Gespräch zwischen X. und Y.

[198] X.: Sie scheinen mir bewegt. Wo kommen Sie denn her?

Y.: Die Kirche sahe mich in ihren heil'gen Wänden!

X.: Die Predigt war gewiß von guten Lehren schwer.

Es scheint, als wenn Sie viel empfänden.

Wer predigte? Den Eindruck seiner Lehren

Wird noch die Wiederholung mehren.

Ich bitte Sie darum.

Y.: Verzeihen Sie, ich muß gehn.

X.: O bleiben Sie![198]

Y.: Die Wahrheit zu gestehn

Ich sah die Messe jetzt. Der heilige Gebrauch

Ist Ihnen ja bekannt. Ach! – – –

X.: Und so kann sie auch

Wie Katholiken so die Lutheraner rühren.

Wer hätte das gedacht? Man wird Ihr Herz entführen.

Bewahren Sie es doch ja unsrer Lehre treu.

Y.: Schon längstens ist es nicht mehr frei.

X.: Was hör ich, Himmel! Wie? Verführt?

Y.: Verstehn Sie mich,

Die Ketzer lieb ich nicht. Nur schöne Ketzerinnen,

O schickte die der Papst. Sie würden sich

Die ganze Welt gewinnen.

Die liebenswürdige Zauberin,

Die bald die Herzen stimmt für mitleidsvolle Zähren,

Bald für die Zärtlichkeit, bald für der Tugend Lehren,

Zog heute mich zur Messe hin.

Ich sah sie nicht nach zweien langen Tagen!

Urteilen Sie nun selbst! Das war nicht zu ertragen.

Wahr ist es, Ehrfurcht flößt sie meinem Herzen ein.

Das kleine Zimmer schien mir Peterskirch' zu sein,

Der Priester selbst ein Papst. Nur ihre Grausamkeit –

X.: Ist das, was mich erfreut!

Zum Neubekehrten scheint sonst wenig nur zu fehlen.

Y.: Ja, wollte sie mich nur zu ihrem Pater wählen?1

Nach dem Fest gingen die Komödien in dem Konzertsaal an, und nach dem Neujahr 1765 wurden die Einnahmen von Tag zu Tag immer schlechter. Den Herren fehlte das Parterre und sollten nun für ihre Mark oder halben Gulden hinter die Gulden stehen, das war ihnen nicht gelegen. Immer hatte ich Ackermann das beste Glück gewünscht und alles, was bei mir stand, mit beigetragen. Aber nun – ich gestehe es aufrichtig, denn meine Absicht ist es gewiß nicht, mich besser zu machen, als ich war – ich freute mich, und oft kam ich wie im Triumphe nach Hause und sagte: »Mama,[199] heute war's wieder leer.« Mit jeder schlechten Einnahme wuchs meine Hoffnung, Hamburg bald verlassen zu können. Meinem Bruder gefiel es schon besser; der hatte Bekanntschaften die Menge.

1

Noch viele Gedichte wird man finden in einem Foliobuch von meiner Hand abgeschrieben.

Quelle:
Schulze-Kummerfeld, Karoline: Lebenserinnerungen. Berlin 1915, S. 198-200.
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