Nothlügen.

[218] Es giebt eigentlich dreierlei Lügen: eine scherzhafte, dienstliche und schädliche. Die schädliche ist, wo ich dem Nächsten damit Schaden thue und betrüge. Und das ist die, welche Gott schlechterdings auf alle Art verboten hat. Eine scherzhafte Lügen ist eigentlich keine Lügen; denn es merket gleich jederman, daß nichts daran sei und wird niemand dadurch betrogen. Wer also im Scherz lügt, befleißige sich also zu reden, daß man sehen kann, es sei Scherz. Doch ist es auch Sünde, wo es Narrentheidung und Eitelkeit ist, und man damit die Zeit verderbet. Eine dienstliche oder Nothlügen ist, daraus dem andern Nutz und Hülfe ohne einen andern Schaden entspringt. Diese ist erlaubt, weil sie die christliche Liebe hervorbringt. Wo du z.E. Einem Rasenden seinen Dolch verheimlichest, so ist das recht. Solche Lügen thaten auch die Hebammen der ebräischen Weiber in Aegypten 2 Mos. I, 19. Desgleichen Michal, Davids[219] Weib, gegen Saul I Sam. 19, 14. Solche Lügen schaffet allemal Nutzen, und gar keinen Schaden.

Quelle:
[Verfasser von Luthers Leben]: D. Martin Luthers Sittenbuch. Leipzig 1794, S. 218-220.
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