Hochmuth

[96] besitzen die Frauenzimmer selten – worauf könnten sie auch eigentlich hochmüthig seyn, da wahre Tugend immer mit Demuth verbunden ist, und die wenigen Eigenschaften, welche den Menschen hochmüthig machen, nicht oft bei Damen zu finden[96] sind – z.B. Ehrgeiz, Dummheit, oder Arroganz; sie können also nur aus Eitelkeit oder schiefer Erziehung hochmüthig werden.

Wird dem Kinde von Jugend auf vorgesagt, wie schön, wie lieb, wie klug es sey – warum sollte das Kind denen nicht glauben, die ihm etwas Angenehmes sagen? Wächst das Kind zur Jungfrau heran, so wird dieser von allen Seiten geschmeichelt, ihr Witz und Geist (besonders wenn sie hübsch und – reich ist) in erhabenen Phrasen, wohl gar in Gedichten gepriesen, ihr Talent zum Genie erhoben. Alles beeifert sich, sie glauben zu machen, daß niemand so schön, so geistreich sey, als sie selbst, und so saugt sich das Gift in die Tiefen des weiblichen Herzens ein und wird erst Eitelkeit, dann Hochmuth.

Daß doch die heutigen Courmacher bedenken wollten (denken – bedenken[97] ist aber leider ihre Sache durchaus nicht), wie so manches Mädchen durch ihre albernen Reden, die es so oft und von so Vielen wiederholt endlich gern glaubt, verdorben, wie seine süße Unbefangenheit durch dieselben zerstört, und das junge, unschuldige Herz hineingerissen wird in den leichtsinnigen Taumel der Eitelkeit, der Weltliebe, aus dem es gewöhnlich erst spät, fast immer zu spät, erwacht, um die Narren, die sein Gefühl für das wahre Gute und Schöne erstickt und dagegen Empfindungen eitler Weltlust erweckt haben, zu verwünschen! Hat ein Mädchen bei dem jetzigen Leben in der großen Welt nicht recht viel Verstand, so muß sie nothwendig entweder eitel auf ihre Schönheit, oder hochmüthig auf ihren Verstand werden.

Ein hochmüthiges Frauenzimmer lauert in Gesellschaft von jungen Leuten immer auf Schmeicheleien, – die Schöne ist[98] höchst verdrießlich, wenn ihre Erwartung getäuscht wird; besitzt sie wirklich irgend ein Talent, und findet dieß auch bei einer andern Dame, so ist sie sicher von Stunde an deren bittere Feindin. Lobst du diese, rühmst ihre Vorzüge – dann haßt sie unfehlbar auch dich.

Sie sitzt gewöhnlich mit angenommener Ruhe da, runzelt die Stirne, spielt die Geistreiche, lobt Niemand, tadelt Alle, und wird dann erst freundlich und gesprächig, ja bisweilen liebenswürdig, wenn du den rechten Punct getroffen, d.h. ihrem falschen Stolze gehuldigt hast; oder sie chikanirt ihre Untergebenen bis aufs Blut, würdigt sie selten eines andern als verachtenden Wortes, ihre Befehle werden durch Zeichen gegeben – sie ist unerträglich.

Kommt nun noch Adelstolz hinzu, dann ist regelmäßig Beschränktheit des Geistes die Basis ihres Betragens. Einem bürgerlichen[99] Gruße nur zu danken – welche Leutseligkeit! einem Bürgerlichen Antwort zu geben, welche enorme Herablassung!

»Fi donc! denken sie sich, ma chère! die von A. hat gestern mit dem B. (nicht von) getanzt! wie sich die Leute vergessen! der Baron von C. hat mit der abgeschmackten Rathstochter im Concert gesprochen, ich habe es selbst zu meinem größten Entsetzen gesehen, er hat der Person die Hand gedrückt, ohne die Noblesse eines Blicks zu würdigen! und das impertinente Frauenzimmer gerieth nicht einmal in besonderes Entzücken – sie that, als fühle sie die Gnade nicht!«

Ein adeliger Pinsel gilt ihr ungleich mehr, als der feinste, kenntnißreichste Mann ohne Ahnen; es ist schon sehr viel, wenn sie den letzteren nur bemerkt – spricht sie aber ja ein Paar Worte mit ihm, so ist sie auch fest überzeugt, daß[100] der Glückliche die Wonne in 8 Tagen nicht verarbeiten kann, und die große Ehre ewig im bürgerlichen Herzen fühlen (ich weiß zwar nicht, ob bei ihr die Bürgerlichen auch fühlen dürfen!) und zwar mit entzückender Erinnerung fühlen wird! –

Dergleichen Originale finden sich sehr häufig, und bereiten dem ruhigen Bemerker oft ganz herrliche, wahrhaft komische Scenen.

Man thut aber jederzeit am Klügsten, wenn man diese Verschrobenheit gar' nicht beachtet, die lächerlichen Prätensionen einer hochmüthigen Dame nicht zu fühlen scheint, sie aber außerdem ihren Gang ruhig gehen läßt.

Nachgeben, demüthige Huldigung, verdirbt sie nur noch mehr, man betrage sich daher gegen sie genau so, wie gegen jede Andere in ihren Verhältnissen.

Wollte aber ein junger Mann den Hochmuth[101] – Hochmuth nennen, wollte er ihr durch Spott den Fehler zeigen, so würde es ihm zwar für den Augenblick Freude machen, die Schöne zu demüthigen, er würde es aber in der Folge gewiß bereuen, indem sie es ihm nie vergeben könnte – ich rathe diesem daher zur Vorsicht und Bescheidenheit, denn mit dem Zorne eines Frauenzimmers ist gar nicht zu scherzen!

Wie man auf die Dankbarkeit einer Dame, der geleistete Dienst mag wichtig oder gering seyn, nie rechnen mag und soll, so würde man dieß bei derjenigen, in deren Herzen der Hochmuthsteufel präsidirt, auf jeden Fall vergeblich thun – es geschieht ja alles in der Welt nur um ihrentwillen! Sie verdient es ja, daß sich Jeder für sie willig aufopfert, was ist da noch zu danken?

Lobst du die Hochmüthige eines witzigen Einfalls wegen, erkennst du gern und[102] mit Vergnügen ihre guten Eigenschaften an, so ist ihr damit keineswegs gedient, sie verlangt auch Lobpreisungen der Talente, welche sie nicht besitzt, und wehe dir, wenn du ihre kreischende, mißtönende Stimme nicht für Engelharmonie, ihre Farbenklekserei nicht für ein Gebilde Raphaels, oder ihren schwerfälligen Tanz nicht für Terpsichorens leichtes Schweben erklärst – wofür bist du denn da, wofür gönnt sie dir die Wonne ihres Anblicks, wenn du nicht einmal ihre Verdienste anerkennen willst?

Darum soll sich aber dennoch ein junger Mann nicht zur Lobhudelei herablassen, um ihren Beifall zu erringen; Ruhe, Selbstvertrauen und kalte Wahrheit spreche jedes seiner Worte aus – die auf ihren ererbten Adel Hochmüthigen meide er so viel als möglich, und er wird sich manchen Aerger ersparen.

Jetzt komme ich zu einem Artikel, welchen[103] würdig zu schildern auch die geübteste Feder nicht fähig wäre, indem die Nuançen darin ins unendliche gehen – es ist die


Quelle:
Hoffmann, Karl August Heinrich: Unentbehrliches Galanterie-Büchlein für angehende Elegants. Mannheim 2[1827], S. 96-104.
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