Ordnung und Sauberkeit.

[30] Was das unentbehrlichste Gewürz, das Salz, für unsere Speisen ist, das sind die genannten Eigenschaften[30] für unsere Wohnung. Ohne sie wird die reichste unbehaglich, mit ihnen die einfachste ansprechend und nett. Ein gemalter oder eingelegter Tisch, auf dessen Staubüberzug man seinen Namen schreiben kann; ein Brüsseler Teppich, der die eingetrockneten Spuren schmutziger Füße trägt; eine Goldtapete, die fleckig und verstoßen ist; ein schief aufgezogenes Rouleau, eine zerrissene Spitzengardine – solche und ähnliche Dinge liefern den Beweis, daß das Hauswesen kein geordnetes ist.

Für eine Wohnung, wie wir sie beschrieben, wird ein Stubenmädchen gehalten werden müssen, welches diejenigen Räume, welche stets benutzt werden, täglich, die übrigen zweimal wöchentlich reinigt. Dieses Geschäft wird sehr erleichtert, wenn die Fußböden, wie dies in einfachen Häusern jetzt meist geschieht, dunkel angestrichen sind; man braucht dieselben dann, statt sie mit dem Besen zu reinigen, nur mit einem nassen Tuch jeden Morgen aufzuputzen, was der im Winter durch Heizung und Gas leicht zu trockenen Luft die so wünschenswerte Feuchtigkeit zuführt. (Zu diesem Zweck setze man auch Wasserverdampfschalen in die Oefen.) Parkettfußböden dagegen dürfen nie aufgewaschen werden, weil das Eichenholz durch das Wasser schwarz wird. Man reinigt sie mit Eisenspänen und wichst sie von Zeit zu Zeit mit einer dafür bereiteten Wichse, um ihren Glanz zu erhalten. Sind die Fußböden aber mit einem darauf befestigten Teppich bedeckt, so dienen zu ihrer Reinigung gebrauchte Theeblätter, die man, angefeuchtet, darauf streut und mittels eines Teppichbesens darüberhin reibt.

Lose Teppiche, sowie alle Polstermöbel müssen natürlich häufig ausgeklopft werden, sowohl um sie vom Staube zu säubern, als um jene ungebetenen Gäste, die Motten, fern zu halten.

Daß man in Schlafzimmern die Fenster womöglich[31] den ganzen Tag über offen stehen läßt, die Betten nicht einlegt, die Nachtkleider nicht in die dafür bestimmten Taschen steckt, bevor alle Teile derselben einige Stunden lang der Luft ausgesetzt gewesen; daß man die Waschtische und Nachtkommoden häufig auswäscht, überhaupt es in den Schlafzimmern nie an Luft und Wasser mangeln läßt – das versteht sich wohl von selbst. Uebler Geruch oder nur dumpfe Luft in Wohnungen machen dem Betreter derselben einen so unangenehmen Eindruck, daß alle Pracht ihn nicht verwischen kann.

Ebenso peinlich berührt Unordnung in den Zimmern, wie wir sie vorhin durch einige Beispiele illustriert haben; damit ist aber nicht gemeint, daß alle Möbel wie angewachsen an ihren Plätzen stehen, daß nie ein Buch, eine Handarbeit auf den Tischen liegen, daß Sofa und Stühle permanent in unschönen Kattunhüllen stecken sollen, welche nur bei feierlichen Gelegenheiten entfernt werden. Nein, mache man sich doch ja nicht zum Sklaven seiner Wohnung! Nichts ist peinlicher, als zu Menschen zu kommen, die in steter Angst sind, daß man ihnen etwas verderben könne. Gewiß sollen wir bei Besuchen auch in dieser Beziehung stets rücksichtsvoll sein, sollen uns hüten, einen Salon mit schmutzigen Füßen zu betreten (es ist zu bedauern, daß die gute Sitte der Ueberschuhe so sehr in Vergessenheit geraten ist!) oder uns mit nassen Kleidern, wohl gar ohne den durchnäßten Regenmantel abzulegen, auf einen Samtsessel zu setzen; im übrigen aber dürfen wir der Ansicht huldigen, daß die Möbel zur Benutzung da seien. Damen, welche mit angstvollem Blick jeden Schritt verfolgen, den wir in ihrem Salon thun, ob er nicht eine Spur auf dem Fußboden zurücklasse; die nervös zusammenfahren, wenn wir unser Sonnenschirmchen auf ein poliertes Möbel legen, und außer sich geraten, wenn wir so unglücklich waren, einen[32] Flecken auf ihr Tischtuch zu machen; bei denen wir, während wir uns mit ihnen unterhalten, im Geiste schon hören, wie sie, sobald wir den Rücken gewandt, ihr Mädchen herbeirufen, um schnell jede etwaige Spur unseres Daseins zu vertilgen – solche Personen, die also ihre Möbel über die Menschen stellen, beweisen dadurch eine Kleinlichkeit, die entschieden nicht zu den Attributen der guten Gesellschaft gehört. –

Haben wir uns jetzt genügend in unserer Wohnung umgesehen, so werfen wir noch einen Blick auf


Quelle:
Calm, Marie: Die Sitten der guten Gesellschaft. Stuttgart 1886, S. 30-33.
Lizenz:
Kategorien: