4.

[8] Das Erste, was mir die Erinnerung von meiner Kindheit zurückgiebt, ist ein Weihnachten; ich war im dritten Jahre. Ganz unbekannt mit diesem, wie mit jedem Feste, kam es mir wunderbar vor, wie mein Vater den früh abgeräumten Tisch mit Kerzen besetzte. Ein kleiner Stuhl stand auf diesem großen Tische, und neben ihm lag eine flimmernde Dute mit Zuckerwerk. Mein Vater hob mich auf den Arm und sagte: Sieh, Karoline, das ist dein kleiner Stuhl, darauf sollst du künftig neben mir sitzen, den hat dir der heilige Christ beschert. Nun setzte er mich auf den Stuhl, und ich flatterte wieder in seine Arme und küßte ihn. Von dem Zuckerwerke aß ich auch, aber süßer als dieses war mir die Vorstellung, daß ein schöner heiliger Christ wäre, der am[9] Weihnachtsabend den Kindern beschert, und ich hätte ihn gern gesehen.

Quelle:
[Klencke, Karoline von]: Leben und Romantische Dichtungen der Tochter der Karschin. Als Denkmal kindlicher Liebe herausgegeben von Helmina, Frankfurt a. M. 1805, S. 8-10.
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