II. Galatafeln, d.h. Tafeln mit Pagendienst.

[12] Die Galatafeln unterscheiden sich von den Ceremonientafeln dadurch, dass an ersteren ausser den Allerhöchsten und den Höchsten Herrschaften auch andere Personen, insbesondere die General-Feldmarschälle und die ihnen im Range gleichstehenden Personen, die Häupter der fürstlichen und der ehemals reichsständischen gräflichen Familien, die Minister, die Generalität, die Wirklichen Geheimen Räthe, vornehme Fremde, die Königlichen und die Prinzlichen Hofstaaten etc. Platz nehmen, und[12] dass bei Ihren Königlichen Majestäten und den Prinzen und Prinzessinnen aus regierenden Häusern Pagen1 den Dienst des Servirens verrichten.

Beispiele solcher Gala-Tafeln sind die alljährlich wiederkehrenden Tafeln am Tage des Krönungs- und Ordensfestes, die Tafeln zur Feier der Anwesenheit Allerhöchster und Höchster Herrschaften, die Tafeln, welche aus Veranlassung von Vermählungen Preussischer Prinzen und Prinzessinnen in der Regel am Tage nach dem Kirchgänge stattfinden, die Soupers bei Hofbällen im Rittersaale unter der Regierung Seiner Majestät des Hochseligen Königs Friedrich Wilhelm IV. (z.B. am 8. Februar 1853) u.s.w.

Die Galatafeln sind seither ausschliesslich im Königlichen Schlosse zu Berlin abgehalten worden, und zwar neuerdings immer im Weissen Saale, früher aber auch öfter im Rittersaale und in der Bildergalerie.

Die Uebernahme der Würde eines deutschen Kaisers durch Seine Majestät den König, die Vergrösserung des Preussischen Staatsgebietes, die Vermehrung der Armee haben dem Königlichen Hofe eine so bedeutende Anzahl hoffähiger Personen zugeführt, dass die Räume bei grösseren Tafeln, wie z.B. am Krönungs- und Ordensfeste, gar nicht mehr ausreichen wollen. Es hat daher das Verhältniss, welches früher bei diesem Feste stattfand, wo der Proclamation der Ordensliste im Rittersaale ein Gottesdienst in der alten Kapelle und sodann eine Galatafel im Weissen Saale folgte, längst aufgegeben werden müssen. Unstreitig gehört es aber zur Zierde grosser Königlicher Feste, auch hier, so weit es möglich ist, den Comfort eines Privathauses festzuhalten und nur so viele Gäste einzuladen, wie der Raum, in welchem die Königliche Tafel aufgeschlagen wird, zu fassen vermag. Im Weissen Saale des Königlichen Schlosses können nur 170, höchstens 210 Personen placirt werden. Erheischen nun aber die Verhältnisse, wie bei dem Krönungs- und Ordensfeste, fast gebieterisch, circa 1000 Personen einzuladen,[13] so müssen zwischen 700–800 Personen an kleine, in den angrenzenden Gemächern aufgestellte Tafeln verwiesen werden. Fehlt es dann noch, wie in älteren Schlössern nicht befremden darf, an den erforderlichen sorties und doubleappartements, so ist es für die Festordner doppelt schwierig, den Anforderungen, welche Rangansprüche und Etiquette an dieselben zu stellen pflegen, auch bei den vorsichtigst erwogenen, Seiner Majestät übrigens stets noch vorher zu Allerhöchster Genehmigung unterbreiteten Tafelplacements allseitig zu genügen.

Ueber das Placement an solchen Tafeln gewähren die Beilagen 3–6 den erforderlichen Aufschluss.

Es wird hier nur noch bemerkt, dass principiell am Krönungs- und Ordensfeste, so wie bei allen Festen, welche einen politischen Charakter haben, der Reichskanzler, bei Festen, welche einen militairischen Charakter haben, der Kriegsminister, selbst wenn er in der Armee nur die Charge eines General-Majors bekleidete, und bei allen andern Festen, je nach Allerhöchster Bestimmung, der Oberst-Kämmerer oder der Ober-Hof- und Hausmarschall den Platz in der Mitte des vis-à-vis der Tafel einnehmen.

Der Anzug bei den Gala-Tafeln ist nach den Verhältnissen verschieden. Am Krönungs- und Ordensfeste wird jedesmal die höchste Gala, von den Damen also Hofkleid (robe de cour) angelegt. Nur die Damen des Luisen-Ordens und des Verdienstkreuzes erscheinen dabei in runden Kleidern (robe ronde).

Bei den aus Veranlassung von Vermählungen statt findenden Gala-Diners ist der Anzug ebenfalls höchste Gala, nur erscheinen die Damen, wenn unmittelbar nach dem Diner Gala-Theater stattfindet, in runden Kleidern.

Bei andern Gala-Diners ist auch öfter schon halbe Gala getragen worden.

Quelle:
Stillfried-Alcántara, Rudolf von: Ceremonial-Buch für den Königlich Preußischen Hof I. - XII. Berlin 1877, S. 12-14.
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