Mäßigung in Essen und Trinken.

[101] Essen und Trinken ist nicht verboten. Daß man den Leib erhalte und gebe ihm seine Nahrung, solches hat Gott also geordnet und seine Creaturen dazu gegeben; sondern das Schwelgen mit Freßen und Saufen ist verboten, wenn[101] man es also treibet, als wäre man dazu geschaffen und geboren. Die solches thun, können nicht Christen sein, denn sie leben schändlich. Lasset uns erbarlich wandeln, spricht der Apostel, nicht in Freßen und Saufen. Das ist nun ein grobes Werk und leicht zu denken, daß es nicht also recht sein könne, denn neben dem Freßen und Saufen vesäumet man seine Arbeit und Geschäfte. Es giebt auch Leute, die kratzen und scharren, daß sie nur freßen und saufen können, und zwacken es andern ab, damit sie nur vollauf haben, und das ist doppelte Sünde. Und möchte man solche Leute nicht verachten, die nur immer Leckerbissen und wohlschmeckende Sachen ihren Gaumen vorsetzen wollen, und um eine gute Mahlzeit zu haben, heucheln, schmeicheln Gott und die Religion verkaufen? Ja das sind Knechte des Bauches und schändliche Leute. Ich wollte darum nicht einen Fuß setzen, wenn mir es auch angeboten würde, sondern wo ich nur satt werde, da bin ich köstlich zufrieden, und verlange nichts weiter. Und ist auch schon von Gott dem Herrn so eingerichtet, daß die Armen, welche bei Wasser und Brode[102] leben, darum keine Noth leiden, sondern frisch munter und stark sind, da hingegen die Reichen, die sich von allen Orten und Enden auftragen lassen, daß die Tafeln knakken und brechen möchten, dennoch siech und blassen Angesichts sind. Da siehet man gar deutlich die Weisheit und Güte Gottes. Das Vollsaufen ist auch auf mancherlei Weise zu verfluchen, weil es, wie Christus sagt, die Herzen beschweret. Denn zweierlei Böses entstehet daraus. Nachdem Befehl Gottes werden wir gezwungen zur Arbeit, und sollen uns in einer gewissen Arbeit finden lassen. Die Arbeit aber will einen geschickten Leib und einen sonderlichen Fleiß und Sorge haben. Aber dieses alles kann nicht sein, wenn der Mensch mit überflüßigem Freßen und Saufen beschweret ist. Je höher und wichtiger aber das Amt ist, darein dich Gott gesetzt hat, je fleißiger du dich davor hüten sollst, aus welcher Verhinderniß du nichts rechtschafnes thun kannst. Das andere Böse ist, das daraus entstehet, daß sie Gottes Wort zu hören und zu beten ganz ungeschickt werden. Daher auch Paulus gar recht saget, daß aus dem Vollsaufen ein liederliches[103] Wesen entsteht. Ich habe wohl mehr Leute gesehen, die durch dieses Laster um Haus und Güter gekommen sind. Und nun siehe an einen betrunkenen Tölpel, wie die Leute ihren Spott mit ihm haben, und er an Geberden und Mienen ärger als ein Vieh ist. Du darfst nur einen solchen Menschen recht ansehen, um Abscheu und großen Haß vor dieser Sünde zu hegen. Ein Knabe sagte einmal, der betrunkne Leute sahe, sie hätten wohl Gift getrunken, das sie so ungestalt und unbändig an Seele und Leib mache. – Die Aerzte und Medici sagen auch als Wahrheit, daß Uebertrinken und Ueberessen dem Leibe und der Gesundheit sehr nachtheilig sein soll. Das ich mir auch sehr wohl denken kann. Denn wenn du in einen Sack zu viel hinein steckest, platzet und zerspringt er. Also auch der Leib muß Schaden leiden.

Quelle:
[Verfasser von Luthers Leben]: D. Martin Luthers Sittenbuch. Leipzig 1794, S. 101-104.
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