Fünfzehntes Kapitel

Auf der Reise.

[68] Eine Dame, die allein reist, soll nicht in einem Rauchabteil fahren.

Herren, die mit Damen in einem Abteil fahren, müssen diesen beim Einsteigen, beim Fortlegen des Handgepäckes behilflich sein, ihnen gewünschte Erfrischungen auf den Zwischenstationen zureichen, überhaupt in jeder Weise zuvorkommend und höflich sein.

Ist zufällig eine leidende Person im Abteil, so gebietet der Takt den Mitreisenden, soviel wie möglich Rücksicht auf diese zu nehmen bezüglich Öffnen und Schließen der Fenster, Überlassen der bequemeren Plätze usw.

Ist das Abteil völlig besetzt, so soll man sich nicht zu breit machen.

Merkt man, daß einem Mitreisenden eine Unterhaltung nicht angenehm ist, so schweige man.

Reist man mit Kindern, so versuche man ein Extraabteil zu bekommen.[68]

Ist dies unmöglich, so vermeide man Belästigungen der Mitreisenden durch die Kinder.

Scharfe Essenzen im Abteil in Anwendung zu bringen, ist rücksichtslos gegen die übrigen Mitreisenden.

Ein Herr soll eine ihm unbekannte Dame im Abteil nicht durch Blicke und sonstige Annäherungen belästigen.

Man hüte sich, im Eisenbahnzuge mit Fremden allzu schnell Bekanntschaft anzuknüpfen.

Geschäftsreisende mögen unterwegs, wenn sie nicht ganz unter sich sind, nicht zuviel von ihren Angelegenheiten ausplaudern.

Damen sollen auf der Reise ihre Ansprüche an Bequemlichkeit nicht in launenhafter Weise geltend machen.

Es ist gegen den guten Ton, unterwegs fortwährend zu essen.

Man soll seinen Mitreisenden von seinen Reiseeßvorräten nur anbieten, wenn vorher eine lebhaftere Anknüpfung stattgefunden hat und nach einmaliger Ablehnung keinen zweiten diesbezüglichen Versuch machen.

Man soll keinem der Mitreisenden anbieten, aus dem Glase zu trinken, welches man bereits benutzte.[69]

Man soll bei der Wahl seines Reiseproviants derartig vorsichtig sein, daß ein diesbezüglicher Geruch nicht die Luft auf unangenehme Weise zu beeinträchtigen imstande ist, wie scharfe Käsegerüche usw.[70]

Quelle:
Kallmann, Emma: Der gute Ton. Berlin 1926, S. 68-71.
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