§. [283] 274.

Da der wahre Heilkünstler bei ganz einfachen, einzeln und unvermischt angewendeten Arzneien schon findet, was er nur irgend wünschen kann: (künstliche Krankheitspotenzen, welche die natürlichen Krankheiten durch homöopathische Kraft vollständig zu überstimmen, auszulöschen und dauerhaft zu heilen vermögen,) so wird es ihm nach dem Weisheitsspruche: »dass, was durch Einfaches möglich ist, durch Vielfaches bewirken zu wollen, unrecht sey,« nie einfallen, je etwas anderes, als einen einzelnen, einfachen Arzneistoff als Heilmittel zu geben, auch schon desshalb nicht, weil, gesetzt auch, die einfachen Arzneien wären auf ihre reinen, eigenthümlichen Wirkungen im ungetrübten, gesunden Zustande des Menschen völlig ausgeprüft, es doch unmöglich vorauszusehen ist, wie sich zwei und mehre Arznei-Stoffe[283] in der Zusammensetzung einander in ihren Wirkungen auf den menschlichen Körper hindern und abändern möchten, und weil hingegen ein einfacher Arzneistoff bei seinem Gebrauche in Krankheiten, deren Symptomen-Inbegriff genau bekannt ist, schon vollständig und allein hilft, wenn er homöopathisch gewählt war, und selbst in dem schlimmsten Falle, dass er der Symptomen-Aehnlichkeit nicht ganz angemessen gewählt werden konnte, und also nicht hülfe, doch dadurch nützt, dass er die Heilmittel-Kenntniss befördert, indem durch die in solchem Falle von ihm erregten neuen Beschwerden diejenigen Symptome bestätigt werden, welche dieser Arzneistoff sonst schon in Versuchen am gesunden menschlichen Körper gezeigt hatte; ein Vortheil, der beim Gebrauche aller zusammengesetzten Mittel wegfällt141.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Organon der Heilkunst. Dresden, Leipzig 51833, S. 283-284.
Lizenz: