Latitudinarier

[322] Latitudinarier (nl. v. lat. latitudo = Breite), eigtl. Weitherzige heißen diejenigen, welche ein weites Gewissen haben, mögen sie theoretisch oder praktisch einer laxen Moral huldigen. Kant nennt die Latitudinarier die Antipoden der Rigoristen, d.h. derjenigen, welche der strengen Denkungsart zugetan sind und keine moralischen Mitteldinge, weder in Handlungen (Adiaphora, s. d.) noch in menschlichen Charakteren, solange es möglich ist, einräumen. Die Latitudinarier sind nach ihm entweder Latitudinarier der Neutralität (Indifferentisten) oder der Koalition (Synkretisten). (Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft S. 9.) In der Kirchengeschichte nennt man die Anhänger der freieren Richtung in England so, welche, wie Burnet, Clarke, Cudworth, die Glaubenslehre rationalisierten. In der Ästhetik sind Latitudinarier die, welche alles zulassen, was gefällt, z.B. Fr. Schlegels »Lucinde«, Grécourts Gedichte usw. Siehe Indifferentisten und Rigoristen.

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 322.
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