Beständige Heiterkeit und Vergnügsamkeit.

[91] Freude, Lust und Fröhlichkeit ist eine große feine Gabe Gottes, aber allein bey denen, welche sie wohl brauchen. Denn die Gottlosen, wenn sie gleich in Reichthümern, in aller Wollust sich täglich weiden, so ist es doch keine wahre Ruhe und Friede von Dauer. Denn ihr Herz denket immer auf etwas anderes, und genießt die Freude nicht recht, die es haben könnte, sondern ist in Unruhe. Sie wählen nur in der Freude, aber genießen sie nicht. Daher ich auch im Leben erfunden habe und mit Exempeln zur Genüge beweisen kann, daß rechte fromme Christenleute immer recht froh und fröhlich in ihrem Hause waren, und dazu fast gar niemand brauchten, als ihr Weib und Kind, und den Herrn des Hauses, nämlich Gott. Und eine solche stille Freude ist auch sein Gebot und Wille. Denn er will ja nicht, daß wir heulen und weinen, sondern die Erde soll voll sein voll Lust und Freuden. Gleichwie auch dorten die Engel sagten: Freude auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen. Ich kann die[92] finstern Murrköpfe nicht leiden, die immer traurig sind, und vor lauter Andacht und Heiligkeit keine frohe Miene machen wollen. Aber siehe da, darinne sitzt die Heiligkeit nicht, daß du immer traurig und verdrießlich bist. Wiederum sprechen einige; ja ich kann nicht froh sein, ich habe zu viel Leid und Sorge. Aber höre einmal, ist dein Leid auch so groß, daß es dir gar keine Ruhe und Frieden läßet, und machst du nicht dein Leid durch allzugroße Kümmernis größer, und machst aus einem zwei? Darum ist nichts besseres, denn daß wir gerne annehmen, was uns Gott zur Freude giebt, und er giebt gar sehr viel, wenn wir es nur erkennen und darnach greifen wollten, daß es uns freuete. Darum ist es Salomos Meinung nicht, wenn er mit wahrer Weisheit sagte: Es ist alles eitel, daß er aus der ganzen Welt will Einsiedler oder Mönche machen, alle Freude, Lust und Kurzweil, alle Ruhe und Ergötzen verwerfen, sondern er will sagen und anzeigen, daß Gedanken und Anschläge in dem Stücke eitel und nichts sind, wenn wir uns selbst nichts als Wollust und Freude machen, und meinen, das[93] Freudenstündlein stehe allein in unserer Hand und sehen nicht auf Gottes Willen. Er will, daß wir alles sollen annehmen, wie es uns Gott zuschicket, nicht wie wir es uns abmessen und gerne wollten. Denn gleichwie es vor Gott Sünde ist, wenn wir uns mit Traurigkeit und Sorgen selbst kränken, und wiederum, wie es auch Sünde ist, so Gott Trübsal und Traurigkeit zu schicket, dieselben nicht geduldig ertragen: also ist es auch ungöttlich, die Freude und Lachensstunde nicht annehmen, wenn sie Gott giebt, wie die Schwärmer und heillosen Heuchler thun, welche allezeit sauer sehen und eigene Zeit und Maaß zur Traurigkeit erwählen.

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[Verfasser von Luthers Leben]: D. Martin Luthers Sittenbuch. Leipzig 1794, S. 91-94.
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