Verstellung.

[216] Da kömmt wohl mein Nachbar, und stellet sich gütig und freundlich gegen mich, beschenket mich auch wohl. Aber er ist mir doch nicht gut, und wo zwei Feinde gegen mich zusammen treten, gesellet er sich zu ihnen, und macht gemeine[216] Sache, will es aber immer nicht wissen lassen, wie er gegen mich gesinnt sei, und weiß sich immer heraus zu reden, daß ich nichts merken soll. Nur erst, wenn er mich entrathen kann, wirft er den Schein weg, und sucht mich ganz zu verderben. Das ist wahres Ottergezüchte, das man fliehen sollte, wie die Schlangen. Nur schade, daß man sie nicht so leicht erkennen kann, wie die Schlangen, sondern sie immer für unschuldige Tauben hält. Aber, traue, schaue wem? sagt das Sprüchwort.

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[Verfasser von Luthers Leben]: D. Martin Luthers Sittenbuch. Leipzig 1794, S. 216-217.
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