigewohnt hatte. – Seine Bibelübersetzung ist merkwürdig einerseits als der älteste erhaltene Sprachrest, in dem sich die ganze Kraft, Lautfülle u. Bildsamkeit des Gothischen offenbart, anderseits weil sie bereits keine Spur vom Arianismus des Uebersetzers zeigt. Um sie schreiben zu können, erweiterte U. das altgermanische Runenalphabet, indem er griechische Buchstaben aufnahm. Daß bei den Gothen eine deutsche Bibelübersetzung in hohem Ansehen stand, bestätigen Zeugnisse bis ins 9. Jahrh.; im 16. Jahrh. fand der Secretär des Kanzlers Granvella in der westfäl. Abtei Werden an der Ruhr den sog. codex argenteus (silberne Handschrift), die auf purpurgefärbtem Pergament mit Silberdinte geschriebene übrigens lückenhafte goth. Uebersetzung der 4 Evangelien. Dieser Codex wurde 1648 durch den General Königsmark von Prag nach Schweden verschleppt u. befindet sich noch jetzt in Upsala; im 18. Jahrh. fanden Knittel in Braunschweig, im 19. Angelo Mai u. Castiglione weitere Bruchstücke, worunter einiges aus den Büchern Esdras u. Nehemias (vom alten Testament soll U. die Bücher der Könige absichtlich nicht übersetzt haben, um den überaus kriegerischen Sinn seines Volkes nicht noch mehr aufzustacheln). Zuletzt entdeckte Maaßmann in der Wiener Bibliothek eine gothische Erklärung (Skeirins, 1834) zum Evangelium Johannis. – Beste Ausgabe alles Vorhandenen mit lat. Uebersetzung, Anmerkungen, goth. Grammatik u. Wörterbuch von Gabelentz und Löbe (Lips. 1836–46, 2 B.).

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 548.
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