Purgirkroton

[255] Purgirkroton, Croton Tiglium, L. [Rumpf, Amboin. 4. tab. 42.] mit eiförmigen, glatten, zugespitzten, sägeartig gezahnten Blättern, ein baumartiger Strauch auf den Moluckischen Inseln, auf Malabar und Zeylon einheimisch.

In jedem der drei Fächer der Samenkapseln liegt ein länglicht runder, etwas eckiger, auf der einen Seite bauchiger Samen (Purgirkörner, grana tiglii, tiglia, tilli), welcher, etwas größer als ein Rizinussamen, unter einer glatten, dünnen, dunkelgrauen Schale einen ölichten, in zwei Theile sich trennenden Kern enthält, welcher weit mehr als seine Schale, einen anfangs blos widrigen, allmählich aber äußerst anhaltend brennenden Geschmack von sich giebt, wovon, wenn man etwas zuviel gekauet hat, der Schlund entzündet zu werden scheint. Seine ungemeine, wie man meint, selbst die Koloquinte übertreffende Purgirkraft hat ihn mehr berüchtigt als berühmt gemacht. Die Alten haben zuweilen nicht nur einen ganzen Samen (abgeschält und ganz) auf die Gabe einnehmen lassen, sondern sogar bis zu drei Stücken, da doch starke Männer auf den Molucken schon von vier Körnern getödet worden sind.

Das aus den Samen gepreßte Oel (ol. expr. Gran. til.) hat schon zu einem Tropfen innerlich genommen den stärksten Mann purgirt, am besten unter einen Eßlöffel Mandelöl gemischt, und bei Würmern ließ man es bis zu zwölf Tropfen (unter eine Salbe gemischt) in die Gegend des Nabels einreiben, mit starkem Erfolge. Damals hat man in Erfahrung gebracht, daß das bloße Anriechen des Oeles schon purgirt, und weichte deshalb Zitronen oder Pomeranzen darin einen Monat ein, und[255] gab sie (mit Sandelholz bestreut) zum Riechen dem Kranken, da dann so oft Stuhlgang erfolgt sei, als man daran habe riechen lassen.

Wenn die Wirkung sehr stark ist, so pflegt auch Erbrechen zu erfolgen, ein Brennen bis zum After, und Anwandlungen von Ohnmacht.

Diese heftigen, jetzt wenig gebräuchlichen Mittel, würden aufhören bedenklich zu seyn, wenn man sie in gehörig gemäsigter Gabe zu verordnen verstanden hätte. Ein Gran war bei den Alten das kleinste medizinische Gewicht; sie verordneten lieber zu Skrupeln und Quentchen. Jetzt erst fängt man an, einzusehen, daß sich ein Gran eben so gut theilen läßt, als eine Unze. Wie genau ließe sich nicht dieser Samen, als Emulsion zur Auflösung gebracht, dergestalt einnehmen, daß der Arzt bestimmen könnte, ob der Kranke den zehnten oder den hundertsten Theil eines Granes bekommen sollte, bis zu einer so herabgestimmten Gabe, daß man sie allzu schwach zur Absicht finden würde. Ließe sich nicht das theure oft verfälschte, oft verdorbne Rizinusöl gegen frisches Mandelöl vertauschen, wenn eine gewisse Menge des obgedachten Oeles genau damit vermischt worden? Ließen sich dann die nöthigen Grade der Stärke des Purgiröls nicht durch diesen Zusatz nach Willkühr erhöhen und mindern? Doch dieß bleibt künftigen Zeiten aufbewahrt, aus den kräftigsten Substanzen die mildesten Wirkungen zu ziehen.

Im Bandwurme hat man diesen Samen mit Erfolg gegeben.

Das Holz dieses Baums, oder seiner Wurzel (Purgirholz Lignum Moluccense, Lignum Panava, Pavana) ist mit einer aschgrauen Rinde bedeckt, von schwammiger lockerer Textur, leicht, von blasser Farbe, von beißend brennendem Geschmacke, und ekelhaftem (bei dem noch hie und da anzutreffenden aber, unmerklichem) Geruche. Man gab das schon einige Zeit aufbewahrte vormals zum Purgiren bis zum Quentchen; in der Absicht, Schweiß zu erregen, aber zu zehn und zwanzig Gran, vermuthlich noch um das Dreifache zu große Gaben. Vorzüglich in der Wassersucht schätzte man ehedem seine abführende und schweißtreibende Wirkung. Etwas kaltes Wasser nachgetrunken, soll schnell seine Wirkungen hemmen und aufheben; Andre sagen Habergrütz- oder Reisbrühe.

Holz und Samen scheinen außer der purgirenden, noch andre Wirkungen in die Nerven zu verrathen, da man Fische und Vögel fast augenblicklich damit töden kann.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 1. Teil, Leipzig 1798, S. 255-256.
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