In Ansehung ihrer geistlichen Wohlfarth.

[289] Das größte Verderben ist, wenn Eltern ihren Kindern so vieles durch die Finger sehen und sie nicht strafen, wo sie Böses an ihnen sehen. Solche Eltern haben auf ihren Rücken zu tragen die Sünden, die ihre Kinder begehen und sündigen noch bis in das dritte und vierte Glied. Darum heißt es auch Sprüchw. 23, 13. Laß nicht ab, den Knaben zu züchtigen mit der Ruthe. Du hauest ihn mit der Ruthe, aber du errettest seine Seele von der Höllen. – Du brauchst die Kinder auch nicht allemal zu schlagen und mit Knitteln zu werfen, sondern kannst sie wohl auch auf andere Art zwingen und treiben. Doch muß bei einigen auch die Ruthe ihr Werk thun, wo sonst nichts helfen will. Aber das merke dir, daß du es nicht in der Hitze und im Zorne thust und wohl gar dem Kinde Schaden an seinem Leibe zufügest. Dann wärest du ein Tyrann und Mörder. Einige Väter sind wohl auch so verkehrt, daß sie heute strafen, wozu sie morgen lachen, wenn sie eine gute Stunde haben. Das nenne ich aber eine rechte[290] verfluchte Kinderzucht, die alles verderbt. Denn das soll man wissen, daß man an seinen Kindern die Hölle und den Himmel verdienen kann, wenn man ihnen gut oder übel vorstehet. Denn siehe nur welche große Werke du hast mit deinen Kindern zu thun. Du mußt dafür sorgen, daß sie Gott recht erkennen lernen und sein Wort, daß sie sich gewöhnen ihm zu vertrauen, ihn fürchten und ihre Hofnung auf ihn setzen, seinen Namen ehren, nicht schwören, fluchen, sondern fleißig beten und arbeiten des Gottesdienstes warten; daß sie auch zeitliche Dinge lernen verachten, Unglück und Schmerz mit Sanftmuth und Geduld tragen und den Tod nicht fürchten. Auch mußt du darauf merken, daß sie schon in der Jugend mit ihrem Nächsten gut umgehen, ihm nicht schnöde Worte geben, noch betrügen oder stehlen, sondern ihn lieben, und ihm alle Dienste der Barmherzigkeit gerne und willig thun. Und wo du stehest, daß sie einen bösen Streich an ihrem Nächsten oder Geschwister thun, so mußt du solches hart bestrafen. Denn jung gewohnt, alt gethan, heißt das Sprüchwort. Siehe, das mußt du thun[291] an deinen Kindern, so du dir Gottes Lohn und der Welt Dank verdienen willst. Nun höre auch, wie du es machen mußt, daß du solches erlangest. In die Schule mußt du sie fleißig schicken, damit sie hören und lernen, was sie glauben, thun und lassen sollen. Und es ist eine große Sünde, wo du sie davon abhalten wolltest. Dann können noch in deinem graue Alter die Kinder zu dir kommen und sagen: »Vater, Mutter, du bist Schuld, daß ich ei böser Bube bin, sintemal du mich nicht hast lassen zur Schule gehen, und das Heil meiner Seelen verwahrloset. Daß ich fluche und schwöre, das hab ich von dir gehört. Daß ich unkeusch lebe, das hat mich dein Beispiel in Worten und Werken gelehrt. Und daß ich andere betrüge, das habe ich von dir gesehen, weil du es auch so machtest Bedenke du es wohl, so wird dein Kind zu dir sagen, so du es nicht zur Schule hälst, auch nicht selbst unterrichtest, sondern ihm obendrein ein böses Beispiel giebst in Worten und Werken. Denn das Exempel steckt mehr an, als du glaubst. Was meinst du wohl muß das Kind denken, wenn du in[292] desselben Anwesenheit dich mit der Frau zankest unkeusche Worte brauchest, andere betrügest, fluchest und schwörst? Wird es nicht so sein und werden, gleich wie du. Du solltest vielmehr dich unter deine Kinder setzen, hübsch mit ihnen beten, sie lehren und sagen, so viel du nur selbst in deinem Kopfe hast. Und wo du das nicht thust, so versündigest du dich nicht nur an deinem Gott, als wider dessen Gebot du thust, sondern auch an deinen Kindern selbst, und allen andern, denen deine bösen Buben einmal Schaden thun. Alle diese werden über dich schreienl Das merke dir!

Quelle:
[Verfasser von Luthers Leben]: D. Martin Luthers Sittenbuch. Leipzig 1794, S. 289-293.
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