XXXIII. Die Jahre 1845 und 1846.

[351] Die sieben Wochen meines Aufenthaltes in Hainfeld verflossen mit dem Schreiben meiner Erinnerungen, Lesen, Spaziergängen und Fahrten, wie gewöhnlich.

Die ›Allgemeine Augsburger Zeitung‹, die ich regelmäßig mit großem Interesse las, hatte in der Einsamkeit des Landes doppelten Wert, der Bericht Neumanns über die erste Versammlung der Orientalisten, in welcher die Gründung einer Deutsch-Morgenländischen Gesellschaft beschlossen worden war, regte mich sehr auf. Ich beschloß bei meiner Rückkehr nach Wien dem Fürsten Metternich, dem Grafen Kolowrat und den Erzherzogen Karl und Ludwig davon zu sprechen und alles aufzubieten, damit Österreich daran teilnehme und der Sitz nach Wien verlegt werde. Ich fand rege Anteilnahme bei Erzherzog Karl und Graf Kolowrat, aber nicht den Willen, dafür etwas zu tun. Bei dieser Gelegenheit sprach ich auch wieder von der Akademie der Wissenschaften, hatte aber auch keinen Erfolg. Anlaß dazu gab mir die Festrede in der Berliner Akademie, in welcher auf Österreichs[351] Mangel einer Akademie geringschätzige Seitenblicke fielen. Ich nahm auch bei der Kaiserin-Witwe Audienz, der ich meine ›Zeitwarte des Gebetes‹ und Saleris Schriften über die Erziehungsanstalten Brescias brachte und bei der Gelegenheit die größten Wahrheiten unumwunden sagte. Die Audienz dauerte über eine halbe Stunde. Beim Obersten Kanzler, dem Grafen Inzaghi, und dem Hofkanzler, dem Freiherrn von Pillersdorf, brachte ich auch wieder die Akademie in Anregung und suchte diese beiden Herren zur Erstattung eines Vortrages um eine Allerhöchste Entschließung zu bewegen, durch welche die schon seit Jahren im Pulte des Fürsten Metternich verschlossenen Akademieakten zum Vorschein gebracht würden. Am 25. November sagte mir Endlicher, er sei zum Fürsten bestellt worden, ich hoffte schon, daß meine Schritte nicht wirkungslos geblieben seien. Später erzählte mir Endlicher, der wegen einer anderen Sache berufen worden war, daß Fürst Metternich, als er von der Akademie anfing, ihn mit der Antwort, er beschäftige sich eben damit, kurz abgefertigt habe.

Am Neujahrstage 1845 wollte ich den Fürsten Metternich persönlich um eine längere Audienz in betreff der in Deutschland neu zu gründenden Orientalischen Gesellschaft bitten. Nach der Aufwartung der Staatskanzlei und den gewöhnlichen Glückwünschen blieb ich zurück, um mit dem Fürsten noch ein paar Worte allein zu sprechen. Ottenfels war schon an der Türe, als er sah, wie ich mich dem Fürsten näherte, eilte er zurück und stellte sich zwischen dem Fürsten und mich. Da ich keine Ursache hatte, das, was ich wünschte, in seiner Gegenwart zu verhehlen, bat ich um eine längere Audienz, und der Fürst bestimmte die Mittagsstunde des nächsten Samstag. Er empfing mich sehr freundlich, ließ mich niedersetzen und begann, nachdem ich ihm die mir von Fleischer, Flügel und Wüstenfeld über die Gründung der Morgenländischen Gesellschaft in Deutschland geschriebenen Briefe vorgelegt, sogleich ein weitläufiges Gespräch, in dem er alleiniger Redner war. Er sagte, die Leute, welche die Gründung einer Morgenländischen Gesellschaft irgendwo anders als in Wien vorschlügen, wüßten nicht, was sie wollten. Sie verstünden das Praktische der Sache nicht. Ich[352] setzte alle Gründe auseinander, welche die Regierung bewegen müßten, der Morgenländischen Gesellschaft eine namhafte Unterstützung zuzuwenden, ihr einen Ort und die Staatsdruckerei zum Drucke der Zeitschriften und anderer Werke freizugeben, usw. Der Fürst erklärte sich mit allem einverstanden und trug mir auf, in diesem Sinne einen Vortrag aufzusetzen und vorzulegen. Ich fügte hinzu, daß Endlicher und ich uns als Abgeordnete zu der im Herbst stattfindenden Versammlung am besten eignen würden, vorderhand müsse freilich die Allerhöchste Genehmigung eines zu erstattenden Vortrages Geheimnis bleiben und erst die Versammlung dürfe damit überrascht werden. Es wäre aber zweckmäßig, die Gesandten in Dresden, München und Berlin und den Generalkonsul in Leipzig zu beauftragen, daß sie den großen Anteil, den Österreich an der Gründung nehme, den Orientalisten bekanntgeben. Auch dies fand der Fürst zweckmäßig und trug mir die Aufsätze dieser Weisungen auf.

Wir trennten uns in heiterster Stimmung, ich war vergnügt über das, was ich zur Unterstützung der Morgenländischen Gesellschaft und zur Ehre der österreichischen Regierung erreicht hatte, der Fürst darüber, daß er mich, was ich damals freilich nicht wußte, auf diese Weise dupiert hatte. Ich hatte damals noch keine Ahnung von seinem Verfahren, das er seit einiger Zeit eingeschlagen hatte, um sich lange Unterredungen über Gegenstände, die nicht in seiner Politik lagen, zu ersparen und die Bittsteller mit leeren Hoffnungen hinzuhalten. Er ging auch auf den Vorschlag ein, trug auf, einen Vortrag zu machen, den er vidierte, ins reine schreiben ließ und dann behielt, ohne ihn jemals zu erstatten. Ich machte also den Vortrag und die Weisungen an die Gesandten in Deutschland und sandte beide an den Fürsten.

Den neuen Kustos der Hofbibliothek, Freiherrn von Münch (als Dichter unter dem Namen Halm berühmt), kannte ich nicht, ging also zu ihm auf die Hofbibliothek und sprach die Hoffnung aus, daß er sich in Hinkunft ebenso für die Wissenschaften wie bisher für die Kunst interessieren werde. Ich bat ihn, sich den Bemühungen um ein Zustandekommen einer Akademie der Wissenschaften anzuschließen, seinen Oheim günstig dafür zu stimmen und zu einer Unterredung[353] mit Fürst Metternich zu bewegen. Er versprach es, setzte aber hinzu, daß er seinen Oheim der Sache nicht günstig glaube. Mehrere Wochen sah und hörte ich nichts von ihm, ich ging also wieder auf die Hofbibliothek und erfuhr, daß sein Oheim es nicht auf sich nehmen könne, für die Akademie zu sprechen, dies sei ein dem Fürsten mißliebiger Gegenstand.

Am 1. Januar 1845 schrieb ich an den Fürsten und legte ihm die Antwort Fallmerayers vor, dem ich über den Plan, die Morgenländische Gesellschaft nach Wien zu ziehen, geschrieben hatte. Gegen diese Verlegung nach Wien wurde der Anstand der Zensur geltend gemacht. Dies war der erste von sieben Briefen, die ich im Laufe von sieben Monaten an den Fürsten Metternich schrieb und auf die ich weder eine mündliche noch eine schriftliche Antwort bekam. Auch die Beilagen dieser Briefe bekam ich nie zurück. Das Schweigen auf den ersten dieser sieben Briefe ließ mich übles ahnen, sowohl über den Erfolg meiner Bemühungen wie über die Aufrichtigkeit des Fürsten. Nachdem schon der Erfolg meiner für die Orientalische Gesellschaft gemachten Schritte zweifelhaft war, fuhr ich fort, die Kenntnis orientalischer Literatur durch meine eigenen Arbeiten zu fördern. Ich arbeitete an der ›Geschichte arabischer Literatur‹, deren reichste und beste Quelle die Fihris und die Lebensbeschreibungen berühmter Männer von Ibn Chabikan.

Eines Tages wurde mir der Besuch Bauernfelds gemeldet, er kam zu mir, um eine Besprechung in Sachen der Zensur, welche bei mir einen der nächsten Abende stattfinden sollte, zu veranlassen. Ich erklärte mich dazu bereit, stellte aber die Bedingung, daß ich, da meine Wohnung für eine große Anzahl von Interessierten zu klein, nur solche Literaten oder wissenschaftliche Männer bitten brauche, die sonst zu mir gekommen oder gute Bekannte von mir waren.

Graf Auersperg (Anastasius Grün) besuchte mich und besprach mit mir den Vorschlag Bauernfelds, Zedlitz ließ ich durch meinen Sohn einladen, schriftlich lud ich ein: Endlicher, Jenull, Chmel, Arneth, Castelli, Frankl, Grillparzer, Deinhardstein, Gobbi, Feuchtersleben, Wolf, Krafft, Karajan, Münch, Hügel, Ettingshausen, Stubenrauch, Springer, Heidler, Hye, Neumann, Sommaruga, Löwenthal, Baumgartner,[354] Kraus, Fürst Fritz Schwarzenberg, Dr. Jonak und Pyrker. Springer, Deinhardstein, Arneth und Chmel sagten ab, ebenso Wolf und Kraus. Karl Hügel würde wohl auch abgesagt haben, wenn er nicht als Kundschafter des Fürsten Metternich geschickt worden wäre. Vierundzwanzig versammelten sich aber doch, es wurde viel hin und her gesprochen. Die Beschwerden gegen die Zensur waren zahllos, ich versuchte mit der Ansicht durchzudringen, daß unsere Bitte nicht auf Einzelheiten eingehen, sondern sich darauf beschränken möge, die drei Instanzen, welche in allen Verwaltungszweigen der österreichischen Behörden vorherrschen, auch auf die Zensurbehörde auszudehnen. Eine Äußerung des Grafen Kolowrat, der mit der Willkür des Grafen Sedlnitzky nicht einverstanden war, wurde erwähnt: ›Es sei nicht an der Zeit, ein Zensurkollegium zu verlangen, weil man damit den Pfaffen in die Hände spiele.‹ Nach langen Debatten wurde beschlossen, einem Ausschuß die Abfassung einer Schrift vorzutragen, die er dann den Versammelten zur Prüfung, Gutheißung und Unterschrift vorzulegen hätte. Bauernfeld übernahm die Verfassung; um die Sache vom Gesichtspunkte des Rechtes zu beurteilen, waren ihm Professor Stubenrauch und Hofrat Jenull beigegeben.

Meine Arbeit teilte sich nun in die Besprechungen wegen der Morgenländischen-Deutschen Gesellschaft und in die um die Sache der Zensur, ich arbeitete dabei fleißig an meiner Geschichte der arabischen Literatur weiter. Zwischen dem ersten Zensurtee bei mir und dem zweiten, bei welchem die Eingabe gutgeheißen werden sollte, lagen drei Wochen und in ihnen besuchte ich absichtlich die Abendgesellschaften häufiger als sonst und sprach mich überall, wo davon die Rede war, offen aus, in der Hoffnung, daß es der Polizei zu Ohren käme. Am 4. März kam Endlicher und verlangte, ich solle die ganzen Herren, welche die Zensureingabe zu unterschreiben zugesagt hatten – es waren über achtzig –, zu mir laden, ich erklärte ihm, daß mir dies aus Raummangel unmöglich sei, ich ließ mich aber herbei, einige, die sonst nicht in mein Haus kamen, einzuladen. Am Tage vor der Abendgesellschaft sprach ich mit Graf Kolowrat und Baron Pillersdorf wegen der Morgenländischen Gesellschaft und[355] zeigte ihnen einen diese betreffenden Brief meines Freundes Flügel und die ›Illustrierte Zeitung‹ vom 1. Februar, in der von der abzuhaltenden Versammlung der Orientalisten in Darmstadt die Rede war. Brief und Blatt sandte ich am folgenden Tage dem Fürsten Metternich. Am nächsten Tage fand die zweite Teegesellschaft statt, bei der insgesamt dreißig Personen erschienen.

Einige Anmerkungen ausgenommen, war die ganze Gesellschaft mit dem Entwurfe Bauernfelds und Stubenrauchs einverstanden, es handelte sich nur noch darum, wer außer den Anwesenden unterzeichnen sollte. Am nächsten Nachmittag ging ich mit Endlicher zu Jenull, wo auch Bauernfeld, Castelli, Stubenrauch und Hye, die unterzeichneten, da die gestrige Gesellschaft das letzte Wort über die Zulässigkeit der Unterschriften dem Ausschusse zu überlassen erklärt hatte.

Ich bekam die Nachricht, daß der Oberst-Kämmerer Graf Czernin gestorben sei und daß seine Stelle nun Graf Moriz Dietrichstein, der Obersthofmeister der Kaiserin und Präfekt der Hofbibliothek, bekommen dürfte. Diese Nachricht war für mich nächster und erster Anlaß, mich um die Präfektenstelle der Hofbibliothek zu bewerben. Seit nun vier Jahren habe ich Schritte getan, sie zu erhalten, nicht aus Ehrgeiz, sondern aus Überzeugung, daß keiner von allen Mitbewerbern besser geeignet sei, diesen Posten auszufüllen und die Arbeit des fehlenden Materienkataloges zu beginnen und zu leiten, als ich. Von Baron Münch, der nun Stellvertreter des Präfekten, war eine zweckmäßige Leitung nicht zu erwarten, er ist Poet und seine Amtsstunden sind ihm eine Last, entweder kommt er überhaupt nicht auf die Bibliothek, oder er geht um zwölf hinein und um zwei Uhr fort.

Drei Tage nach dem Tode des Grafen Czernin kam die Ernennung des Grafen Dietrichstein zum Oberstkämmerer heraus, ich wartete den Erzherzogen Ludwig und Franz Karl auf und stellte mich als Bewerber um die Präfektenstelle vor. Dasselbe teilte ich dem Grafen Kolowrat schriftlich mit. Es wäre mir nie in den Sinn gekommen, den Präfektengehalt von fünftausend Gulden und den als Hofrat zu kumulieren, ich hatte dies schon mündlich und in einer Bittschrift[356] erklärt, und die Ersparnisse, welche meine Ernennung mit sich bringen würde, geltend gemacht. Beim Fürsten Metternich spielte Ersparnis bei der Besetzung von Stellen keine Rolle, wohl aber beim Grafen Kolowrat und beim Erzherzog Ludwig. Ich schrieb an den Fürsten Metternich und beschränkte mich in diesem Briefe einzig auf die gerechten Ansprüche und bat ihn, da er selber mich immer für literarischen Dienst für fähiger gehalten habe als zum diplomatischen, um gerechte Auffassung und Unterstützung, die er mir doch, da ich seit fünfunddreißig Jahren sein Untergebener, nicht versagen würde. Am selben Abend teilte ich Endlicher meine gemachten Schritte mit, er nahm daran wärmeren Anteil, als ich ihm zugetraut, er hatte selbst unter Dietrichstein in der Hofbibliothek gedient und kannte ihren Zustand nur zu gut.

Ich übergab meine Bittschrift dem Erzherzog Ludwig in besonderer Audienz, der mich sehr gnädig empfing und versprach, meine Bitte zu berücksichtigen.1 Am nächsten Tage berichtete ich Graf Kolowrat über diese Audienz, er sagte mir, daß er schon mit dem Erzherzog gesprochen und dieser sich geäußert habe, die Stelle könne ganz gut ein paar Jahre unbesetzt bleiben. In der Äußerung Erzherzog Ludwigs liegt eine ganze Regierungsweisheit: Nichts tun, ab warten, Zeit gewinnen. Wären Fürst Metternich und Graf Kolowrat über das zu wählende Subjekt einig gewesen, so wäre der Präfekt sofort ernannt worden. Metternich wollte die Stelle seinem Schützling Hügel zuschanzen, Kolowrat vertrat die Ansicht, sie müsse einem Mann vom Fach verliehen werden, die hohe Aristokratie hielt nur einen Mann von hohem Adel würdig, auch wenn er nichts verstand, Graf Münch wollte den Platz für seinen Neffen offenhalten, und so fand es Erzherzog Ludwig am richtigsten, nichts zu tun.

Baron Kübeck versagte seine Unterstützung keinem großen und nützlichen Unternehmen, keinem, das zum Vorteil der Wissenschaft und zur Ehre Österreichs gereichte,[357] und so hoffte ich, bei ihm tätige Hilfe für die Orientalische Gesellschaft zu finden. Meine Hoffnung wurde nicht enttäuscht. Nachdem ich ihm alle Gründe auseinandergesetzt, versprach er, mit Fürst Metternich zu sprechen. Ich las ihm auch meine Bittschrift um die Präfektenstelle vor, der er vollen Beifall zollte, besonders wegen der darin in Aussicht gestellten Ersparnisse. Ein Hauptgrund, weshalb auch er dafür war, daß die Orientalische Gesellschaft ihren Sitz in Wien habe, war das schöne von ihm ins Leben gerufene Unternehmen, die Hofdruckerei, mit alten orientalischen Lettern auszustatten. ›Wenn die Morgenländische Gesellschaft nicht nach Wien kommt, können Exzellenz die morgenländischen Alphabete als altes Blei unter Dach oder in den Keller stellen‹, sagte ich. Baron Kübeck hielt sein Wort. Schon acht Tage später sandte er mir seinen Präsidialsekretär Freiherrn von Geringer, der mir mitteilte, daß Fürst Metternich der Sache nicht abgeneigt sei, Kübeck aufgefordert habe, ihm eine Note zu geben, die er als Unterlage zu einem Vortrag an den Kaiser brauche. Dies mißfiel mir und ich teilte Geringer meine Befürchtungen mit. Ich sah darin nur einen diplomatischen Winkelzug und hatte leider nicht Unrecht. Die verlangte Präsidialnote lief einige Tage später ab, aber es wurde kein Vortrag erstattet. Kurze Zeit darauf wurde in einem Artikel der ›Allgemeinen Augsburger Zeitung‹ Halle als künftiger Sitz der zu gründenden Morgenländischen Gesellschaft bezeichnet, und ich schrieb darüber abermals an den Fürsten, um ihn zur Erstattung des versprochenen Vortrages zu bewegen.

Endlicher kam einige Tage später gerade von einer Unterredung mit dem Fürsten Metternich, der ihn hatte holen lassen und ihm auch für mich einen Auftrag gegeben hatte, den er unverzüglich ausrichtete. Der Fürst hatte ihm aufgetragen, statt sich an die Morgenländische Gesellschaft in Deutschland anzuschließen, mit mir gemeinsam die Statuten einer Kaiserlich Asiatischen Gesellschaft auszuarbeiten. Ich hörte erstaunt zu und sagte: ›Was soll das heißen, wo finden wir Mitglieder? Wie kann diese Gesellschaft zustande kommen, das geht ja gar nicht!‹ Endlicher war vollkommen meiner Meinung, meinte aber, man solle den Auftrag vollziehen,[358] er sei der Anfang eines Unternehmens, aus dessen Nichtgelingen unbedingt die Akademie der Wissenschaften hervorgehen müsse. Dies sei um so sicherer, als der Fürst ihm gesagt hatte, er beschäftige sich nun schon seit achtundzwanzig Jahren mit dem Plan einer Akademie, der aber nun durch meine Eingabe um die Präfektenstelle durchkreuzt worden sei. Wenn dies nicht leeres Gerede war, so konnte es nur heißen, daß der Fürst mich zum Präsidenten der Akademie, Hügel zum Präfekten der Hofbibliothek ausersehen habe. ›Dies mag‹, sagte ich, ›in Metternichs Sinn und Absicht für meine Person wahr sein, aber ich sehe nicht ein, wie dadurch das Zustandekommen der Akademie behindert werden kann.‹ Endlicher sah es auch nicht ein, und wir kamen überein, den verlangten Statutenentwurf für eine Kaiserliche Asiatische Gesellschaft auszuarbeiten und besprachen die Grundlinien; ich versprach, Endlicher meinen Aufsatz schon am nächsten Tage zu senden. Endlicher schrieb seine Ideen nieder, und wir vereinigten beide Aufsätze und reichten sie dem Fürsten schon am zweiten Tage ein. Wir kamen überein, nicht zu Graf Kolowrat zu gehen, sondern die ganze Angelegenheit Metternich zu überlassen. Als ich von einem Spaziergang nach Hause kam, hörte ich, Pilat sei dagewesen. Da er sonst nie zu mir kam, war es mir offenbar, daß er Wichtiges mitzuteilen hatte, und ich eilte am nächsten Morgen zu ihm. Er vertraute mir, daß der Vortrag über unseren Antrag gestern vom Fürsten erstattet worden sei und daß man die Allerhöchste Entschließung in den nächsten Tagen erwarte.

Dieses wichtige, mir so sehr am Herzen liegende Geschäft erlaubte mir nicht, mich von Wien zu entfernen. Ich sah Pilat nun öfters, um über die Asiatische Gesellschaft weiteres zu erfahren. Die Abreise des Fürsten war für den 20. Juli bestimmt, dieser nahte heran, ohne daß eine Resolution erfolgt wäre, und da sahen Endlicher und ich endlich ein, daß uns Fürst Metternich abermals zum Narren gehalten und über unsere Ausarbeitung nie einen Vortrag erstattet habe.

Die Gesundheit meines jüngsten Sohnes bereitete mir große Sorgen, da er auf der Brust zu kränkeln begann. Der[359] Arzt von Gleichenberg verordnete ihm Gleichenberger Wasser, das ihm aber nur das Blut in den Kopf trieb, der Feldbacher Arzt behandelte die Sache als unbedeutend, als eine Entwicklung der Lunge, obwohl mein Sohn Blut auswarf.

In Hainfeld las ich in der ›Allgemeinen Zeitung‹ die Nachricht, daß Hurter in Rom am Tage seiner Bekehrung zum Katholizismus das Versprechen der Anstellung als österreichischer Historiograph mit Hofratscharakter erhalten habe. Diese Nachricht empörte mich und ich schrieb einen langen Brief an den Erzherzog Johann und forderte ihn als Verfechter von Recht und Wahrheit und als Vorstand des historischen Vereines von Steiermark und Kärnten dazu auf, gegen diese Absicht des Fürsten Metternich Stellung zu nehmen. Er antwortete mir ausweichend und lehnte die Zumutung ab.

Nach meiner Rückkehr nach Wien fand ein Ärztekonsilium statt, das mir die Lebensgefahr, in der sich mein Sohn Max befand, nicht verhehlte, nur waren sie über die Natur der Krankheit uneinig, der eine fand die Ursache in einem organischen, von der Mutter ererbten Fehler des Herzens, die anderen beiden vermuteten Tuberkeln in der Lunge. Der Beschluß war, daß Max, sobald das hohe Fieber vorüber war, nach Venedig gehen solle, meine beiden Töchter und Angelique, die Tante, sollten ihn begleiten. Am 16. November brachen sie auf, ich begleitete sie bis Wiener-Neustadt mit traurigen Vorgefühlen, aber nicht ohne Hoffnung auf die Wiederherstellung meines Sohnes.

Erst als der Tag der Abreise festgesetzt war, war es mir wieder möglich, auch an anderes als an den Kranken zu denken. Ich bat um eine Audienz beim Erzherzog Ludwig und wurde vorgelassen, ich sprach dem Erzherzog eindringlich über die Schmach, einem Fremden und dazu noch einem Konvertiten bloß aus diesem Grunde die Stelle eines österreichischen Historiographen zu verleihen. Wenn Hurter wirklich in der Schweiz diplomatische Dienste geleistet habe, so möge man ihn zum Hofrat machen, aber man könne ihm doch nicht den Titel eines Historiographen an den Kopf werfen, wo so viele Eingeborene, Chmel, Stülz, Palacky und[360] andere, viel würdiger wären. Der Erzherzog entgegnete bloß: ›Es ist noch nicht geschehen, aber im Werden.‹ Alles, was ich durch diese Vorstellungen ausrichtete, war, daß Hurter der einheimische Geschichtsforscher Chorherr Stülz von St. Florian als zweiter Historiograph beigegeben wurde. Vorher hatte es nie zwei Historiographen in Österreich gegeben. Eine noch größere Ungerechtigkeit war die Ernennung des Freiherrn Clemens von Hügel zum Direktor des Archives, und da dieser sich als unfähig erwies, wurde der verdiente Archivar Chmel zum Vizedirektor ernannt.

Von meinem Sohne Max kamen höchst beunruhigende Nachrichten, es war nun sicher, daß er Tuberkeln hatte – da er wieder Blut auswarf.

Anfang Dezember kam Endlicher zu mir und sprach mir von einer von Bergrat Haidinger angeregten Stiftung einer Gesellschaft der Naturforscher. Wir waren beide der Meinung, daß dieser einseitige Privatverein der Gründung einer Akademie nur hinderlich sein könne. Ich billigte vollkommen die Erklärung, die er bei der ersten Zusammenkunft gegen die Einseitigkeit dieses Unternehmens abgeben wollte. Vierzehn Tage später sagte er mir, er finde es an der Zeit, in Angelegenheit der Akademie neue Schritte zu tun.2 Ich war damit einverstanden, daß die noch lebenden Mitglieder und Unterzeichner der vor neun Jahren eingereichten Eingabe, drei davon, Jacquin, Buchholtz und Littrow, waren schon tot, durch andere drei, unter denen Endlicher sein müsse, ergänzt werden. Endlicher schlug Feuchtersleben und Karl Hügel vor, den letzteren Metternichs wegen. Gegen den ersten hatte ich nichts einzuwenden, um so mehr gegen Hügel. Wir konnten uns über Hügel nicht einigen, und Endlicher schlug vor, daß wir uns mit Feuchtersleben beraten sollten. Ich sah aber bald, daß Feuchtersleben von Endlicher für Hügel gewonnen worden war. Ich fügte mich unserer Verabredung gemäß und[361] wir besprachen eine vorläufige Unterredung in meiner Wohnung, au welcher Wolf, Arneth und ich von den alten Unterzeichnern, an neuen Mitgliedern Endlicher, Feuchtersleben, Bergmann und Grillparzer teilnehmen sollten. Einige der ersten Unterzeichner hatten sich schon an Haidingers Plan einer Gesellschaft der Naturforscher angeschlossen, in der Besprechung bei mir wurden also nur die Personen bestimmt, welche noch zu einer weiteren Besprechung zu Feuchtersleben eingeladen werden sollten. Man einigte sich auf Ettingshausen, Littrow, Karl Hügel, Münch. Am Christtage vereinigten sich in der Wohnung von Feuchtersleben Grillparzer, Hammer, Hügel, Littrow, Münch und Wolf. Baron Münch sagte mir: ›Nun weht ein ganz anderer Wind vom Ballhausplatz. Fürst Metternich, der bisher nie von der Akademie hören wollte, ist nun, wie mir mein Onkel diesen Morgen sagte, für eine solche sehr günstig gestimmt, da Hügel dazu geladen wurde. Er kandidierte ihn zum Präfekten der Hofbibliothek, und Erzherzog Ludwig hat erklärt, daß dieser Platz nur einem großen Herrn oder einem Gelehrten verliehen werden könne. Da Hügel keines von beiden, will er sich nun als Akademiker zum Gelehrten stempeln und macht vielleicht auch auf die Präsidentschaft Anspruch.‹ Wirklich benahm sich Hügel so, als ob er schon Präsident wäre, er nahm den Ehrenplatz auf dem Sopha ein und führte das Wort. Die Zahl der Akademiker, das Lokal und die Klasseneinteilung wurde besprochen. Im Sinne der seinerzeitigen Eingabe erklärte ich, die Akademie müsse eine österreichische sein und die Provinzen umfassen. Vierzig Mitglieder schienen mir genug, 20 in Wien und 20 aus den Provinzen. Baron Hügel sprach gegen 40 und schlug 60, dann gar 80 vor und diese in Wien allein ohne Provinzen. Ich wünschte den Herren Glück, die in Wien allein 80 Gelehrte finden wollten. Bei der Einteilung und Benennung der Klassen blieb ich ebenfalls auf dem seinerzeitigen Vorschlage, der mathematisch-naturhistorischen und der philologisch-geschichtlichen. Da sagte Hügel: ›Von Geschichte dürfen wir nicht sprechen, die ist von üblem Geruch.‹ Ich stand auf und sagte: ›Herr Baron erweisen denen einen üblen Dienst, in deren Geist und Sinn Sie dies[362] behaupten. Wie kann die Geschichte in Österreich verpönt sein, da die Regierung statt eines zwei Historiographen ernannte? Man hat bei dem ersten Vorschlage die Ausschließung der Philosophie getadelt, nun wollen Sie sogar die Geschichte ausschließen!‹ Kein einziges Mitglied nahm die Partei der Geschichte.

Münch machte den Vorschlag, statt Geschichte Geschichtswissenschaft zu sagen, Wolf schlug vor, Geschichtsforschung. In der langen und hitzigen Debatte blieb ich der einzige Verteidiger der Geschichte und bei der Abstimmung stimmte ich als einziger gegen Hügels Vorschlag. Ich sagte: ›Solange die Sache noch in Verhandlung, gelobe ich Ihnen, meine Herren, heiliges Stillschweigen über diese Sache, aber wenn die Akademie zustande kommt, dann werde ich der ganzen Welt das Unglaubliche erzählen, daß im Jahre 1845 von zwölf Männern der Wissenschaft elf sich für den Ausschluß der Geschichte aus einer Akademie der Wissenschaften erklärt haben.‹

In den letzten Dezembertagen fand eine neuerliche Sitzung bei Littrow statt, der als Nachfolger seines Vaters Direktor der Sternwarte war. Karl Hügel führte den Vorsitz an einem besonderen Tisch. Sonderbare und unpraktische Vorschläge kamen zur Sprache. Alle Meinungen vereinten sich dahin, daß die Sache ohne Metternichs Unterstützung nicht gelingen könne und daß man sich vor allem seiner Mitwirkung versichern müsse. Baron Hügel wurde ersucht, dem Fürsten darüber zu sprechen und um eine Audienz zur Übergabe einer aufzustellenden Schrift zu bitten. Er versprach es, betonte aber, keinen Zeitpunkt angeben zu können, da der Fürst durch die Anwesenheit des russischen Kaisers vollauf beschäftigt sei. Am 8. Januar 1846 fand die vierte Sitzung statt. Wieder führte Baron Hügel den Vorsitz. Bei der Besprechung der Akademiker brachte er den Archivar Kaltenbäck und Endlicher, zu meinem Erstaunen, den neuen Archivdirektor Klemens Hügel in Vorschlag.

Nun wurden die Abgeordneten gewählt, welche zum Erzherzog Ludwig, Fürst Metternich und Graf Kolowrat gehen sollten. Ich zweifelte nicht daran, daß ich dazu gewählt[363] würde und war unangenehmst überrascht, als ich nur die Stimme Arneths bekam. Bei der Debatte brachten mich doch noch einige in Vorschlag, und ich ergriff diese Gelegenheit, das Folgende zu sagen: ›Ich hatte geglaubt, daß mir meine neunjährigen Bemühungen um das Zustandekommen einer Akademie mehr als eine Stimme hätten verschaffen müssen, indessen würde ich, wenn mir auch die Mehrzahl das Vertrauen geschenkt hätte, diese Ehre aus zwei Gründen nicht angenommen haben. Ich kann eine Sache nicht vertreten, in der bei einer großen Anzahl von Akademikern die örtliche Beschränkung auf Wien beschlossen wurde. Zu einer Deputation muß eine persona grata gewählt werden, und die bin ich beim Fürsten Metternich nicht. Wenn ich also in die Deputation gewählt wäre, müßte ich fürchten, daß sie meinetwegen nicht empfangen würde, dem möchte ich weder mich noch die Deputation aussetzen.‹

Um der Sache willen verweigerte ich die Unterfertigung der Eingabe nicht. Nach Mitte Januar gingen Ettingshausen, Endlicher und Arneth als Abgeordnete zum Erzherzog Ludwig. Dieser sagte den Abgeordneten, er hoffe, die Akademie werde sich sogleich sehr mit Geschichte beschäftigen, er war durch Graf Kolowrat von der beabsichtigten Ausschließung der Geschichte informiert worden. Bei Graf Kolowrat erhielt die Deputation die unerwartete Antwort, die Regierung beschäftige sich mit der Frage einer Akademie der Wissenschaften und ihm sei das Referat übertragen worden. Am nächsten Sonntag bestätigte mir Graf Kolowrat diese Mitteilung.

Nun zweifelte ich nicht mehr am baldigen Zustandekommen der Akademie und wettete mit Dr. Gobbi und mit dem Fürsten Dietrichstein, daß noch in diesem Jahre die Errichtung der Akademie beschlossen werde. Freiherr von Pillersdorf teilte mir mit, daß Metternich nun ganz für die Akademie sei und daß Kübeck sich mit einer jährlichen Summe von vierzigtausend Gulden einverstanden erklärt habe. In der Konferenz sei beschlossen worden, meinem Vortrag gemäß das Handbillett am 19. April, dem Geburtstag des Kaisers, zu veröffentlichen. Später erfuhr ich, daß der von[364] Metternich gemachte Vorschlag, das Handbillett am Geburtstage des Kaisers herauszugeben, gefallen sei.

Mein Vorschlag, den Namenstag des Kaisers zum Geburtstage der Akademie zu machen, ging glücklich durch. Am 30. Mai morgens teilte mir ein Billett des Freiherrn von Pillersdorf mit, daß das Handbillett erflossen sei. Davon wurden auch Baumgartner und Endlicher amtlich verständigt und zu einer Zusammenkunft für den 2. Juni geladen. Ich übernahm es, die beiden zu verständigen und lud sie zu mir für den 1. Juni zu einer Besprechung. Am Pfingstsonntage besuchte ich Graf Kolowrat in Grünberg und sprach mit ihm über eine halbe Stunde allein über die wesentlichsten Punkte der Statuten und den Kurator. Die Statuten mußten der vereinigten Hofkanzlei vorgelegt werden und sollten am Dienstag mit Pillersdorf besprochen werden. Ob Erzherzog Johann die Stelle eines Kurators annehmen werde, war noch zweifelhaft. Ich brachte für den Fall, daß er es nicht täte, Pillersdorf in Vorschlag. ›Das wird er keinesfalls tun‹, sagte Graf Kolowrat. Wie groß war nicht nur mein, sondern auch Kolowrats Erstaunen, als das Handbillett vom 30. Mai 1846 in der ›Wiener Zeitung‹ am Pfingstmontag (1. Juni) erschien, obwohl Pillersdorf mir, Endlicher und Baumgartner wie auch Kolowrat das strengste Stillschweigen aufgetragen hatte.3 Baumgartner und ich besprachen an diesem Tage unsere Ansichten über die Statuten, und wir einigten uns bis auf den von mir vorgeschlagenen Punkt, daß die Akademie, da durch sie im vorigen Jahre die asiatische Gesellschaft nicht zustande gekommen, in den Statuten der philologischen Klasse die orientalische Literatur und die Herausgabe orientalischer Werke besonders berücksichtigen müsse. Ich schrieb deshalb noch vor der Zusammenkunft an den Fürsten Metternich einen Brief. In unserer Unterredung war Endlicher und Baumgartner mit dem von mir aufgestellten Grundsatze, daß beide[365] Klassen aus gleich viel Mitgliedern bestehen müßten, vollkommen einverstanden. Am nächsten Tage erklärte mir Endlicher auf dem Wege zu Pillersdorf, er habe sich die Sache reiflicher überlegt, die Klasse der Naturforscher müsse wenigstens um ein Drittel stärker sein als die der Philologen. Bei Pillersdorf fanden wir nicht nur Baumgartner, sondern auch Ettingshausen, er erklärte sich darüber beleidigt, daß er von mir keine Einladung zur Besprechung erhalten habe; ich entgegnete, daß ich die Absicht gehabt, ihn zu laden, daß aber Seine Exzellenz anderer Ansicht gewesen sei. Pillersdorf bestätigte, was ich sagte und gab zu, daß er Ettingshausen nur auf Zureden Baumgartners geladen habe.

Im Handbillett war nur von einer Wiener Akademie die Rede und die Wahl der als Akademiker Vorzuschlagenden keine große. Obwohl die Zahl der Philologen in Wien eine weit kleinere ist als die der Freunde der Naturwissenschaften, setzte ich doch außer mir zwei ausgezeichnete Orientalisten, den Professor Wenrich und den Scriptor Krafft, durch. Den Grundsatz der gleichen Mitgliederzahl in beiden Klassen konnte ich nicht durchbringen, ich hatte drei Naturforscher gegen mich und war allein in der Verteidigung der Interessen der Philologie. Ich hob diese Ungleichheit in der Zusammensetzung des beratenden Ausschusses hervor und erklärte, daß ich, da ich hier nicht durchdränge, meine Gründe anderen Ortes geltend machen müsse. Da sagte Pillersdorf: ›Ich glaube, meine Herren, Sie sollten sich das Wort geben, daß keiner von Ihnen separate Schritte macht.‹ Ich sah auf der Stelle die Tragweite dieses Vorschlages. Meine ganze verflossene Tätigkeit für die Akademie sollte durch mein eigenes Wort gelähmt werden. Ich weigerte mich lange, ließ mich aber doch schließlich überreden, weil ich Pillersdorf für unparteiisch hielt und ihn noch eines Besseren zu überzeugen hoffte. Nach der Sitzung sprach ich noch allein mit Pillersdorf wegen der Überzahl der Naturwissenschaftler und sagte ihm schließlich, ich wolle ihm meine Gründe schriftlich vorlegen. Am folgenden Tage diktierte ich einen Vortrag von sechs Seiten an Pillersdorf, in dem ich nochmals alle meine Gründe[366] für die Gleichheit der Klassen wiederholte und mit der Voraussetzung schloß, daß, wenn der Vortrag an die Hofkanzlei auch anders laute, der meine als Votum separatum ihm beigelegt werde. Trotzdem ging der Vortrag Ende der Pfingsttage ohne meine Beilage an die Hofkanzlei ab und ich hielt mich dadurch meines Wortes, keine separaten Schritte zu unternehmen, für entbunden, denn ich hatte es nur unter der Voraussetzung gegeben, daß meine Gründe auf amtlichem Wege zur Kenntnis der Konferenz gebracht würden. Am 17. Juni hatte ich Audienz beim Erzherzog Johann und traf dort Pillersdorf, den ich seit dem Pfingstdienstag nicht mehr gesehen hatte. Ich beschwerte mich bei ihm darüber, daß der Vortrag ohne mein Votum separatum abgegangen sei. Er entschuldigte sich damit, daß dieses zu spät gekommen sei. Ich nahm diese falsche Münze für gute und äußerte meine Befürchtung, daß der Erzherzog die Kuratorschaft nicht annehmen werde. Pillersdorf sagte, er sei hier, um ihn dazu zu bestimmen. Im Herausgehen flüsterte er mir zu: ›Die Audienz war kurz, und der Erzherzog sagte mir, er würde annehmen, wenn Fürst Metternich ihn darum ersuchte.‹

Kurz darauf hörte ich von Fürst Dietrichstein, der Erzherzog habe die Kuratorschaft der Akademie angenommen, vom Erzherzog selbst bekam ich keine Bestätigung dieser Nachricht, er reiste schon nach wenigen Tagen ab, ohne mir ein schriftliches oder mündliches Wort zu hinterlassen.

Im Befinden meines Sohnes war eine Besserung eingetreten, nur in den Frühlingsmonaten lauteten die Nachrichten immer düsterer und trauriger. Der Aufenthalt in Venedig war für die Sommermonate unmöglich und der Arzt hatte die Übersiedlung nach Meran vorgeschlagen, wo ich zugleich mit meinen Kindern eintreffen wollte.

Beim Erzherzog Ludwig und Graf Kolowrat machte ich alle meine Gründe für die gleiche Mitgliederanzahl beider Akademieklassen geltend und bewies ihnen, daß im anderen Falle die Vorschläge der philologischen Klasse immer überstimmt würden. Ich erklärte ihnen auch, daß ich[367] einer Akademie, in der diese Gleichheit nicht herrsche, nicht angehören könne.

Am letzten Juli schiffte ich mich auf dem Dampfboot in Nußdorf ein. Ich fuhr über Linz nach St. Florian und Ischl, wo ich viele Bekannte traf, von da über St. Wolfgang und Salzburg nach Gastein. Dort ging ich sogleich zu Erzherzog Johann, der mich zu Tisch behielt, von der Akademie aber kein Wort erwähnte. Ich sprach absichtlich nicht von der Akademie und wollte mich nach dem Essen empfehlen, er behielt mich zurück und begann nun ein akademisches Gespräch, aus dem ich erkannte, daß er nie über eine Akademie der Wissenschaften nachgedacht und von ihr gar keinen Begriff hatte. Schlechte Erfahrungen, die er bei seinen Vereinen gemacht, daß so vielen nur um den Namen eines Mitgliedes zu tun ist, ohne daß sie etwas arbeiten und leisten wollten, hatten ihn auf den Gedanken gebracht, daß die Mitglieder der Akademie nur auf drei Jahre ernannt werden sollten. Ich entgegnete ihm, daß dies eine Kommission, aber keine Akademie wäre. Er meinte, auch alle Kustoden der Provinzialmuseen müßten unbedingt Akademiker und der Präsident dürfe kein Wissenschaftler sein. Ich behauptete das Gegenteil und nannte Endlicher oder Ettingshausen, weil Fürst Metternich mir doch nie seine Stimme geben würde. Der Erzherzog meinte, Metternich habe Endlicher und Ettingshausen und wie er selbst auch alle Professoren im Magen. Fürst Metternich habe ihn gebeten, Kurator zu werden, und er habe sehr wider Willen zugesagt. Am nächsten Tag verabschiedete ich mich und der Erzherzog verlangte von mir, ihm meine Ansichten über eine Akademie schriftlich zu geben. Ich schrieb sogleich den Aufsatz und sandte ihn an den Erzherzog. Am nächsten Morgen verließ ich Gastein.

Ich fuhr über Taxenbach nach Kitzbühel, von da nach Schwaz, wo ich nach Tisch in das Stift Fiecht ging, das mir so viele wertvolle Beiträge zur Lebensbeschreibung Khlesls geliefert hatte. Ich besuchte auch den Wallfahrtsort St. Georgenberg, wo Khlesl so lange verhaftet war. In Innsbruck besuchte ich das neue Nationalmuseum, um das sich Graf Brandis so verdient gemacht, und besah Schloß Ambras.[368]

Am 14. August trat ich in Meran an das Krankenbett meines Sohnes. ›Moriturus te salutat‹, dachte ich bei seinem Anblick. Am nächsten Tage bestätigte dies mir der Arzt, der den Zustand für hoffnungslos erklärte. Noch stand Max täglich zum Essen auf und schlummerte den Rest des Tages im Lehnstuhl. In diesen traurigen drei Wochen erfrischte mich die Gesellschaft Professor Fallmerayers und des Marschalls Marmont, die beide sehr freundschaftlich zu mir waren.

Ein Studienfreund meines Sohnes, Herr von Rosenthal, kam an, um ein paar Tage mit ihm zu verbringen. Er entschloß sich, zu unserer aller Freude und Trost, zu bleiben, solange sein Freund noch lebte. Am 1. September weckte mich ein Gepolter im Zimmer über dem meinen. Mein Sohn hatte in den Armen seines Krankenwärters ausgeatmet. Ich bestellte auf dem Kirchhof zu Untermais Grab und Begräbnis. Am Rosalientage (4. September) fand das Begräbnis statt.

Ich blieb noch drei Tage nach dem Begräbnis in Meran, um dem zweiten Totenamt noch beizuwohnen. Fallmerayer begleitete mich auf Spaziergängen zu den schönsten und merkwürdigsten Schlössern, auch nach Schenna, das Erzherzog Johann für seinen Sohn, den Grafen von Meran, gekauft hatte. Am Tage nach Mariä Geburt verließ ich das für mich so unheilvolle Meran mit meinen Töchtern und ihrer Tante. Von Bozen aus fuhren diese nach Venedig, ich über Graz nach Hainfeld. Im Begriffe, in den Postwagen zu steigen, fühlte ich mich am Arm gefaßt, und vor mir stand mein Freund Sir Thomas Asland, der nach unserer Abreise in Meran angekommen und uns nachgejagt war. Seine Ankunft war eine große Wohltat für mich, er setzte sich zu mir und unsere Bedienten fuhren in seinem Wagen nach. Ohne seine Gesellschaft wäre mir der Weg allein unendlich schmerzlich gewesen, er war derselbe, den ich vor zwei Jahren mit Max auf der Rückreise von Italien gemacht hatte. Wir aßen in Bruneck, sahen unterwegs die geschmackvolle Kapelle in der neuen Franzensfeste und trafen am Abend in Lienz ein. Wir sprachen viel von vergangenen Zeiten, vom Wiener Kongreß, von der Gemsjagd[369] in Aflenz und dem Besuche in Brandhof. Asland kam als Abgeordneter der englischen Landwirtsgesellschaft zum Kongreß der deutschen Landwirte nach Graz und brachte dem Erzherzog das Diplom der englischen Gesellschaft mit. Der Erzherzog wollte ihn im Gasthaus unterbringen, nahm ihn aber doch in sein Haus auf. Ich wohnte magen- und nervenkrank im Wirtshaus. Der Kongreß der deutschen Landwirte dauerte eine Woche, während der ich krank das Zimmer hütete. Erst am letzten Tage fand ich die Kraft, zum Erzherzog zu gehen und ihm für seine Teilnahme an meinem Verluste zu danken. Sir Thomas begleitete mich nach Hainfeld und von da führte ich ihn auf die Riegersburg und nach Gleichenberg. Nach seiner Abreise kamen meine Töchter aus Venedig zurück, sie blieben nur kurz. Isabella nahm ihre Schwester Eveline nach Schwadorf mit, da sie nach den vielen Monaten am Krankenbette ihres Bruders Erholung für ihre Nerven brauchte. Ich suchte meinen Schmerz in der Lektüre Ciceros und Bayles und im Schreiben meiner Erinnerungen zu lindern. Nach Wien zurückgekehrt, warf ich mich wieder auf die Betreibung der endlichen Errichtung der Akademie.

Ich verfaßte einen Bericht an den Erzherzog Johann, den er mit einem Brief voll guten Rates beantwortete, ohne meine Bitte, durch seine Gegenwart das Zustandekommen der Statuten zu beschleunigen, zu berücksichtigen. Graf Kolowrat und Erzherzog Ludwig redeten sich mit seiner Abwesenheit aus. Sicher wären die Statuten noch in diesem Jahre gegeben worden, wenn er seinen Aufenthalt in Steiermark abgekürzt hätte.

1

Dieses Majestätsgesuch Hammers um Verleihung der Präfektenstelle an der Hofbibliothek wurde von Herrn Hofrat Doublier in den Akten des Obersthofmeisteramtes, die sich jetzt im Staatsarchiv befinden, gefunden und seine Abschrift in dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt. (B. 29.)

2

Die folgenden Mitteilungen Hammers ergänzen in vielen persönlichen Details die Darstellung bei Alf. Huber, Gesch. der Gründung und der Wirksamkeit der k. Akademie der Wissenschaften, S. 34 ff., der die Vorgänge von Beginn 1846 an auf Grund der Akten schildert und manches bringt, was bei Hammer fehlt.

3

Am gleichen Tage richtete Pillersdorf ein Schreiben an Hammer (und wohl auch an Baumgartner, Ettingshausen und Endlicher), in welchem er die Grundzüge eines Statuts der Akademie mitteilt und zu einer Besprechung am 2. Juni einladet (B. 30). Diese Grundzüge entsprechen den bis dahin festgelegten Vorschlägen, vgl. Huber a.a.O., S. 44, 46.

Quelle:
Hammer-Purgstall, Josef von: Erinnerungen aus meinem Leben. 1774–1852. Wien und Leipzig 1940, S. 370.
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