28) Der Schriftsteller.

[99] Wenn man die Gesellschaft unterrichteter Männer, der Schriftsteller im bessern Sinne des Wortes, aufsucht, so kann man dabei nur gewinnen.

Man fliehe die Gesellschaft schlechter Schriftsteller, wenn man die Langeweile fürchtet.

Man scheue den unverstandenen Schriftsteller oder Dichter wie die Pest, denn bei dergleichen eitlen oder ruhmsüchtigen Dummköpfen kann man nichts gewinnen.

Wer eitel genug ist, um Schriftsteller werden zu wollen, der muß viel Geld oder sehr viel Geist haben. Mit Hülfe des Geldes wird man indeß noch schneller, als mit Hülfe des Geistes, dahin gelangen, sich einen vortheilhaften Ruf zu erwerben.[99]

Mit Geld finden wir sehr leicht irgend einen armen Teufel, der Geist für uns hat; man läßt diesen dann für verschiedene Zeitschriften Artikel schreiben, unter die man seinen Namen setzt.

Für Geld kann man seine Schriften loben lassen. Es finden sich genug Leute, die dazu gern bereit sind, während es nur wenige giebt, die in ihrem Urtheil selbstständig sind, oder die es wagen, einem dreist ausgesprochenen Lobe entgegenzutreten, selbst wenn sie in ihrem Innern demselben nicht beistimmen können.

Mit Geld kann man allen Stimmführern der Literatur Diners geben und dann macht sich der Ruhm ganz wie von selbst; hat man ihn aber errungen, gleichviel, auf welche Weise, dann müßte man gewaltig wenig Verstand und Kenntnisse besitzen, wenn man es nicht verstände, ihn festzuhalten.

Wenn man als Schriftsteller kein Geld besitzt, sondern nur Geist, dann muß man zu intriguiren und zu schmeicheln verstehen, wenn man sich einen Namen erwerben will, der mit Auszeichnung genannt wird, und bei einiger Ausdauer, dann und wann auch allenfalls mit Unverschämtheit oder Grobheit gepaart, gelingt einem dieß gewiß in nicht gar langer Zeit.

Verbindet man aber Geist mit einem richtigen Urtheil, dann wird man – kein Schriftsteller.

Quelle:
Fresne, Baronesse de: Maximen der wahren Eleganz und Noblesse in Haus, Gesellschaft und Welt. Weimar 1859, S. 99-100.
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