Stolz in irrdischen Dingen.

[125] Der Stolz ist gar ein arges Laster, und ist vor Gott und Menschen ein Greuel. Und so sich jemand auf seinen Stand, Geburt, Würden, Schönheit, Klugheit, Reichthum und Güter etwas einbildet und sich groß zu sein dünket,[125] der ist wie ein Vogel, der sich auf seine schönen Federn einbilden wollte, die er sich doch gar nicht gemacht und gegeben hat, sondern von Gott herrühret. Denn du bist ja der Mann nicht, der dir das alles selbst verliehen hat, und der da müßte angebeten werden, sondern so du etwas hast und bist, so ist das Gottes Gnade. Aber solche Güte misbrauchest du, und brauchest sie zum Widerspiel, nämlich zum Stolze und Hoffarth, womit du dich über andere erhebest und sie verachtest. Bist du nicht ein Thor, der du auf solche Narrendinge dir zu gute thust. Denn warum machte Gott den Unterschied der Stände, des Reichthums, Schönheit u.s.w. Darum, daß wir unter solchen Larven der äusserlichen Ordnung Gottes Größe und Majestät erkennen und geprüft werden sollten, zu welchen Nutz und Frommen es jedweder anwende. Aber nun vergleiche die Menschen dagegen, wie sie sich brüsten und groß dünken, wenn einer ein Aemtlein oder Titelein hat, oder ein schönes Kleid, Reichthum und Glanz hat. Ach wie sie da die Men schen rümpfen, und die Augenbraunen erheben, und denken: ihr andern seid mir[126] nicht gleich. Ist das nicht große Dummheit von dummen Menschen! Hast du die Gabe von Gott, daß du gewaltiger, höher, gelehrter, klüger, reicher bist, so denke, daß Gott dir befohlen hat, andern damit zu dienen: wo nicht, so wisse auch, daß wohl ein Hirtenknabe, der gegen dir nichts zu sein scheinet an Gaben und Ansehen vor der Welt, vor Gott viel größer ist. Darum denke nicht, du müßest allein oben an sitzen, und, jeder müße vor dir den Kopf beugen. Denn Gott, der dich reich und groß gemacht hat, ist eben so wohl des armen Bettlers Gott, der vor deine Thüre kömmt, und sehen seine Augen eben so auf ihn, als auf den größten. Du sitzest nun oben, oder mitten, oder unter an, so machet es der Glaube alles gleich, der da spricht: wir glauben all an einen Gott. Weshalb keiner Ursache hat, wider den andern stolz zu sein.

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[Verfasser von Luthers Leben]: D. Martin Luthers Sittenbuch. Leipzig 1794, S. 125-127.
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