Was ist Flirt?

[146] »Ein Spiel mit dem Feuer« wäre vielleicht die geeignetste Er klärung, wenn sie nicht zu hochtrabend für die schon viel nüchterner denkenden Mitbrüder und -schwestern klänge. Der Engländer sagt einfacher »attention without intention«, das heißt »Annäherung ohne Absichten«, womit er aber eine gewisse Naivität an den Tag legt.


Was ist Flirt

Es wäre sinnlos, leugnen zu wollen, daß bei der Annäherung zweier meist junger, meist nicht häßlicher und lebenslustiger Menschen »Absichten« vorhanden sind. Der »Flirt« von einst hatte nicht den Mut zu dem Bekenntnis, der »Flirt« von heute sieht den Tatsachen offen ins Auge, ist konsequent oder inkonsequent – aber kennt nicht mehr dieses ewige Schwanken, das nervöse Hin und Her, übertriebene Hemmungslosigkeit oder zaghaftes Zurück ...

Seitdem über die Geschichte der Sitten eine jähe Reaktion einbrach, seitdem »Alleinausgehen« jungen Mädchen gestattet, eine[146] Autofahrt zu zweit auch an der »Nachtordnung« ist, gemeinsame Kino- und Theaterbesuche nicht mehr als »shocking« gelten, Familienbäder und Tanzlokale »gesellschaftsfähig« geworden sind – ja, seitdem sind der Jugend viele ihrer, früher heimlich – und mit einem gewissen Gruseln ausgeübten Sensationen geraubt worden; sie dürfen soviel tun, daß sie schwerlich in einen falschen Überschwang der Gefühle geraten werden, der ehemals oft von Übel war!

Der Flirt ist erlaubt! Der junge Mann braucht nicht mehr auf »Hintertreppen« Stelldicheins erflehen, er kann am Telephon mit dem »gnädigen Fräulein« sprechen und seinen Gefühlen Worte verleihen. Er darf zur Bridge-Partie kommen, darf mit ihr zum Fußballmatch fahren, ja, er darf sogar vielleicht zu »weekend« in seinem Vierzylinderkabriolett die Tochter des Hauses zu Freunden aufs Land entführen. Ja, was darf er nicht alles, und wenn man jetzt nach alledem nur von ihm verlangt, daß er wohlerzogen und diskret ist, so ist das wirklich nicht zuviel!

Der Flirt von heute, soviel er auch angegriffen und soviel auch gegen ihn gewettert wird, ist der Weg zu besseren Ehen! Lieber ein Vierteljahr unglücklich als ein ganzes Menschenalter, und besser einmal vier Wochen zur Probe allein – als gebunden für immer! Die jungen Menschen lernen sich schneller und besser kennen als früher, sie haben nicht die Möglichkeit, sich wochenlang voreinander zu verstellen; weder beim Sport, bei der Arbeit oder beim Bummeln ist das auf die Dauer möglich. Sie können aneinander feilen, sehen, mit was sie sich abfinden würden, oder erkennen, was sie immer wieder abstoßen muß. Sie können Ausgleiche schaffen oder – sich freundschaftlich trennen, wenn sie erkannt haben, daß nur ein äußerer Reiz sie vorübergehend fesselte.

In alledem liegt eine bessere Moral als in einer mit verbundenen Augen, unwissend eingegangenen Heirat, die einen weit größeren Hasard als der »grüne Tisch« darstellen muß!

»Flirt« ist ein Prüfstein, der weder für Minderjährige noch für abgeklärte Weise in Betracht kommt, der manchmal aber auch als Zeitvertreib betrieben wird, wobei man ihn bestenfalls mit dem Ausspruch definieren kann: »Flirt ist: wenn einer einem etwas einredet und der Betreffende hat gerad' nichts Besseres vor!«[147]

Quelle:
Reznicek, Paula von / Reznicek, Burghard von: Der vollendete Adam. Stuttgart 1928, S. 146-148.
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