Thomisten und Scotisten

[634] Thomisten und Scotisten. Durch den Gegensatz der Dominikaner, welche Thomas von Aquino (1225-1274), und Franziskaner, welche Duns Scotus ( 1308) auf den Schild erhoben, wurden die Lehrunterschiede dieser beiden großen Scholastiker sehr verschärft. Die Anhänger des Thomas, die Thomisten, leugneten, die Anhänger des Duns Scotus, die Scotisten, behaupteten eine absolute Erkenntnis Gottes (cognitio dei quidditativa); jene bestritten, diese verteidigten die objektive Realität der göttlichen Eigenschaften. Jene meinten, die Erbsünde sei eine Verletzung unserer Natur, diese, sie sei nur Verlust der angeborenen Gerechtigkeit. Jene lehrten, der Logos sei nur deshalb Mensch geworden, weil Adam gesündigt habe, diese, er wäre auch ohnedies als Mensch herabgestiegen. Jene bejahten, diese verneinten, daß Christi Verdienst ein völliges Äquivalent für die Sünde der Menschheit sei. Jene lehrten, die sakramentale Gnade gehe unmittelbar aus der Spendung hervor, diese, sie trete besonders hinzu. Jene leugneten, diese behaupteten die unbefleckte Empfängnis Mariä[634] (immaculata conceptio), welche Pius IX. 1854 zum Dogma erhob. Im allgemeinen standen die Thomisten mehr auf der Seite des Augustinns, die Scotisten auf dem Standpunkte des Pelagius. Vgl. Werner, Der hl. Thomas von Aquino. 1858. Frohschammer, Th. v. A. 1889.

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 634-635.
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