69.

[80] Machen Sie genau über Ihren Ton; man beleidigt oft damit mehr, als mit den beleidigendsten Worten, und man beleidigt eben so oft damit unschuldig; denn oft ist der Ton unserm Herzen und unserer Meinung gerade entgegen, und es giebt hier eben sowohl wie bei der Miene, sehr üble Angewohnheiten. Der Ton manches Menschen klingt gleichgültig, kalt, spöttisch, ohne daß sein Herz diese Fehler hat, die vielmehr von seinen Grundsätzen gar nicht gebilligt werden; der Ton klingt oft stolz, an dem bescheidnen, zu frei an dem guten, natürlichen Mädchen, unempfindlich an der Lebhaften, kalt an dem Gefühlvollen, bitter an dem Ernsten, komisch und raillirend bei den ernsthaftesten Sachen, nekkend und beleidigend, wo man nichts weniger, als nekken und beleidigen wollte; imposant und prätensionsvoll, wo man beides nicht ausdrükken wollte.

Quelle:
Siede, Johann Christian: Versuch eines Leitfadens für Anstand, Solidität, Würde und männliche Schönheit. Dessau 1797, S. 80-81.
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