2. In Bezug auf das Aeußere des Briefes.

[162] 1. Man nehme kein gewöhnliches Papier, sondern eignes Brief- oder Postpapier, glatt und weiß, nicht farbig, liniert oder unliniert.

2. Ein bestimmtes Format ist nicht vorgeschrieben; in der Regel nimmt man Quartformat, bei Eingaben an den König, an ein Ministerium oder eine andere Behörde einen ganzen Bogen sogenanntes Kanzleiformat.

3. Das Papier sei reinlich, noch ungebraucht, nicht zerknittert, zersetzt oder zerrissen.

4. Man schreibe mit schwarzer, nicht mit farbiger Tinte; auch benütze man zum Trocknen keinen Streusand, sondern ein Fließblatt (Löschpapier).

5. Man nehme einen ganzen, nicht einen halben Bogen Briefpapier. Nur sehr nahe Bekannte und intime Freunde dürfen sich erlauben, einen halben Bogen zu nehmen. Im allgemeinen liegt aber darin immer eine Nachlässigkeit, die eben nur unter guten Kameraden Entschuldigung finden, sonst aber Mißbilligung erregen kann.

6. Das Papier schreibe man nicht ganz voll, sondern lasse immer einen Rand an der linken Seite. Derselbe darf nicht eingebogen oder mit dem Bleistift bezeichnet werden, sondern wird mittels eines Linienblattes abgegrenzt. Er muß um so breiter sein, je höher diejenigen stehen, an welche man schreibt.[162]

7. Man befleißige sich, möglichst in geraden Linien zu schreiben. Wer das nicht kann, der benütze entweder liniertes Papier oder ein Linienblatt.

8. Man bemühe sich, leserlich und so schön als möglich zu schreiben. Ein schön geschriebener Brief nimmt den Empfänger sofort für den Absender ein, während er einen kaum zu entziffernden, unleserlich geschriebenen vielleicht ungelesen beiseite legt. Der Brief sei auch frei von Tinten-, Oel- und Fettflecken.

9. Briefe – besonders an Hochgestellte – dürfen keinerlei Spuren von Verbesserungen zeigen. Es darf in denselben auch kein Wort ausgestrichen, sowie keines über die Zeile oder an den Rand geschrieben werden. Ist wirklich etwas zu ändern, so muß der ganze Brief abgeschrieben werden (vergl. A, 1).

10. Jeder Brief muß aus leichtbegreiflichen Gründen Ort und Datum enthalten. Das Datum hat entweder oben rechts oder unten links zu stehen. Oben soll es stehen in Geschäftsbriefen, unten in Eingaben an Behörden oder Hochgestellte, oben oder unten kann es stehen in freundschaftlichen Briefen.

11. Etwa vier Finger breit unter Ort und Datum setze man die Anrede, die im Verlauf des Briefes bei höheren Personen öfters wiederholt werden muß. Allgemein kann sie in Geschäftsbriefen, Mitteilungen usw. lauten: »Geehrter (sehr geehrter) Herr!«, »Euer Wohlgeboren!«, »Lieber Freund!« Nach der Anrede mache man ein Ausrufezeichen,[163] außer man verbindet das Nachfolgende mit der Anrede, z.B.


Euer Hochwohlgeboren


verzeihen, daß ich usw.

12. Wieder etwa zwei Finger breit unter der Anrede beginnt man mit dem eigentlichen Briefe.

13. Für den Schluß eines Briefes sind vier besondere Linien erforderlich: Die erste für die Versicherung der Hochachtung, die zweite für das den Empfänger betreffende Anredewort, welches in die Mitte gesetzt wird. Dann folgt rechts unten auf der dritten Zeile die Eigenschaft, welche sich der Schreiber des Briefes beilegt, und darunter endlich der Name, z.B.: Ihnen, sehr geehrter Herr, die ausgesprochene Bitte nochmals dringendst ans Herz legend, zeichne ich

Mit vorzüglicher Hochachtung


Ihr

ganz ergebener

N.N.


14. Einen Brief mit Ich, überhaupt mit der eignen Persönlichkeit, beginnen zu lassen, ist zwar nicht falsch, aber auch nicht artig. Wie man höflicherweise im Leben anderen Leuten den Vortritt läßt, so muß dies auch in den Briefen geschehen. Es ist dies meist durch bloße Umstellung des Wortes zu erzielen. Statt zu schreiben: »Geehrter Herr! Ich erlaube mir, Ihnen das und das zu senden«, setze man: »Geehrter Herr! Sie erlauben, daß ich mir die Freiheit nehme, Ihnen das und das zu senden.«

15. Für den Kontext des Briefes merke man,[164] daß alle Anredewörter, d.h. alle Fürwörter, welche sich auf die angeredete Person beziehen, als Du, Dir, Dich, Ihr, Euer, Euch usw. mit einem großen Anfangsbuchstaben zu schreiben sind. Bei einer hochgestellten Persönlichkeit muß das »Sie« im Text des Briefes durch den Titel ersetzt werden (siehe den nächstfolgenden Abschnitt).

16. Auf alle Fälle hat man den Empfänger des Briefes am Schlusse noch einmal zu nennen, z.B.: »Hiermit, lieber Freund, für diesmal genug. Es grüßt Dich« usw.

17. Die Unterschrift darf nicht die erste Zeile einer Seite bilden. Kann dieselbe nicht mehr passend auf der vollgeschriebenen Seite angebracht werden, so richte man es mit dem Texte so ein, daß wenigstens auf der folgenden Seite einige Zeilen der Unterschrift vorausgehen.

18. Eine Nachschrift (Postscriptum, P.S.) darf in amtlichen und geschäftlichen Briefen, wie auch in Briefen an Höhergestellte nicht vorkommen. Wer einen solchen Brief schreibt, der soll sich vorher klar machen, was er will, soll, wie oben gesagt, alle die Punkte vormerken, über die er schreiben will, damit keiner vergessen wird. Wem erst am Schlusse des Briefes einfällt, daß er etwas Wichtiges vergessen hat und dies nun in einer Nachschrift anhängt, der zeigt, daß er ein unklarer Kopf oder ein nachlässiger Mensch ist. Zu entschuldigen wäre die Nachschrift nur in dem Fall, daß man etwa während des Schreibens einen Brief erhält und den Inhalt desselben nachträglich mit einigen Worten erwähnt, oder daß[165] man durch einen Besuch beim Schreiben unterbrochen wird und noch eine durch den Besuch erhaltene Nachricht dem Briefe beifügt.

19. Auf die Adresse verwende man ebenfalls große Sorgfalt. Sie muß alles enthalten, was zur möglichst schnellen Ermittlung des Empfängers wünschenswert ist, und sei übersichtlich, leserlich und schön geschrieben, nicht durch allerlei Schnörkel entstellt. Links oben am Kouverte bebefindet sich die Titulatur, in der zweiten Zeile der Name des Adressaten mit dem Worte »Herr« (»Frau«), in der dritten der Stand oder das Amt des Adressaten und in der vierten Zeile rechts unten Wohnort und darunter, namentlich bei größeren Städten, Straße und Hausnummer, z.B.

Sr. Hochwürden


Herrn Konrad Mangold,

Stadtpfarrer

Stuttgart

Kanzleistraße 6.


Sr. Bischöflichen Gnaden


Dem Hochwürdigsten Herrn Dr. Wilhelm v. Reiser,

Bischof

Rottenburg.


20. Versandt werden die Briefe meistens in Kouverts oder Umschlägen. Ein besonderes Format ist auch hierfür nicht vorgeschrieben. Die Kouverts sind meistens gummiert und werden durch Anfeuchten der Gummischichte verschlossen. Briefe an sehr Hochgestellte werden mit rotem Lack verschlossen und mittels eines Petschafts gesiegelt. Ist in einer Familie ein Trauerfall vorgekommen,[166] so gebrauchen die Angehörigen bei ihren Korrespondenzen, ausgenommen bei Geschäftsbriefen, schwarzgerändertes Postpapier und ebensolche Umschläge sowie Siegellack, beziehungsweise Oblaten von derselben Farbe, zum Ausdruck der Trauer und des Schmerzes.

21. Die Briefe werden nur in sehr wichtigen, dringenden Fällen durch Extraboten versandt; die regelmäßige Beförderung ist die durch die Post. Man trage Sorge, die Briefe frei zu machen, auch dann, wenn wir einem Unbekannten, der uns in einem persönlichen Anliegen um Auskunft gefragt hat, antworten. Sollte man sich selbst einmal in der Lage befinden, von jemand, der mit uns in keinem weiteren Verkehr stünde, über etwas Auskunft zu begehren, so ist es angezeigt, ihm die mutmaßlichen Auslagen in Briefmarken mitzuschicken. Diese werden alsdann auf der ersten Seite links oben auf dem weißen Rande an einem Zipfel angeklebt.

22. Es sei hier noch ein Wort gesagt über die Eingaben an die Behörden. Zu einer Eingabe an eine Behörde nimmt man, wie weiter oben schon gesagt, sogenanntes Kanzleiformat, oder, falls man solches nicht zur Hand hat, einen ganz weißen Bogen gewöhnlichen Formats (in Folio). Dieser wird seiner Länge nach in zwei gleiche Teile gebrochen. Die linke Hälfte enthält das sogenannte Rubrum, d.h. den Namen des Schreibenden mit genauer Angabe seines Wohnorts und des Gegenstands des vorliegenden Gesuchs (den Betreff). Die Anrede wird auf[167] die rechte Hälfte, oder, wie in Bayern, in die Mitte des Bogens gesetzt; oder sie kann auch links als Adresse stehen. Die rechte Hälfte trägt den Text der Eingabe, der auf der zweiten Seite nicht mehr halbbrüchig geschrieben zu werden braucht. Am Schlusse, etwas oberhalb der Unterschrift steht, das Datum. Zu bemerken ist, daß, je mehr Rand an den einzelnen Seiten gelassen wird und je größer der Abstand der Unterschrift von der Schlußformel ist, d.h. je tiefer die Unterschrift gesetzt wird, für desto größer die Ehrenbezeigung gehalten wird. Uebrigens läßt sich für solche amtliche Eingaben eine allgemein gültige Regel nicht aufstellen, da es in den verschiedenen Ländern verschiedene Bestimmungen hierüber gibt. Will man sich deshalb keinen Unannehmlichkeiten aussetzen und den Zweck seiner Eingabe sicher erreichen, so thut man gut daran, wenn man sich an dem Orte seines jeweiligen Aufenthalts über die landesgebräuchlichen Formalitäten erkundigt und sich dann darnach richtet.

Quelle:
Vogt, Franz: Anstandsbüchlein für das Volk. Donauwörth [1894] [Nachdruck Donauwörth 21987], S. 162-168.
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