Der Stimmungsmacher.

[101] Sie blicken erstaunt auf: »Stimmungsmacher – das ist aber nicht sein, das habe ich nicht nötig!« Doch haben Sie ihn nötig, gnädige Frau, und er ist sogar sehr fein. Früher vielleicht, zugegeben, da war er eine Art Bastard, der sich erst nach und nach ummodelte. Aber jetzt – nicht zum Wiedererkennen: ein Fürstenkind. In jedem Format, wie Sie ihn wünschen, klein, groß, elektrisch, zum Ankurbeln, zum An- und Abstellen mit der Hand, ganz diskret, nach Wunsch laut und überall verständlich. Aber was rede ich da, Sie haben ihn längst im Haus, benutzen ihn fast täglich, kommen ohne ihn nicht mehr aus, ich schwöre es Ihnen, Sie geben mir recht, denn es handelt sich um: das Grammophon!

Eigentlich ist es genug gesagt. Wir wissen das alle, seine Macht hat sich gesteigert. Ehemals löste er aus sanften Träumen, heute kann er in solche wiegen oder wunschgemäß auch anders wirken, denn er ist ja so vielseitig. Die prickelndsten Blacks und Jazzes, die blendendsten Niggersongs, die aufregendsten Bostons und Pasodoubles, die unwahrscheinlichsten Tangos und die zärtlichsten Lieder –

Natürlich alles zu seiner Zeit. Nach dem Souper im Wohnzimmer, ohne daß man es ahnt – hurra, man kann tanzen! Im Paddelboot, am Strand, in viertausend Meter Höhe in der Schutzhütte, im Eisenbahnabteil, bei der Siesta im Wald, beim Picknick, ja sogar im Flugzeug einbildungsweise – überall wirkt die vermittelnde Musik anders, deutlich, eindrucksvoll.

Je nüchterner der Tag – je stärker die Sensibilität der Töne. Deshalb – ich will es gar nicht wiederholen, Sie wissen ja selbst, gnädige Frau: »Der Stimmungsmacher!«[101]


Der Stimmungsmacher

Quelle:
Reznicek, Paula von: Auferstehung der Dame. Stuttgart 7[o.J.], S. 101-102.
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