Wärmstube

[373] Wärmstube (Etuve, Stufa, Caldarium) ist eine der unentbehrlichsten Vorrichtungen in einer ansehnlichen Offizin. Man läßt im Unterstocke des Hauses auf platter Erde ein niedriges, nicht über acht Fuß hohes, etwa achtzehn Fuß langes und breites Zimmer inwendig mit Bretern austäfeln, sowohl die Wände (bis auf ein Paar Zoll vom Fußboden entfernt), als oben die Decke und verkleidet die Fugen mit Leisten; der Fußboden ist von Gyps oder Estrich gegossen. Dieß Zimmer hat am besten kein Fenster; die Arbeiten darin werden bei Lichte verrichtet, um jede Stelle im Zimmer zu vermeiden,[373] wo sich der feuchte Dampf anlegen und von oben herabrinnen könne, ausser am kalten Fußboden, wo sich alle Dünste verdichten. Hier wird die gesammelte Feuchtigkeit von Zeit zu Zeit mit Tüchern aufgetrocknet. Die Thüre ist niedrig und kaum sechs Fuß hoch. Um aber die zum Athemholen dienliche Luft zu erneuern, ist der zur Heitzung in der Mitte der Wärmstube stehende Ofen ein Windofen. Er wird in der Stube geheitzt am besten auf Rosten mit Torf, Steinkohlen, oder Braunkohlen. Die Feuerthüre ist ganz niedrig am Fußboden, der Ofen ist durchaus von gegossenem Eisen, sein Obertheil ist von der Decke des Zimmers etwa zwei Fuß entfernt, nicht über 18 Zoll breit, aber wenigstens 5 Fuß lang. Bei dieser Gestalt empfängt und giebt er die meiste Hitze. Auf der dem Heitzloche entgegengesetzten Seite geht die wagerechte Rauchröhre, etwa 18 Zoll höher als die Feuerthüre ist, durch die Wand des Zimmers in einen Kamin oder in eine Küche, oder besser, um allen Gegenzug zu vermeiden, in einem eignen, dicht verschlossenen Schorsteine hinaus, doch so, daß bei ihrem Ausgange durch die Wand die breterne Vertäfelung ringsum einen Fuß weit fehle und der Zwischenraum blos mit feuerfesten Steinen gemauert sei.

An den Wänden hin laufen hölzerne Gestelle, mit mehrern Unterschieden, auf welche, wenn Kräuter bei ungünstiger Witterung zu trocknen sind ( unter Trocknen) Rähmen (mit Netzgeflechte von Bindfaden überspannt) und hierauf die frischen Kräuter, Wurzeln oder Blumen gelegt werden, auf denen man sie fleisig umwendet. Eben so werden auf diese Gestelle, nach Hinwegnehmung der Trockenrähme, die flachen Näpfe von Steinzeug gesetzt, worin die durch allmähliche Abdampfung zu krystallisirenden Salzlaugen ( unter Krystallisation) sich befinden, oder die frischgepreßten Kräutersäfte, um sie zu den wirksamsten Dicksäften (ohne bei schlaffer Witterung verderben oder über unbehutsamen Feuer überhitzt und kraftlos werden zu können) allmählich einzudicken. Die sechs bis acht übereinander angebrachten Unterschiede, oder Fache der Gestelle verstatten viel Raum hiezu.

An den Gestellen hängen hie und da Thermometer, um den Grad der Hitze beobachten und stimmen zu können.

Zur Eindickung der Säfte, zur Trocknung der Wurzeln, und zu den meisten Abdampfungen der Salzlaugen (z.B. des Potaschessigsalzes) darf die Hitze nicht unter 100 Grad Fahr. seyn; zuträglicher ist es, sie auf und über 130 Grad zu erhöhen, eine Hitze, von der alle Gährungen aufgehalten werden. In dieser Hitze können selbst frische Thiersubstanzen getrocknet werden, ohne daß sie faulen; ein Vortheil der in der freien Luft nie zu erreichen ist.

Diese Hitze ist zugleich zur Abdampfung des Sirups aus dem Safte der Runkelrüben oder der Wurzeln des Weißmangolds, d.i. zur Körnung des Zuckers darin, nicht nur zuträglich, sondern auch unentbehrlich.[374]

Geistige Digestionen, wenn sie ja Wärme erfordern ( unter Tinktur), finden ebenfalls in der Wärmstube ihren Platz, so wie die Trocknung der Salzkrystallen, welche leicht an der Luft zerfließen.

Eben so ist hier der Ort zur Durchseihung dicklicher Flüssigkeiten, welche, durch die Wärme verdünnt, nun leichter durchs Filtrum gehen.

Die Thüre der Wärmstube muß ohne große Gewalt auf und zugemacht werden können; gewaltsames Zuwerfen der Thüre stört die Krystallisationen. Die Tücher zum Abtrocknen des gypsenen Fußbodens müssen oft mit trockenen gewechselt werden.

Da der Ofen im Innern der Stube geheizt wird, so kann, wenn der feuchte Dunst der Stube dem Athemholen nicht beschwerlich fällt, und der Zug des Ofens zu stark wäre, daß allzu viel kalte Luft (im Winter) durch die Fugen der Thüre hereingezogen würde, welche die gehörige Erhöhung des Wärmegrades verhinderte, in diesem Falle eine in die runde Oefnung der Feuerherdsthüre passende blecherne Röhre eingesteckt werden, deren anderes Ende durch eine Oefnung in die Wand ausgeht und von da die zur Unterhaltung des Feuers nöthige Luft unmittelbar einzieht, die nun nicht mehr die Temperatur der Stube abkühlen kann. Wo aber der Gesundheit schädliche Dünste sich verbreiten, darf diese Zugröhre nicht eingelegt werden, damit die freie Oefnung der Feuerherdsthüre des Ofens sie absorbiren könne, und sie so der Gesundheit des Arbeiters nicht nachtheilig werden. Im Sommer, wo starkwirkende Pflanzen getrocknet, oder ihre ausgepreßten Säfte verdickt werden sollen, darf man diese Röhre durchaus nicht anwenden.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 373-375.
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