153.

[124] Es ist eine nöthige Vorsicht, wenn man sich diesen Reiz zu eigen machen will, daß man diese unschädlichen Freimüthigkeiten immer mehr über sich, als über andere ausläßt. Am besten können Sie dies, wenn Sie Fehler an sich rügen, die Ihnen im Ganzen und nach Aller Anerkennung geradezu entgegen stehen. Gestehen Sie z.B. als bekannter solider junger Mann, an dem man keine tabelhafte Eitelkeit sieht, einige Eitelkeit; wären Sie als klüger junger Mann überall bekannt, so könnten Sie, ohne sich von Ihrem Werthe etwas zu vergeben, schon einmal einige Schwächen Ihres Verstandes anführen und sich gleichsam über sich selbst lustig machen; so wie der bekannte ernste und immer thätige Geschäftsmann, eine kindische Nachläßigkeit an sich bespötteln; der Mann von seinem Tone, Verstoße gegen die Diskretion an sich persifliren, der Solide seine Stekkenpferde der Gesellschaft vormahlen u.s.w.

Quelle:
Siede, Johann Christian: Versuch eines Leitfadens für Anstand, Solidität, Würde und männliche Schönheit. Dessau 1797, S. 124.
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