Pflichten bei allgemeinen Trübsalen.

[314] Es kommen wohl oft gemeine Trübsale und Leiden über ein ganzes Land, Stadt oder Dorf,[314] und das sollst du wissen, daß sie von Gott kommen. Als da sind Krieg, Hunger, Pest, Feuer und Wassersnoth. Und es treffen diese Trübsale fromme und gottlose, daß oft keiner verschont bleibt. Und will damit Gott allemal etwas gutes, und leitet und lenket es allemal zum Besten. »Ja, könntest du sagen, wie kann Gott dabei gutes wollen, wenn bei solcher gemeiner Noth so viel Menschen geplagt und gemartert werden!« So redet der Unverstand, der nicht weiter sehen kann, als seine Nase hinaus geht. Bist du denn Gott, oder sitzest du oben in der Sonne, daß du alles durchschauen und an alle Enden der Welt blicken kannst. Gleich als wenn du ein Mäusenest in deinem Hause störest, und eine Maus dich anredete: warum jagst du uns hier fort? Würdest du nicht sagen: weil ihr mir hier Schaden thut? Darum blinder Mensch, lasse dir gefallen, was Gott schickt, und halte es für nützlich und heilsam, wenn du auch nicht gleich den Vortheil siehest, ob du wohl zehn Brillen auf die Nasen stecktest. – Nun will ich dir sagen, wie sich der Fromme dabei fügen muß, wenn solche gemeine[315] Noth entsteht. Er soll dadurch geprüft werden, ob er ausharre in der Treue und Gehorsam gegen Gott und den Schutz und die Macht Gottes immer mehr empfinden lernen. Gleich als ein Kind wird nimmermehr die Eltern so sehr lieben, als wenn es in Noth und Gefährlichkeit kömmt, daraus es vom Vater gerettet wird, und seine Liebe zu ihm erkennen kann. Von nun an wird das Kind den Eltern mehr trauen, und sich mehr vor ihnen demüthigen. So auch die Noth der Frommen. Und es ist wohl wahr, was Paulus sagt Röm. 8, 28. Denen, die Gott lieben, müssen etc. auch gemeine Noth und Unglück. Und wenn sie auch etwas verlieren, so kümmert sie das nicht übermäßig, sondern sprechen: der Herr hat es geben, der Herr hat es genommen u.s.w. Sie erschrecken dabei nicht so sehr, sorgen auch nicht ängstiglich, und ist dies ein rechter Probierstein für die Frommen, dadurch Gott sieht, ob sie den Muth nicht finken lassen, sondern ausharren bis ans Ende. Und ist für sie die Noth nicht eine Strafe, sondern eine Gnade, weil dadurch geprüfter werden, und ihre[316] Standhaftigkeit und Muth zeigen können, wie es auch dem Hiob gieng, zu welchem wohl seine Freunde sagten: »du mußt eine heimliche große Sünde auf dir haben, daß es dir so gehet«. Aber er sprach: »ich habe nichts gethan und bin darum kein Gottloser nicht. Aber mit dem Bösen geht es anders zu. Ihm kommt die Noth, damit er die Sünde erkennen, sich bessern, und einmal an Gott denken soll, dessen Knecht er ist. Denn wo nicht solche Noth käme, so dächte wohl der Böse gar nicht an Gott. Darum ist die Noth, wie Sturm und Unwetter, das wohl hier Häuser umwirft oder anzündet, aber die Luft reiniget, und das Erdreich erquicket und ob es wohl zehnfältigen Schaden thut, doch hundertfältigen Nutzen bringet. – Aber das ist recht und billig, daß ein jeder bei solcher gemeiner Noth arbeite und dem Uebel abhelfe, wodurch er kann, und nicht die Hände in den Schooß sinken lasse und warte, bis Gott selber hilft. Denn er hilft durch Menschen.

Quelle:
[Verfasser von Luthers Leben]: D. Martin Luthers Sittenbuch. Leipzig 1794, S. 314-317.
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