Pflichten der Heyrathenden.

[268] Zum ersten ist nöthig, daß du deine Sache mit Gott anfangest, und ihn bittest, daß du ein fromm Ehegemahl findest; du bittest ja Gott um eine gesunde Hand oder Bein. Nun ist ein fromm Ehegemahl eben so nöthig. Denn geräth dir ein Mann oder Weib nicht wohl, so hast du wenig guter Tage und Stunden, möchtest wohl lieber lahm an einer Hand oder Bein dafür sein. Hebest du es aber von dir selbst ohne Bitten an und es geräth übel, so wirst du dir nur noch mehr Schuld geben müssen. Sodann darfst du dich auch nicht ohne Vorwissen und Willen der Eltern im Winkel verloben. Denn die Eltern verdienen es, daß man sie darum frage. Und die Kinder, die sich heimlich verloben, thun nicht allein unrecht, sondern auch thöricht, weil es ein so gefährliches, mühseliges Ding um den Ehestand ist, wenn er nicht wohl geräth, und sie der Eltern Rath und Einsehen wohl brauchen. Derohalben wäre es auch das beste, daß die Eltern ihre Kinder gewöhnten, sich nicht zu schämen, von ihnen[269] einen ehelichen Gemahl zu bitten. Es sollen sich auch die Eltern merken lassen, daß sie die Kinder berathen wollen, auf daß sie desto mehr in Hofnung sich enthalten und beharren. Wiederum sollen die Eltern also geschickt sein, ob ihnen wohl die Kinder folgen sollen, daß sie dieselben dennoch mit Gewalt nicht nöthigen. Denn es hat noch Mühe und Arbeit genug, daß die Ehe wohl gerathe, wenn gleich die Kinder mit Lust und Liebe zusammenkommen. Denn es ist zu besorgen, wenn eine Ehe nicht aus Lust und Liebe geschiehet, mit Willen der Kinder, daß sie schwerlich wohl gerathe, und selten etwas gutes daraus wird. – Vor allen Dingen mußt du aber die Person ansehen, die du ehelichen willst, und dich nicht übereilen. Denn aus geschwinder Liebe entstehet geschwinder Haß. Du mußt sie wohl prüfen und zusehen, ob sie fromm, ehrlich treu, rechtschaffen, demüthig und verträglich, auch haushälterisch sei. Und dies prüfen ist nöthig, weil sie sich leicht verstellen können. Siehest du aber auf etwas mehr, als Tugend, so kannst du leicht daneben greifen. Denn die reichen Weiber[270] sind oft die schlechtesten und verderben Haus und Hof, und wollte wohl mancher noch einmal so viel darum geben, als das reiche Weib gebracht hat, wenn er sie könnte wieder los werden. – Wiederum wo du in den Ehestand trittst und nur auf das fleischliche stehest, so wird bald in einem oder zwei Monathen, ja wohl noch vor der Hochzeit dir ein Eckel ankommen, und wird zwischen dir und dem Weibe Unwillen und größerer Haß vorfallen, als anfänglich die Liebe gewesen ist; wirst wünschen, daß sie nur bald sterben möge, und wird dir ein jeglich ander Weib dünken schöner zu sein, und bessere Sitten und Art an sich haben.

Quelle:
[Verfasser von Luthers Leben]: D. Martin Luthers Sittenbuch. Leipzig 1794, S. 268-271.
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