§. [155] 82.

Ob nun gleich die Heilkunst durch Entdeckung jener grossen Quelle der chronischen Krankheiten,[155] auch in Hinsicht der Auffindung der specifischern, homöopathischen Heilmittel, namentlich für die Psora,[156] der Natur der zu heilenden Mehrzahl von Krankheiten um einige Schritte näher gekommen ist, so bleibt doch zur Bildung der Indication bei jeder zu heilenden chronischen (psorischen) Krankheit für den homöopathischen Arzt die Pflicht sorgfältiger Auffassung der erforschbaren Symptome und Eigenheiten derselben so unerlässlich, als vor jener Erfindung, da keine ächte Heilung dieser, so wie der übrigen Krankheiten statt finden kann, ohne strenge Eigen-Behandlung (Individualisirung) jedes Krankheits-Falles – nur, dass bei dieser Erforschung einiger Unterschied zu beobachten ist, ob das Leiden eine acute und schnell entstandne Krankheit oder eine chronische sey, da bei den acuten die Haupt-Symptome schneller auffallen und den Sinnen erkennbar werden und daher weit kürzere Zeit zur Aufzeichnung des Krankheits-Bildes erforderlich, auch weit weniger dabei zu fragen ist74, da sich das Meiste von selbst darbietet, als bei den weit mühsamer aufzufindenden[157] Symptomen einer schon mehrere Jahre allmälig vorgeschrittenen, chronischen Krankheit.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Organon der Heilkunst. Dresden, Leipzig 51833, S. 155-158.
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