§. [173] 145.

Freilich kann nur ein sehr ansehnlicher Vorrath genau nach dieser, ihrer reinen Wirkungsart in Veränderung des Menschenbefindens gekannter Arzneien uns in den Stand setzen, für jeden der unendlich vielen Krankheitszustände in der Natur, für jedes Siechthum in der Welt, ein homöopathisches Heilmittel, ein passendes Analogon von künstlicher (heilender) Krankheitspotenz auszufinden107. Indessen bleiben auch[173] jetzt – Dank sei es der Wahrheit der Symptome und dem Reichthume an Krankheits-Elementen, welche jede der kräftigen Arzneisubstanzen in ihrer Einwirkung auf gesunde Körper schon jetzt hat beobachten lassen – doch nur wenige Krankheitsfälle übrig, für welche sich nicht unter den, nun schon auf ihre reine Wirkung geprüften108, ein ziemlich passendes homöopathisches Heilmittel antreffen ließe, was, ohne sonderliche Beschwerde, die Gesundheit sanft, sicher und dauerhaft wieder bringt – unendlich gewisser und sicherer, als nach allen allgemeinen und speciellen Therapien der bisherigen, allöopathischen Arzneikunst, mit ihren ungekannten, gemischten Mitteln, welche die chronischen Krankheiten nur verändern und verschlimmern, aber nicht heilen können, die Heilung der akuten aber eher verzögern, als befördern, oft sogar Lebensgefahr herbeiführen.


107

Anfangs (vor etwa 40 Jahren) war ich der einzige, der sich die Prüfung der reinen Arzneikräfte zum wichtigsten Geschäfte machte. Seitdem war ich von einigen jungen Männern, die an sich selbst Versuche machten, und deren Beobachtungen ich prüfend durchging, hierin unterstützt worden; nachgehends ist noch einiges Aechte dieser Art von wenigen Andern gethan worden. Was wird aber dann erst an Heilung im ganzen Umfange des unendlichen Krankheits-Gebietes ausgerichtet werden können, wenn mehre genaue und zuverlässige Beobachter sich um die Bereicherung dieser einzig ächten Arzneistoff-Lehre durch sorgfältige Selbstversuche verdient gemacht haben werden! Dann wird das Heilgeschäft den mathematischen Wissenschaften an Zuverlässigkeit nahe kommen.

108

Man sehe oben Anm. 2. zu §. 109.

Quelle:
Samuel Hahnemann: Organon der Heilkunst. Nach der handschriftlichen Neubearbeitung Hahnemanns für die 6. Auflage, Ulm 1958, S. 173-174.
Lizenz:
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Organon der Heilkunst (6. Auflage)
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Organon der Heilkunst & CD-ROM: Neufassung mit Systematik und Glossar von Josef M. Schmidt
Organon der Heilkunst - Aude sapere. Nach der handschriftlichen Neubearbeitung Hahnemanns für die 6. Auflage, herausgegeben und mit einem Vorwort von Richard Haehl.
Organon der Heilkunst.' Aude Sapere'
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