Die Gewerkschaftsbewegung

[181] Ich beschäftige mich mit der Gewerkschaftsbewegung nur insoweit, als ich glaube, mich zu ihren Geburtshelfern zählen zu dürfen. Man könnte das Jahr 1868 das Geburtsjahr der deutschen Gewerkschaften nennen, aber nur mit Einschränkung. Ich habe schon oben mitgeteilt, daß das[181] Prosperitätsjahr 1865 eine große Anzahl Arbeitseinstellungen in den verschiedensten Städten sah, die zu einem guten Teil versagten, weil die Arbeiter nirgends organisiert waren und keine Fonds besaßen. Daß beides notwendig vorhanden sein müsse, darauf wurden sie jetzt sozusagen mit der Nase gestoßen. Es wurden nunmehr eine Menge zumeist lokaler Fachvereine gebildet, aber daß diese auch nicht genügten, erkannte man sehr bald. Wie zu Weihnachten 1865 auf Fritzsches Anregung der Allgemeine Deutsche Zigarrenarbeiterverein gegründet wurde, so folgten im Jahre 1866 die Buchdrucker, die von vornherein sich den politischen Arbeiterparteien gegenüber streng neutral verhielten, was indes Richard Härtel im Oktober 1873 nicht abhielt, in einer Versammlung der Berliner Buchdrucker zu erklären, in seiner Eigenschaft als Verbandspräsident halte er es für das beste, sich formell keiner Partei anzuschließen, »im Geiste gehören wir jedoch der sozialdemokratischen Arbeiterpartei Eisenacher Programms an«. Streng genommen konnte er das nicht für alle Buchdrucker erklären, viele gehörten auch dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein an. Weiter bestand schon vor 1868 der Goldarbeiterverband mit einem eigenen Organ und der Allgemeine Deutsche Schneiderverein. Im großen und ganzen war von den Führern der politischen Bewegung bis dahin für die Organisation von Gewerkschaften sehr wenig geschehen. Es war hauptsächlich Liebknecht, der durch seine Vorträge im Leipziger Arbeiterbildungsverein und in Leipziger und auswärtigen Volksversammlungen über den englischen Trade Unionismus für gewerkschaftliche Organisation Verständnis schaffte. Im Mai 1868 hatten wir auch bereits im Vorortsvorstand die Gründung von Gewerkschaften erörtert, aber die Menge der laufenden Arbeiten und vor allen Dingen die Notwendigkeit, erst einmal im Verband durch ein Programm Klarheit zu schaffen, verhinderten, daß wir uns sofort mit der Ausführung des Planes beschäftigten. Im Sommer 1868 war Max Hirsch nach England gereist zwecks Studien über die dortigen Trade Unions, worüber er in der Berliner »Volkszeitung« berichtete. Dieses veranlaßte Schweitzer und Fritzsche, die den Gedanken bereits ventiliert hatten, Hirsch, der durch die Gründung von Gewerkvereinen die Arbeiter an die Fortschrittspartei zu fesseln hoffte, zuvorzukommen. Beide schritten jetzt rasch zur Tat, wie ich glaube annehmen zu sollen, auf Anregung Fritzsches, der die Bedeutung der Gewerkschaften längst erkannt hatte, aber auch die Organisation der neuen Gründung wohl anders gestaltet haben würde, hätte er Schweitzer gegenüber freie Hand gehabt. Die Braunschweiger Mitglieder beantragten durch Fritzsche, der den Antrag im Einverständnis mit Schweitzer angeregt[182] hatte und auch Brackes Zustimmung fand, auf der Generalversammlung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins zu Hamburg am 25. August 1868:

»Die Generalversammlung erklärt: 1. Die Streiks sind kein Mittel, die Grundlagen der heutigen Produktion zu ändern und somit die Lage der Arbeiterklasse durchgreifend zu verbessern; allein sie sind ein Mittel, das Klassenbewußtsein der Arbeiter zu fördern, die Polizeibevormundung zu durchbrechen und unter Voraussetzung richtiger Organisation einzelne Mißstände drückender Art, wie zum Beispiel übermäßig lange Arbeitszeit, Kinderarbeit und dergleichen, aus der heutigen Gesellschaft zu entfernen. 2. Die Generalversammlung beauftragt den Vereinspräsidenten, einen allgemeinen deutschen Arbeiterkongreß zur Begründung von allgemeinen Gewerkschaften zu berufen, die in diesem Sinne wirken.«

Der erste Teil der Resolution wurde angenommen, der zweite abgelehnt. Dagegen beschloß, wie bereits erwähnt, wenige Tage nachher der Arbeitervereinstag zu Nürnberg ohne große Debatte, den Vorort mit der Gründung von Gewerkschaften zu beauftragen. Hier hatte man also die gegenteilige Auffassung von der Bedeutung der Gewerkschaften, die bei der Mehrheit im Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein herrschte. Nach jener Abstimmung in Hamburg erklärten Schweitzer und Fritzsche, sie würden als Reichstagsabgeordnete einen Arbeiterkongreß für Gründung von Gewerkschaften einberufen. Als aber auch hiergegen Opposition laut wurde, drohte Schweitzer, daß, wenn man dieses ihm verbiete, er sofort sein Amt niederlegen und aus dem Verein ausscheiden würde. Diese Drohung hatte die gewünschte Wirkung. Der Kongreß fand denn auch am 27. September und folgende Tage in Berlin statt. Es waren nicht weniger als 206 Delegierte anwesend, die meist in Arbeiterversammlungen gewählt worden waren und 140000 Arbeiter vertraten. Bemerkenswert sind folgende Äußerungen Schweitzers aus der Rede, mit der er den Kongreß eröffnete:

»England ist weitaus das kapitalreichste Land der Erde, und wenn dennoch die ausländische Industrie über die englische Herr geworden ist, so ist das geschehen, weil die englischen Arbeiter den dortigen Kapitalisten so viel Schwierigkeiten machten. Dasselbe kann in Deutschland geschehen, und leichter. Die deutschen Arbeiter können geradezu die deutsche Industrie ruinieren, wenn sie wollen, und sie haben kein Interesse daran, sie zu halten, solange ihnen diese den erbärmlichsten Lohn zukommen läßt ... Die Arbeiter können, wenn sie fest organisiert sind, die deutsche Industrie konkurrenzunfähig machen, und wenn die Herren Kapitalisten das nicht wollen, so mögen sie höhere[183] Arbeitslöhne zahlen.« Diese Begründung war möglichst ungeschickt, aber Schweitzer äußerte keinen Gedanken ohne Berechnung.

Der Kongreß gründete sogenannte Arbeiterschaften, die unter einer Zentralleitung standen, die Schweitzer, Fritzsche und Karl Klein-Elberfeld, Präsident und zwei Vizepräsidenten, bildeten. Die Organisationsform war nicht besonders glücklich gewählt und nur Schweitzer zu danken, der unter keinen Umständen auch nur einem Teile der Bewegung, auf den er Einfluß hatte, Unabhängigkeit einräumen wollte.

Schweitzer hatte, da es ihm sehr darum zu tun war, von Marx eine günstige Antwort für sein Unternehmen zu bekommen, diesem am 13. September einen Brief geschrieben und seinen Statutenentwurf beigefügt. Marx, der, wie er nachher Schweitzer schrieb, den Brief mißverstanden hatte, gab erst auf einen zweiten Brief Schweitzers eine Antwort, in der die auf die Schweitzersche Organisation bezüglichen Stellen lauten:

»Was den Berliner Kongreß betrifft, so war d'abord (zunächst) die Zeit nicht drängend, da das Koalitionsgesetz noch nicht votiert ist1. Sie mußten sich also mit den Führern außerhalb des Lassalleschen Kreises verständigen, gemeinsam mit ihnen den Plan ausarbeiten und den Kongreß berufen. Statt dessen ließen Sie aber nur die Alternative, sich Ihnen anzuschließen oder Front gegen Sie zu machen. Der Kongreß erschien selbst nur als erweiterte Auflage des Hamburger Kongresses (der Generalversammlung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins). Was den Statutenentwurf betrifft, so halte ich ihn für prinzipiell verfehlt, und ich glaube so viel Erfahrung als irgendein Zeitgenosse auf dem Gebiet der Trade Unions zu haben. Ohne hier weiter auf Details einzugehen, bemerke ich nur, daß die Organisation, so sehr sie für geheime Gesellschaften und Sektenbewegungen taugt, dem Wesen der Trade Unions widerspricht. Wäre sie möglich – ich erkläre sie tout bonnement (aufrichtig gestanden) für unmöglich –, so wäre sie nicht wünschenswert, am wenigsten in Deutschland. Hier, wo der Arbeiter von Kindesbeinen an bürokratisch gemaßregelt wird und an die Autorität, an die vorgesetzte Behörde glaubt, gilt es vor allem, ihn selbständig gehen zu lehren.

Ihr Plan ist auch sonst unpraktisch. Im Verband drei unabhängige Mächte verschiedenen Ursprungs: 1. der Ausschuß, gewählt von den Gewerken; 2. der Präsident – eine ganz überflüssige Person –, gewählt durch[184] allgemeines Stimmrecht2; 3. Kongreß, gewählt durch die Lokalitäten. Also überall Kollisionen, und das soll rasche Aktion befördern. Lassalle beging großen Mißgriff, als er den élu du suffrage universel (den Gewählten des allgemeinen Stimmrechts) der französischen Konstitution von 1852 entlehnte. Nun gar in einer Trade-Unions-Bewegung! Diese dreht sich großenteils um Geldfragen, und Sie werden bald entdecken, daß hier alles Diktatorentum aufhört.

Indes, welches immer die Fehler der Organisation, sie können vielleicht durch rationelle Praxis mehr oder minder ausgemerzt werden. Ich bin bereit, als Sekretär der Internationale den Vermittler zwischen Ihnen und der Nürnberger Majorität, die sich direkt der Internationale angeschlossen hat, zu spielen – auf rationeller Grundlage versteht sich. Ich habe deshalb nach Leipzig geschrieben. Ich verkenne die Schwierigkeiten Ihrer Stellung nicht und vergesse nie, daß jeder von uns mehr von den Umständen als seinem Willen abhängt.

Ich verspreche Ihnen unter allen Umständen die Unparteilichkeit, die meine Pflicht ist. Andererseits kann ich aber nicht versprechen, daß ich eines Tages als Privatschriftsteller – sobald ich es für absolut durch das Interesse der Arbeiterbewegung diktiert halte – offene Kritik an dem Lassalleschen Aberglauben üben werde, wie ich es seinerzeit an dem Proudhonschen getan habe.

Indem ich Sie persönlich meines besten Willens für Sie versichere

Ihr ergebener K. Marx.«


Die geschaffene Organisation paßte aber Schweitzer nicht lange. Wie vorauszusehen war, machten sich bald gewisse Selbständigkeitsbestrebungen in den Arbeiterschaften bemerkbar. Diesen trat Schweitzer im »Sozialdemokrat« vom 15. September 1869 entschieden entgegen; man strebe den Arbeiterschaftsverband[185] vom Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein zu trennen und unter eine selbständige Leitung zu stellen; davor warnte er. Drei Monate später ging er weiter. In Nr. 152 des »Sozialdemokrat« kündigte er unter dem 29. Dezember an, daß von den verschiedensten Seiten Wünsche laut geworden seien, die verschiedenen Gewerkschaften in eine einzige allgemeine Gewerkschaft zu verschmelzen. Er habe dementsprechend einen Entwurf ausgearbeitet, den er in derselben Nummer veröffentlichte. Vorher schon hatte Fritzsche sich vom Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein und vom Arbeiterschaftsverband losgesagt und sein Amt als erster Vizepräsident niedergelegt. Ebenso hatten sich von Schweitzer losgesagt Louis Schumann, Präsident des Allgemeinen Deutschen Schuhmachervereins, York, Präsident des Allgemeinen Deutschen Holzarbeitervereins, und Schob, Präsident des Allgemeinen Deutschen Schneidervereins.

Die Generalversammlung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins, die Anfang Januar 1870 in Berlin tagte, kam Schweitzers Wunsch entgegen und beschloß, als hätten die Gewerkschaften diesem Beschluß zu folgen, daß die Gewerkschaften bis zum 1. Juli zu verschmelzen seien und ein neuer Verein gegründet werden solle unter dem Namen Allgemeiner Deutscher Gewerkverein. Unmittelbar hinter der Generalversammlung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins fand dann die des Allgemeinen Deutschen Arbeiterschaftsverbandes statt. Die Mehrzahl der Delegierten erklärte sich ebenfalls für Schweitzers Vorschlag. Lübkert, Präsident des Allgemeinen Deutschen Zimmerervereins, meinte, die Gewerkschaften seien doch im Grunde nichts weiter als eine Vorschule für die politische Heranziehung der Arbeiter. Zilowsky war ebenfalls für die Verschmelzung, damit werde der Präsidentenkitzel aus der Welt geschafft, der zumeist an der Zersplitterung in viele Gewerkschaften schuld sei. Hartmann, Schallmeyer und Vater aus Hamburg sprachen ebenfalls für die Verschmelzung, aus ähnlichen Gründen wie die vorhergehenden Redner.

Für die Verschmelzung stimmten die Vertreter von 12500 Stimmen, dagegen solche, die 9000 Stimmen hinter sich hatten. Obgleich damit die statutenmäßige Zweidrittelmehrheit für die Auflösung des Verbandes nicht vorhanden war, wurde dennoch beschlossen, an Stelle des Arbeiterschaftsverbandes einen neuen Verein, der den Namen Allgemeiner Deutscher Arbeiterunterstützungsverband erhalten sollte, am 1. Juli ins Leben treten zu lassen. Diesem Beschluß wurde von einer Anzahl Arbeiterschaften keine Folge geleistet, die sich damit ihre Selbständigkeit wahrten. Die Gegnerschaft gegen die gewerkschaftlichen Organisationen blieb unter einem Teil[186] der einflußreichsten Mitglieder des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins weiterbestehen, so daß noch 1872 auf dessen Generalversammlung Tölcke den Antrag stellte, die Versammlung solle beschließen, alle innerhalb der Partei neben dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein bestehenden Verbindungen, namentlich der Allgemeine Deutsche Arbeiterunterstützungsverband, der Berliner Arbeiterbund, der Allgemeine Deutsche Maurerverein, der Allgemeine Deutsche Zimmererverein und sämtliche zu denselben gehörende Mitgliedschaften seien aufzulösen, ihre Bestände seien dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein einzuverleiben und sollten deren Mitglieder dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein beitreten. Dieser Antrag konnte aber nicht angenommen werden, weil die Generalversammlung keine Macht hatte, außerhalb des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins bestehende Organisationen aufzulösen.

Wie über die Gewerkschaften auch noch andere Führer als Tölcke dachten, zeigen zum Beispiel die Äußerungen von Hasenclever: »Wenn der Bund« (Berliner Arbeiterbund) »seinen Zweck erfüllt hat, werden wir schon von selbst dafür sorgen, daß er wieder verschwindet.« Hasselmann äußerte: »Wir haben nur deshalb den Bund gegründet, um diese Gewerke zu uns herüberzuziehen, was uns auch ganz gut gelungen ist. Wir haben also mit dem Bunde nichts Besonderes schaffen wollen, er war nur ein Mittel zum Zweck.« Ähnlich sprachen Grottkau und andere. Schließlich wurde folgender Antrag angenommen:

»Die Generalversammlung möge den Wunsch aussprechen, daß sobald wie möglich die innerhalb unserer Partei bestehenden gewerkschaftlichen Verbindungen aufgelöst und die Mitglieder dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein zugeführt werden. Es ist Pflicht der Mitglieder des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins, in diesem Sinne zu wirken.«

Kann man Mende trauen – und seine Angabe ist meines Wissens unwidersprochen geblieben –, so hatte auch Schweitzer gegenüber Mende und der Gräfin Hatzfeldt bei ihrem im Frühjahr 1869 abgeschlossenen Pakt – ich komme später darauf – versprochen, die Gewerkschaftsorganisation als im Widerspruch mit Lassalles Ansichten stehend mehr und mehr in den Hintergrund treten zu lassen. Später änderten sich die Ansichten im Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein zugunsten der Gewerkschaften.


*


Der dem Vorort Leipzig vom Nürnberger Vereinstag zugeteilten Aufgabe kamen wir nach und entwarfen ein Normalstatut für Gewerksgenossenschaften,[187] dessen Verfasserschaft mir zufiel. Sobald dasselbe fertiggestellt war, ging es in Massen an die Organisationen mit der Aufforderung, für die Gründung internationaler Gewerksgenossenschaften – welchen Titel wir gewählt hatten – tätig zu sein. Ich selbst legte Hand mit an, indem ich zahlreiche Versammlungen für die Gründung solcher Gewerkschaften abhielt. Der Titel »Internationale Gewerksgenossenschaften« ging eigentlich etwas weit, denn wir konnten doch nur darauf rechnen, die deutschsprechenden Länder in die Organisation zu ziehen. In der Hauptsache sollte mit dem Namen die Tendenz ausgedrückt werden. Es kamen denn auch eine Anzahl solcher Organisationen zustande, so die Internationale Gewerksgenossenschaft der Manufaktur-, Fabrik- und Handarbeiter, der Maurer und Zimmerer, der Metallarbeiter, der Holzarbeiter, der Schneider, Kürschner und Kappenmacher, der Schuhmacher, der Buchbinder, der Berg- und Hüttenarbeiter.

Es war nicht zu leugnen, daß, wenn schon die politische Bewegung unter der Spaltung litt, die Gewerkschaftsbewegung in noch viel höherem Maße darunter leiden mußte. Aber keine Partei wollte auf die Gründung besonderer Gewerkschaften verzichten, weil jede darin eine Stärkung ihrer Macht sah. Wie unglücklich die Zersplitterung wirkte, bekam namentlich Fritzsche im folgenden Jahre am eigenen Leibe zu spüren, indem infolge der heftigen Parteikämpfe die Mitgliedschaft seines Verbandes von ungefähr 9000 Mitgliedern auf etwas über 2000 sank. In Hamburg-Altona verlor er sämtliche Mitglieder. Allerdings war an diesem Sturze teilweise der Bankrott der Berliner und der Leipziger Produktivgenossenschaften der Tabakarbeiter schuld, die nach einem verlorenen Streik gegründet worden waren.

Wir in Leipzig suchten den Zerwürfnissen in der Gewerkschaftsbewegung möglichst vorzubeugen. Wir beriefen Ende Oktober 1868 im Verein mit Mitgliedern des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins eine stark besuchte Arbeiterversammlung mit der Tagesordnung »Die Gewerksgenossenschaften« ein. Liebknecht referierte und empfahl folgende Resolution:

»In Erwägung, daß die Gründung von Gewerksgenossenschaften nach dem Muster der englischen Trade Unions behufs Organisierung der Arbeiterklasse zur Wahrung und Förderung ihrer Interessen und zur Stärkung ihres Klassenbewußtseins notwendig ist;

in Erwägung ferner, daß durch die Beschlüsse der verschiedenen Arbeiterkongresse bereits die Anregung gegeben und der Anfang zur Gründung von Gewerksgenossenschaften gemacht worden ist, beschließt die heutige Arbeiterversammlung, energisch vorzugehen zur Bildung solcher Genossenschaften,[188] und beauftragt ein zu diesem Zwecke zu wählendes Komitee, die dazu nötigen Schritte zu tun und namentlich mit den Verwaltungen der Arbeiterkassen usw. in Verbindung zu treten.«

Es wurde alsdann ein Komitee gewählt, in dem vom Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein unter anderen Seyferth und Taute neben Liebknecht und mir saßen. Das Komitee lud Angehörige aller Gewerke ein, um mit diesen die Organisation von Gewerkschaften zu besprechen. Diese Zusammenkunft fand unter meinem Vorsitz statt und wurde folgende von Liebknecht und mir verfaßte Resolution einstimmig angenommen:

»Die Versammlung beschließt: Die von der Mehrheit des Nürnberger Arbeitervereinstags und der Mehrheit des Berliner Arbeiterkongresses gegründeten respektive zu gründenden Gewerksgenossenschaften haben darauf hinzuwirken:

1. daß von beiden Seiten nach gegenseitiger Verabredung eine gemeinschaftliche Generalversammlung zum Behuf der Einigung und Verschmelzung berufen werde;

2. daß, bis eine Einigung und Verschmelzung zustandekommt, die beiderseitigen Gewerksgenossenschaften in ein Vertragsverhältnis zueinander treten, sich namentlich mit ihren Kassen gegenseitig unterstützen und womöglich einen gemeinsamen provisorischen Ausschuß wählen;

3. daß beide Teile unter allen Umständen jede Gemeinschaft mit den Hirsch-Dunckerschen Gewerksgenossenschaften zurückweisen, die, von Feinden der Arbeiter gestiftet, keinen anderen Zweck haben, als die Organisation der Arbeiter zu hintertreiben und die Arbeiter zu Werkzeugen der Bourgeoisie herabzuwürdigen.«

Das Verlangen nach Verständigung fand aber auf der anderen Seite kein Entgegenkommen. In Nr. 141 des »Sozialdemokrat« vom 2. Dezember 1868 veröffentlichte Schweitzer eine Resolution, wonach das Präsidium und der Zentralausschuß des Allgemeinen Deutschen Arbeiterschaftsverbandes unsere Anträge zurückgewiesen hatten und aufforderten, »jedem Versuch, die Bewegung zugunsten der persönlichen Zwecke einzelner zu zersplittern, mit allem Nachdruck entgegenzuarbeiten«.

Damit war der Versuch, wenigstens zwischen uns und dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein auf dem Gebiet der gewerkschaftlichen Organisation zu einer Verständigung zu gelangen, bis auf weiteres aussichtslos geworden.

War im Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein für die Gewerkschaftsbewegung keine große Sympathie vorhanden, so war im Lassalleschen Allgemeinen[189] Deutschen Arbeiterverein, das heißt der Hatzfeldt-Mendeschen Richtung, die Stimmung eine direkt feindselige. Hier sah man die Gründung von Gewerkschaften als eine Verletzung der Lassalleschen Grundsätze und der Lassalleschen Organisation an, mit der man eine Art religiösen Kultus trieb. Als ich daher unter den vielen Versammlungen, die ich damals für die Gründung von Gewerkschaften abhielt, auch einer solchen in Dresden beiwohnte, kam es dort zu tumultuarischen Störungen zwischen uns und den Anhängern der Hatzfeldt-Mende unter Försterlings Führung. Ich hatte nach einer Rede zu erklären beantragt:

»In Erwägung, daß die Organisation der Arbeiterklasse zum Schutz gegen die Ausbeutung der Bourgeoisie dringend notwendig ist; in Erwägung ferner, daß eine Organisation der gesamten Arbeiterklasse nach dem Beispiel und den Erfahrungen der industriell am weitest vorgeschrittenen Länder durch die Gewerksgenossenschaften am besten erreicht werden kann, erklärt sich die Versammlung mit der Gründung von Gewerksgenossenschaften einverstanden und beauftragt das einzuberufende Komitee, die nötigen Schritte zu deren Bildung zu tun.«

In der darauf folgenden Diskussion entdeckte ich, daß der Vorsitzende, ein Lassalleaner, wiederholt die Rednerliste fälschte, was ich öffentlich feststellte und was zu heftigen persönlichen Auseinandersetzungen zwischen Försterling und mir führte. Plötzlich schloß Försterling die Versammlung, worauf großer Tumult entstand. Der Polizeikommissar forderte die Anwesenden auf, den Saal zu verlassen. Vahlteich und ich protestierten. Der Kommissar erklärte, er habe keinen Grund gehabt, die Versammlung aufzulösen, aber nachdem dieselbe geschlossen worden sei, würde jede Fortsetzung derselben eine Verletzung des Gesetzes bedeuten. Darauf verließen er und Försterling den Saal. Unter heftigem Widerspruch eines Teils der Versammlung eröffnete Vahlteich aufs neue die Versammlung und ließ mich zum Vorsitzenden wählen. Die Debatte war im schönsten Gang und Vahlteich als dritter Redner eben beim Wort, als der Polizeikommissar wieder erschien, den Redner unterbrach und mich aufforderte, die Versammlung zu schließen. Ich widersprach, da zur Schließung kein Grund vorliege. Darauf drohte er mit der Auflösung, worauf ich unter Protest die Versammlung schloß. Die Aufregung über diese Vorgänge war so groß, daß Försterling, wäre er noch anwesend gewesen, eine unangenehme Erinnerung davongetragen hätte.

Die Gewerkschaftsfrage kam unsererseits wieder auf dem Eisenacher Kongreß im August 1869 zur Erörterung. Man mißbilligte namentlich, daß[190] die Aufnahme von Mitgliedern von einem politischen Glaubensbekenntnis abhänging gemacht würde, wie das von Schweitzer verlangt wurde. Greulich sprach sich für die internationale Organisation aus, die am besten sich eigne, die Massen in die Gewerkschaften zu bringen. Vor den Massen habe der Kapitalist Angst, nicht vor unseren paar elenden Pfennigen. Zuletzt wurde auf Antrag Yorks eine Resolution zugunsten der Einigung der Gewerkschaften angenommen. Ein Antrag Mottelers, der verlangte, daß die Gewerkschaften den Abschluß von Rückversicherungen (Kartellen) betreiben sollten, fand ebenfalls Zustimmung. Auf dem Parteikongreß zu Stuttgart – Juni 1870 – stand abermals die Gewerkschaftsfrage auf der Tagesordnung. Die Verhandlungen bewegten sich auf dem alten Gleise. Die Frage der Einigung spielte wieder die Hauptrolle, aber ein praktisches Resultat blieb aus. Von 1871 ab begannen die Gewerkschaften unter der Gunst der großen Prosperitätsepoche, die nach dem Schluß des Deutsch-Französischen Krieges einsetzte, sich stärker zu entwickeln; sie traten jetzt auch selbständiger auf. Die Zeit des glänzenden Geschäftsganges, der im Jahre 1874 von dem großen Krach plötzlich unterbrochen wurde, begünstigte ungezählte Arbeitseinstellungen in allen Branchen. Aber diese Erscheinung schuf auch eine Menge Unzuträglichkeiten für die bestehenden Organisationen, die Mittel zur Unterstützung der Streikenden aufbringen sollten, die weit über ihre Kräfte gingen. Das veranlaßte schon Ende Mai 1871 den sozialdemokratischen Arbeiterverein in Leipzig nach längerer Diskussion, folgende Resolutionen zu beschließen und zu veröffentlichen:

»1. Daß Arbeitseinstellungen nur eines der Palliativmittel sind, die für die Dauer nicht helfen; 2. daß das Ziel der Sozialdemokratie nicht bloß dahin geht, innerhalb der heutigen Produktionsweise höhere Löhne zu erstreben, sondern die kapitalistische Produktionsweise überhaupt abzuschaffen; 3. daß bei der heutigen bürgerlichen Produktionsweise die Höhe der Löhne sich nach Angebot und Nachfrage richtet und sie auch durch die erfolgreichsten Streiks über diese Höhe nicht dauernd emporgehoben werden können; 4. daß in letzter Zeit mehrere Streiks nachweisbar von den Fabrikanten veranstaltet worden sind, um einen plausiblen Grund für die Erhöhung der Warenpreise während der Messe zu haben, und daß solche Streiks nicht den Arbeitern, sondern nur den Fabrikanten zugutekommen, die den Preis der Waren ungleich mehr erhöhen als den Arbeitslohn; 5. daß verunglückte Streiks die Fabrikanten ermutigen und die Arbeiter entmutigen – also unserer Partei doppelten Schaden verursachen; 6. daß die großen Fabrikanten sogar bisweilen einen Extravorteil von den Streiks[191] haben, indem sie, während die kleinen Fabrikanten nicht arbeiten lassen, ihre Vorräte mit erhöhtem Gewinn absetzen; 7. daß unsere Partei augenblicklich nicht imstande ist, so viele Streiks materiell zu unterstützen.

Aus allen diesen Gründen wird den Parteigenossen dringend empfohlen, einen Streik nur dann zu beginnen, wenn eine gebieterische Notwendigkeit vorliegt und man über die dazu erforderlichen Mittel verfügen kann; ferner: Nicht so planlos zu verfahren wie bisher, sondern nach einem ganz Deutschland umfassenden Organisationsplan. Als bester Weg, Geldmittel und Organisationen zu beschaffen, wird die Gründung und Pflege der Gewerksgenossenschaften empfohlen.«

In Wien erging sich das Zentralorgan der österreichischen Parteigenossen, der »Volkswille«, in ähnlichen Betrachtungen und Ratschlägen, da auch dort infolge der außerordentlich günstigen Wirtschaftslage das Streikfieber immer mehr um sich griff. Die Ratschläge waren gut, aber befolgt wurden sie in den seltensten Fällen. Immerhin nahmen in jenen Jahren die Gewerkschaften eine erfreuliche Entwicklung.

Dagegen zeigte sich um diese Zeit, daß der von Schweitzer gegründete Allgemeine Deutsche Arbeiterunterstützungs-Verband keine Lebensfähigkeit besaß. Auf seiner Generalversammlung am 25. Mai 1871 waren nur noch 4275 Mitglieder durch 19 Delegierte aus 27 Orten vertreten. Das war der vollständige Zusammenbruch des Verbandes, dessen Organisation eine widersinnige war.

Mitte Juni 1872 trat in Erfurt ein Gewerkschaftskongreß zusammen, auf dem namentlich die Frage nach einer zentralen Leitung für die Gewerkschaften (Union) und die Gründung eines besonderen Gewerkschaftsorgans erörtert wurde. In einem Artikel, den ich am 8. Juni im »Volksstaat« veröffentlichte, entwickelte ich mein Programm für den Kongreß und verbreitete mich über die nach meiner Ansicht beste Art einer Verbindung der Gewerkschaften unter sich. Ich führte unter anderem aus, es ließe sich nicht leugnen, daß die Gewerkschaftsbewegung in Deutschland noch ziemlich im argen liege. Schuld sei die Spaltung der Arbeiter in verschiedene Fraktionen, die sich aufs bitterste bekämpften. Sei es schon schlimm, wenn sich die Arbeiter in verschiedenen sozialpolitischen Organisationen gegenüberstünden, so sei es erst recht schlimm, wenn die Arbeiter der einzelnen Gewerke in jeder Fabrik, ja in jeder Werkstätte sich gespalten gegenüberstünden. Und zwar nicht wegen des Prinzips, sondern wegen der Organisationsform, die doch veränderlich sei und sich den Verhältnissen anpassen müsse. Das sei der Fluch, unter dem die Bewegung leide. Traurig sei auch,[192] daß die Masse sich von gewissenlosen Menschen fanatisieren ließe, was beweise, daß ein Teil der Arbeiter an Beschränktheit leide. Man spöttele über die Verknöcherung des Christentums, das aber doch immerhin achtzehn Jahrhunderte hinter sich habe, also ein Alter, das zum Verknöchern angetan sei. Aber die neuere soziale Bewegung sei erst zehn Jahre alt, und schon zeigten sich in ihr Verknöcherungssymptome. Diese würden zwar überwunden, aber vorläufig hinderten sie die Entwicklung ... In der Gewerksgenossenschaft beruhe die Zukunft der Arbeiterklasse; sie sei es, in der die Massen zum Klassenbewußtsein kämen, den Kampf mit der Kapitalmacht führen lernten und so, naturgemäß, die Arbeiter zu Sozialisten machten. Dann setzte ich ausführlich meine Organisationsvorschläge auseinander.

Auf dem Erfurter Gewerkschaftskongreß, auf dem sechs Gewerkschaftsorganisationen, die der Manufaktur- und Fabrikarbeiter, der Metallarbeiter, der Holzarbeiter, der Schneider, der Schuhmacher, der Maurer und verschiedene Fachvereine vertreten waren, wurde eine Gewerkschaftsunion und die Herausgabe eines Gewerkschaftsorgans, »Die Union«, beschlossen. Auf Antrag Yorks wurde folgende Resolution einstimmig angenommen:

»In Erwägung, daß die Kapitalmacht alle Arbeiter, gleichviel, ob sie konservativ, fortschrittlich, liberal oder Sozialdemokraten sind, gleich sehr bedrückt und ausbeutet, erklärt der Kongreß es für die heiligste Pflicht der Arbeiter, allen Parteihader beiseitezusetzen, um auf dem neutralen Boden einer einheitlichen Gewerkschaftsorganisation die Vorbedingung eines erfolgreichen kräftigen Widerstandes zu schaffen, die bedrohte Existenz sicherzustellen und eine Verbesserung ihrer Klassenlage zu erkämpfen. Insbesondere aber haben die verschiedenen Fraktionen der sozialdemokratischen Arbeiterpartei die Gewerkschaftsbewegung nach Kräften zu fördern, und spricht der Kongreß sein Bedauern darüber aus, daß die Generalversammlung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (in Berlin) einen gegenteiligen Beschluß gefaßt hat.«

Als ich nach langer Festungs- und Gefängnishaft im Frühjahr 1875 wieder frei war, machte mir August Geib den Vorschlag, an Stelle des braven York, der leider in der Neujahrsnacht auf 1875 gestorben war, die Redaktion des Zentral-Gewerkschaftsblattes »Die Union« zu übernehmen. Er stellte 50 Taler monatliches Gehalt in Aussicht. Partei und Gewerkschaften waren mittlerweile finanziell stärker geworden. Geib meinte, ich könne die Redaktion ganz gut neben meinem Geschäft übernehmen. Ich lehnte ab. Ich konnte unmöglich neben meinem Geschäft und meiner Tätigkeit für die Partei auch noch dauernd gewerkschaftlich tätig sein.[193]

Das hinderte mich natürlich nicht, nach wie vor der Gewerkschaftsbewegung meine Aufmerksamkeit und Unterstützung zuteilwerden zu lassen, namentlich durch Versammlungen, die ich für die verschiedensten Branchen hielt. Anfangs der neunziger Jahre, als die Gewerkschaftsbewegung in auffälliger Weise in ihrer Entwicklung hinter der sozialistischen Parteibewegung zurückblieb, schien es mir, als sei sie zu einem gewissen Stillstand verurteilt, namentlich infolge der ins Leben getretenen deutschen Versicherungsgesetzgebung, die den Gewerkschaften wichtige Gebiete ihrer Wirksamkeit entzogen hatte. Dieser Ansicht gab ich auch auf dem Parteitag in Köln 1893 öffentlich Ausdruck. Aber dieser Pessimismus war unberechtigt. Bald genug belehrten mich die Tatsachen eines Besseren. Mein Urteil, das ich im Anfang der Bewegung über die Gewerkschaften hatte, bestätigte sich jetzt glänzend als das richtigere und veranlaßte mich aufs neue, für die Gewerkschaften einzutreten wo immer ich konnte.

In den siebziger Jahren, von denen ich oben sprach, standen der Gewerkschaftsbewegung noch schwere Zeiten bevor. Die preußische Regierung, das heißt Bismarck, sah nicht nur in der sozialdemokratischen Partei, sondern auch in den Gewerkschaften einen Todfeind der Staats- und Gesellschaftsordnung. So fand er für nötig, gegen beide vorzugehen. Bismarcks Werkzeug war in erster Linie der Staatsanwalt Tessendorf, der sich schon in Magdeburg auf diesem Gebiet die Sporen verdient hatte. Er wurde 1874 nach Berlin berufen, um hier auf höherer Stufenleiter die in Magdeburg begonnene Verfolgung fortzusetzen. Tessendorf entsprach den in ihn gesetzten Erwartungen. Er erreichte durch seine Anklagen nicht nur die Unterdrückung der Parteiorganisationen, auch verschiedene Gewerkschaften fielen ihnen zum Opfer. Dann kam das Attentatsjahr 1878 mit dem Sozialistengesetz, und nun wurde mit einem Schlage zerstört, was in mehr als zehnjähriger Arbeit unter unendlichen Opfern an Zeit, Geld, Kraft und Gesundheit geschaffen worden war. Aber nicht für immer. Dem Drang der Entwicklung und den Bedürfnissen der Zeit kann auch die stärkste Gewalt auf die Dauer nicht widerstehen. Das mußte jetzt Bismarck zu seiner eigenen Überraschung erfahren.

Fußnoten

1 Das sollte besagen, der Gewerbeordnungsentwurf, der dem Norddeutschen Reichstag vorlag, sei noch nicht durchberaten und Gesetz geworden.


2 Hier machte Marx folgende Zwischenbemerkung: »In den Statuten der Internationalen Arbeiter-Assoziation figuriert auch ein Präsident der Assoziation. Er hatte jedoch in Wirklichkeit nie eine andere Funktion, als den Sitzungen des Generalrats zu präsidieren. Auf meinen Vorschlag schaffte man 1867 die Würde, die ich 1866 ausschlug, ganz ab und ersetzte sie durch einen Vorsitzenden, der in jeder Wochensitzung des Generalrats gewählt wird Der Londoner Trade Council hat ebenfalls nur einen Vorsitzenden. Sein stehender Beamter ist nur der Sekretär, weil dieser eine kontinuierliche Geschäftsfunktion verrichtet.«

So der »Diktator« der Internationale. Ich muß meinerseits konstatieren, daß Marx und Engels auch in ihrem Briefwechsel mit mir sich nie anders denn als Ratgebende gezeigt haben, und ihr Rat wurde von mir in mehreren sehr wichtigen Fällen nicht befolgt, weil ich mir aus der Lage der Dinge heraus die bessere Einsicht zuschrieb. Ernste Differenzen habe ich trotzdem nie mit ihnen gehabt. A.B.


Quelle:
Bebel, August: Aus meinem Leben. Band 1. Berlin 1946, S. 194.
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