Fluchen.

[115] Unter dem Fluchen werden begriffen alle Schmach und Lästerungen, auch schändliche Zunamen. Da haben böse Menschen immer den Teufel und die Sacramente, und andere schreckbare Worte im Munde, mit denen sie um sich herumwerfen, und sich oder andere Creaturen damit belästigen. Welches alles wahrer Unverstand und große Sünde ist von denen, die so ihren Mund zur Vorrathskammer von schrecklichen Flüchen und Wünschen machen. Und kann man wohl sagen, daß aus ihrem Munde Tod und Hölle hervorgehet. Es geschiehet zwar nicht, was sie fluchen und wünschen, wäre auch nicht gut, aber das hindert nicht, daß es nicht[115] Sünde wäre. Man betrachte aber nur die schöne Nächstenliebe, die der hat, der seinem Nächsten alles Böse an den Hals wünschet. So spricht auch Jacobus: Mit der Zunge gebenedeien wir Gott den Vater, und vermaledeien die Menschen, die zum Bilde und Gleichniß Gottes geschaffen sind. Als wollte er sprechen: der Mensch kann nicht beides zugleich thun, ohne zum Schein. Darum, daß sich keiner betrüge, so er Gott gebenedeiet und der Creatur fluchet, der soll wissen, daß er Gott nicht preiset, weil er der Creatur fluchet, die Gottes Werk ist. Es stehet auch geschrieben 1 Cor. 6, 10. daß die Flucher nicht wer den besitzen das Reich Gottes. Wenn die Menschen das bedächten, sie würden gewiß nicht also schnell fluchen.

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[Verfasser von Luthers Leben]: D. Martin Luthers Sittenbuch. Leipzig 1794, S. 115-116.
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